Es ist wieder soweit. Eine weitere Folge „Pimp My Stock!“, um zu sehen, wie verkäuflich die eingesandten Bilder sein können. Wer das ebenfalls von seinen eigenen Bildern sehen will, findet ihr alle Details. Diesmal bittet Sepp um eine Beurteilung seiner Fotos.
„Hallo Robert,
meine Name ist Josef Lindhuber, genannt Sepp. Ich bin 63 Jahre alt und werde demnächst in Rente gehen. Da fotografieren ein Hobby seit meiner frühesten Jugend ist möchte ich gerne etwas Zeit in die Stockfotografie verwenden und eventuell meine Rente etwas aufbessern.
Meine erste Spiegelreflex war eine Praktika Super TL im Jahre 1965. In den 80zigern habe ich mit einer Mamya 645 fotografiert bevor ich dann in das EOS System (damals noch Analog) eingestiegen bin. Zur Zeit entstehen meine Fotos hauptsächlich mit einer Canon EOS 7D und diversen Objektiven vom Weitwinkel bis hin zum 100–400 mm Zoom. Im Keller habe ich mir ein kleines Studio eingerichtet und schon die ersten Probeaufnahmen gemacht. Allerdings sind mir die Bilder noch nicht gut genug für eine Veröffentlichung.
Ich bitte um eine schonungslose Kritik, da ich gerne wissen würde ob ich mit meinen Bildern Chancen bei einer Agentur habe.
Mit der Bewerbung für die Serie “Pimp My Stock!” erkläre ich mich damit einverstanden, dass meine Fotos im Blog in der Rubrik “Pimp My Stock!” veröffentlicht werden.
Viele Grüße aus dem sonnigen München,
Sepp (Josef Lindhuber)“
Schauen wir uns seine Bilder an:
Das erste Foto heißt „Alte Zahnräder mit Tautropfen“, aber diese sind hier nur sehr klein und unscharf zu sehen. Ein Minuspunkt. Abgesehen davon suchen Kunden, welche mit einem Bild von Zahnrädern „Dynamik, Effizenz und Organisationstalent“ ausdrücken wollen, keine alten, eingerosteten Zahnräder, die eher Rückstand bis Stilstand symbolisieren. Und das Kaufinteresse für letztere Konzepte ist deutlich geringer.
Hm, das hier ist nix Halbes und nix Ganzes. Wir haben Palmen mit einer Basthütte im Vordergrund, die idyllische Natur und erdverbundenes Leben symbolisieren. Dahinter aber noch gut zu erkennen stehen modernere Bauten, die nicht nur häßlich aussehen, sondern auch das Symbol zerstören. Als Stockfoto deshalb weniger geeignet.
Dieses Foto von einem Gebirge finde ich sehr gelungen. Schönes Licht, düstere, geheimnisvolle Stimmung, guter Bildaufbau durch den sich diagonal durchs Bild ziehenden Bach. Tendenziell ist das aber eher ein Foto für Macrostock-Agenturen, weil es eben eher dunkel ist. Eine genaue Orts- und Bergangabe erhöht noch die Verkaufschancen.
Dieses Foto zeigt die Reparatur einer Holzbrücke. Für mich ist das ein gutes Stockfoto. Es ist nicht sonderlich spektakulär, aber hat eine klare Aussage, die gebraucht wird, um Themen wie Bau, Infrastruktur, Handwerk etc. zu bebildern. Mir gefällt auch die Perspektive, obwohl ich so tief in der People-Fotografie drin stecke, dass ich wahrscheinlich eher den Fokus auf den Arbeiter rechts gelegt hätte und alles für einen Model Release gegeben hätte (oder gleich ein Model dahin gestellt hätte). Vom Weißabgleich scheint mir das Bild etwas zu kühl, ansonsten ist es sehr gelungen.
Diese „Äpfel im Morgentau“ sehen zwar grafisch ganz interessant aus, sind aber aus Stockfotosicht zu „schmutzig“, haben zu viele faulige, dunkle Stellen und vorne und hinten franst die „Unendlichkeit“ der Äpfel leider etwas aus. Die Frage bei solchen Fotos lautet doch immer: „Möchte ich in diesen Apfel beißen?“
Innenansichten von Einzelhandelsgeschäften verkaufen sich immer sehr gut. Das Motiv ist also richtig gewählt. Leider gibt es einige wichtige Kleinigkeiten, welche die Verkaufschancen zusammen stark schmälern. Erstens stimmt der Weißabgleich nicht richtig, links ist zuviel Neonlicht, hier würde es helfen, das RAW-Foto mit zwei verschiedenen Weißabgleichen (jeweils für den linken und rechten Rand) zu entwickeln und dann mit einer Verlaufsmaske zu überblenden. Außerdem stören die Schilder mit deutscher Sprache hin der Mitte, weil das die regionale Zuordnung erleichtert und die Verkäuflichkeit in allen anderen Sprachregionen behindert. Drittens gibt es einige markenrechtliche Probleme zu bedenken. So könnten sich Agenturen an den erkennbaren Buchstaben links hinter dem Regal stören und ich kann nicht erkennen, ob i der 100%-Ansicht auf den Schildern an einigen Schuhen noch Markennamen o.ä. lesbar sind. Zuletzt hätte ich nicht die untere Schuhreihe mitten durch die Schuhe hindurch abgeschnitten. Idee gut, Umsatz leider mangelhaft hier.
Dises Bild erinnert mich stark an „Rhein II“ von Andreas Gursky, momentan das teuerste Foto der Welt. Das ist schon mal keine schlechte Voraussetzung. Leider verkauft Gursky über Galerien, nicht über Bildagenturen, wo ganz andere Regeln gelten. Für die Agenturen könnte das „Gras grüner“ und das „Wasser blauer“ gefärbt werden und ich würde den Baumstamm neben dem Fahrrad retuschieren. Aus klassischer Stock-Perspektive hat die Frau rechts im Bild auch nicht die richtige Strand-Kleidung.
Für das letzte Bild mit der „Sommerwiese mit Fliege“ gilt wieder das Gleiche wie für das erste Bild. Was angeblich das Hauptmotiv – die Fliege – sein soll, ist hier kaum zu erkennen. Zudem sind Fliegen generell nicht der Renner bei Bildagenturen, egal ob es um Insekten, Schädlingsbekämpfung oder Haustiere geht.
Was sagt ihr zu den Bildern? Welchen räumt ihr die meisten Chancen ein?
Das Foto mit dem Gebirge gefällt mir sehr gut! Weiß jetzt aber auch nicht, warum ich es spiegeln würde. Den Stil – ob gewollt oder nicht – würde ich öfters anwenden.
Erinnert mich übrigens an den Film „Das finstere Tal“ – ein toller Film 😀
Ich stimme Robert zu. Gebirge und Schuhgeschäft dürften auch in den Schattenbereichen zu dunkel sein. Bei der Holzbrücke könnte neben der Helligkeit auch die geringe Schärfentiefe Kritikpunkt sein. Wenn ich mit längeren Brennweiten fotografiere, werden Bilder zunehmend mit der Begründung abgelehnt, dass sie unscharf seien, obwohl der bildwichtige Teil rattenscharf ist.
Ein Foto, das technisch in Ordnung ist, hat Chancen angenommen zu werden. Das heißt noch lange nicht, dass es sich auch gut verkaufen wird, da schon eine Masse an sehr guten Bildern zu den meisten Aufnahmebereichen vorhanden ist. Wenn man keine Bilder anliefern kann, die sich von den schon vorhandenen abheben, lohnt der ganze Aufwand nicht.
@ Michael
Logischer 2. Absatz. Ich selbst platziere oft genug bei Fotolia Bilder, die sich nicht unbedingt massiv von anderen abheben, und verkaufe sie auch. Wenn auch in bescheidenerem Rahmen als bei vielen hier. Ich denke, sinnvolle Varianten eines Themas haben ihre Chance …
Zu den vorgestellten Bildern:
Mir gefällt das Bild mit dem Holzgeländer sehr gut. Das mit den Schuhen ist für mich das Nichtssagendste, ohne dem Fotografen zu nahe treten zu wollen. Stockfotos sind eine eigene Klasse, das habe ich selbst lernen müssen/wollen. Daher: Weiter machen, man wächst an den Bildern, die abgeschmettert werden, war (und ist) bei mir genauso 😉 Herzliche Motivationsgrüße von Alex!
Was meint der Urheber der Fotos aus München zu Deinen Bildbeurteilungen auf Agenturtauglichkeit.Ist sie ein Ansporn für Ihn es jetzt besser zu machen?
Als Frau finde ich das Schuh-Foto toll! 😉
Danke für die Kommentare. Es ist ein großer Unterschied ob man ein Foto für einen Wettbewerb oder als Stockfoto verwenden will, soviel habe ich bereits gelernt. Aktuell wurde das Foto mit dem Holzgeländer auch genommen und ist bereits einmal verkauft worden.Alle anderen wurden abgelehnt. Aus inzwischen verständlichen Gründen.Übrigens kann ich Robert‚s Buch „Stockfotografie“ nur wärmstens empfehlen.