Feminismus aus Sicht der Stockfotografie

Eine Freundin schick­te mir neu­lich einen Link zu die­sem Artikel. Darin mach­te sich die Bildredakteurin Emily Shornic, die unter ande­rem für das Modemagazin The Cut arbei­tet, über die Stockfotografie-​Klischees lus­tig, wel­che auf­tau­chen, wenn sie nach „girl power“ oder „empowered fema­le“ sucht. In der dazu­ge­hö­ri­gen Slideshow gibt es dann hau­fen­wei­se Bilder von Business-​Frauen mit roten Boxhandschuhen, sexy Frauen mit Werkzeug, hoch­ha­cki­ge Schuhe, wel­che den Geschäftsmann zer­tre­ten wol­len und so wei­ter. Im dazu­ge­hö­ri­gen Text klingt es dann so, als sei­en die­se Bilder unge­fähr das, was in der Stockfotografie zum Thema „Feminismus“ zu fin­den ist.

Als von Rollenbildern eman­zi­piert den­ken­der Stockfotograf lässt mich das natür­lich nicht kalt und ich habe etwas nachgebohrt.

Fangen wir mit der Differenzierung an. Natürlich ist es leicht und ein­fach, sich zu einem Suchbegriff je 10–15 sehr ähn­li­che Bilder raus­zu­su­chen, ange­sichts von meh­re­ren Millionen Bildern in den Agenturen. Wenn die­se ähn­li­chen Fotos dann geballt neben­ein­an­der gezeigt wer­den, sorgt das immer für einen bil­li­gen Lacher, wie die Seiten „Woman laug­hing alo­ne with salad“ oder „Women Struggling to Drink Water“ bewei­sen. Noch viel mehr Beispiele wur­den auf die­ser Meme-​Seite zusammengestellt.

Eine Suche nach „woman tool sexy“ bei Shutterstock brach­te die­se u.a. Treffer…

Die vie­len Bilder mit ande­ren Motiven wer­den bei die­ser Parade logi­scher­wei­se aus­ge­blen­det und auch die Möglichkeit, mit Hilfe ande­rer Suchbegriffe bes­se­re Ergebnisse zu erzie­len. Emily Shornic fand es in den Kommentaren zum oben ver­link­ten Artikel bei­spiels­wei­se abwer­tend, dass sie bei der Suche nach „woman power tool“ vie­le leicht­be­klei­de­te Damen mit Handwerkszeug fand, aber bei der Suche nach „man power tool“ kei­ne leicht­be­klei­de­ten Herren zu fin­den waren. Kein Problem, die gibt es eben­so

…aber die Suche nach „man tool sexy“ sieht ver­gleich­bar aus.

Auch zu allen ande­ren Themen wie Frauen in Boxhandschuhen las­sen sich genü­gend männ­li­che Beispiele fin­den, um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu wah­ren. Ich habe die Bildredakteurin vor zwei Wochen per Email gefragt, was denn aus ihrer Sicht anspre­chen­de Motive wären, die „Girl Power“ oder „star­ke Frauen“ adäquat visua­li­sie­ren wür­den, aber bis heu­te kei­ne Antwort erhal­ten. Eine Antwort kam hin­ge­gen von der Facebook-​Gruppe Gender Hub, die hier eben­falls auf den Eingangsartikel ver­linkt hat. Auf mei­ne Frage nach „moder­nen Feminismus-​Motiven“ kam als Antwort: „Echte Frauen im ech­ten Leben zu zei­gen. Vielfalt von allem.“ Wobei ich bezweif­le, dass das Foto einer ech­ten Hausfrau in ihrer ech­ten Küche oder mei­net­we­gen auch lesend auf dem Sofa eine geeig­ne­te visu­el­le Umsetzung des Feminismus-​Begriffs wäre.

Interessant ist auch ein ande­rer Aspekt: Fast immer wer­den die­se Bilder-​Galerien mit sehr ähn­li­chen Motiven aus Material der Microstock-​Abo-​Agentur Shutterstock gespeist. Dort sind die Bilder eben oft am güns­tigs­ten, vor allem, wenn die Zeitschrift dort sowie schon ein Abo hat. Die Auswahl bei den deut­lich teu­re­ren Agenturen wie Getty Images oder Plainpicture zum Thema „Feminismus“ ist zwar deut­lich klei­ner, aber auch nicht so kli­schee­be­la­den wie bei den Microstock-​Agenturen. (Kleiner Tipp am Rande: Die Suche nach „femi­nism“ bei Stocksy bringt aktu­ell noch kei­ne Treffer, also eine freie Nische.)

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Microstock-​Fotografie für die Anbieter, also die Fotografen, nur loh­nen kann, wenn die Motive bei den sehr gerin­gen Bildpreise häu­fig genug ver­kauft wer­den, um die Produktionskosten wie­der ein­zu­spie­len. Freche, ori­gi­nel­le Motive, wit­zi­ge Bilder, die auch mal anecken, gehö­ren logi­scher­wei­se nicht zu den Mainstream-​Themen. Ein biß­chen sind die Bildredakteure sogar selbst schuld: Würden sie immer noch bei den teu­ren Agenturen kau­fen und nicht mit ihrem Shutterstock-​Abo suchen, wür­den die Fotografen auch wei­ter­hin die Macrostock-​Agenturen belie­fern.

Genau genom­men ist es fast ein Widerspruch, Feminismus in der Stockfotografie, vor allem im Microstock-​Bereich, fin­den zu wol­len. Der Stockfotografie ist es ja imma­nent, gesell­schaft­li­che Ist-​Zustände zu bebil­dern und sich dabei vor allem an den gel­ten­den Normen zu ori­en­tie­ren, wäh­rend Feminismus genau die­se Normen auf­bre­chen und ver­än­dern will.

Es gibt sogar Agenturen wie Shestock oder mother image, die sich kom­plett auf weib­li­che Lifestyle-​Fotos spe­zia­li­siert haben oder DISimages, wel­che gene­rell die Stockfotografie-​Klischees auf­bre­chen wol­len. In den Kommentaren zum obi­gen Artikel wird klar, dass Emily Shornic die­se Agenturen teil­wei­se sogar kennt und schätzt.

Vielleicht heißt das auch nur:
Feminismus ist ein­fach nicht bil­lig zu haben!

Wie wür­det ihr Feminismus abseits von Klischees illustrieren?

10 Gedanken zu „Feminismus aus Sicht der Stockfotografie“

  1. Robert, die Männer sehen aus wie für einen Schwulenkalender. Was Fúr Bilder soll man denn erwar­ten, wenn man sexy in die Suchmaske eingibt.
    Gib mal bei der Suche nach den Männern hand­so­me anstatt sexy ein:)
    Du hast Recht, dass es kaum Bilder von eman­zi­pier­ten Frauen gibt. Die Gründe die du dafür anführst sind einleuchtend.
    Auf der ande­ren Seite, sind die, ich nenn sie mal Emanzen, nicht die foto­gens­ten Frauen.
    Die Welt ist aber nicht schwarz weiss. Das heisst, es gibt nicht nur die wil­li­ge Blondine auf der einen und die ase­xu­el­le häss­li­che Emanze auf der ande­ren Seite.
    Zu die­sem Themenkreis gute, ver­käuf­li­che Fotos zu machen gehört sicher­lich zu den gröss­ten Herausforderungen an einen Fotografen und ans Keywording

  2. Hallo Robert,

    wie ver­hält sich das mit den gezeig­ten Thumbnails von shut­ter­stock? Hätte man da nicht eine Lizenz kau­fen müs­sen? Auch auf der genann­ten Meme-​Seite ist mir auf­ge­fal­len, dass dort Thumbnails und Previews mit Wasserzeichen gezeigt wer­den, die garan­tiert nicht lizen­siert wur­den. Ich per­sön­lich wäre mit so einer Nutzung mei­ner Bilder ein­ver­stan­den, da es mit Wasserzeichen ja kos­ten­lo­se Werbung ist. Aber gera­de vor dem Hintergrund von Berichten in Deinem Blog über Bilderdiebe wür­de mich inter­es­sie­ren, ab wann off­zi­ell die Bilder lizen­siert wer­den müssen.

    Vielen Dank!

    Steffen

  3. @Steffen: In mei­nem Fall ist das Teil des Screenshots der Shutterstock-​Seite für einen redak­tio­nel­len Bericht auch über die­se Suchergebnisse. Wie sich das bei den Meme-​Seiten ver­hält, weiß ich nicht genau, aber iStockphoto hat­te eine die­ser Meme-​Seiten (ich glau­be, es war awkwardstockphotos.com) erfolg­reich abge­mahnt, deren Bilder nicht zu nutzen…

  4. Ich fin­de schon den Grundtenor die­ser Diskussion völ­lig abwe­gig. Natürlich kön­nen auch Fotos leicht beklei­de­ter Damen „ „femi­nis­tisch“ sein, wenn sich die­se Damen selbst für die­se Darstellungsweise ent­schie­den haben. Im Gegensatz z. B. zur mus­li­mi­schen Welt ist de fac­to ein Pin Up Girl extrem femi­nis­tisch, ver­kör­pert es doch auch die Freiheit, die der weib­li­che Teil der Bevölkerung in der west­li­chen Welt ganz selbst­ver­ständ­lich besitzt.
    Es gibt übri­gens jede Menge redak­tio­nel­len Materials von Politikerinnen, ange­fan­gen von Angela Merkel bis Ursula v. d. L., die de fac­to sym­bo­lisch für femi­nis­mus ste­hen könn­ten. Aber nein, es müs­sen ver­mut­lich pla­ka­ti­ve, ideo­log­sich ver­bräm­te Darstellungen sein, die jedoch noch nicht ein­mal rich­tig benannt wer­den können.
    Kurz und gut, ich hal­te die­se Diskussion für eine Frage des Zeitgeistes und exem­pla­risch für einen Teil des sat­ten soge­nann­ten Bildungsbürgertums, wel­ches aus Mangel an wirk­li­chen Problemen künst­li­che Problemfelder kreiert.

  5. @roede-orm: Das ist ja ein Totschlagargument: Demnach dürf­te man sich weder mit Umweltschutz, Gleichberechtigung, Diskriminierung oder Bildungspolitik beschäf­ti­gen, solan­ge noch irgend­wo Kinder verhungern…

  6. Zu dei­ner fra­ge Robert. Feminismus ist eine Weltanschauung und poli­ti­sche Bewegung. Es ist also etwas imma­te­ri­el­les Von daher wür­de ich es mit ästhe­ti­schen Bildern in denen star­ke Persönlichkeit zum Ausdruck kommt illustrieren.
    Man soll­te es sich und dem Betrachter nicht zu schwer machen. In Westeuropa brau­chen wir sicher­lich kei­ne Bilder unter­drück­ter Frauen.
    Das Bild soll­te zum Ausdruck brin­gen hier seht ihr eine Frau, die es genießt eine sol­che zu sein.
    In etwa so: http://d2h7zhs7j92pdr.cloudfront.net/images/thumbnails/thu-p586m753912.jpg, gefun­den bei Plainpicture.de

  7. Robert, Du hast das Thema sehr gut dis­ku­tiert. Mir per­sön­lich gehen die­se angeb­li­chen Feministinnen mehr und mehr auf die Nerven. Es geht – bewußt oder unbe­wußt – um Gekreisch, laut und zän­kisch. Auffallen um jeden Preis. Gegen Männer. Früher muß­ten unbe­ding BHs ver­brannt wer­den, weil wir Männer so böse sind. Heute wer­den wir vom BH-​trangenden Geschlecht sexis­tisch genannt, wenn wir dar­an erin­nern. Wie man es gera­de halt so braucht.
    Die geleb­te Fotografie zeigt sehr schön, dass einem Großteil der ach so femi­nis­ti­schen Damenwelt die Ablichtung sehr ange­nehm ist – in wel­cher Pose/​Bekleidung auch immer. Dafür ist dann manch­mal jedes Mittel recht – jeden­falls in mei­ner beschei­de­nen, pro­fes­sio­nel­len Erfahrung.
    Mach wei­ter so, Thomas

  8. Ich muss sagen, ich fin­de die Diskussionen hier immer wie­der erfri­schend. Gerade bei die­ser Bilderauswahl, die ein­deu­tig dem Marketing-​Spruch „Sex sells …“ hul­digt, merkt man, wie kom­mer­zi­ell der Fotograf ist und was des­sen Meinung nach der Kunde sucht.
    Das Ganze ist für mich ein Anreiz, das genaue Gegenteil als Fotograf aus­zu­pro­bie­ren. Wie sieht in den­sel­ben Kontexten die über­ge­wich­ti­ge Hartz-​4-​Empfängerin oder der sau­fen­de Langzeitarbeitslose aus? Bringe ich die­se ander Art von Klischee-​Bildern auch auf FOTOLIA unter (über die ich mich immer noch auf­re­ge, 50 % Abonnement-​Verkäufe), und kauft jemand dann die­se Bilder auch?
    Ich dan­ke herz­lich für Euer aller Inspiration und pla­ne für das neue Jahr mei­ne Shootings entsprechend 😉
    Übrigens: Allen ein fro­hes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch! Viel Erfolg, Gesundheit und all­zeit gutes Licht!
    Alex

  9. Hallo zusam­men,
    lie­ber Robert, du kennst mei­ne Kritik an dem Artikel, aber hier noch ein­mal zusam­men­ge­fasst und öffentlich:
    – es ist unklar, was die Schlagwortsuche mit Feminismus zu tun hat. Da gibt es immer noch einen Logikfehler in der Argumentation.
    – Außerdem: die Werbe- und an Unterhaltungszeitschriften ori­en­tier­te Stockfotografie kann (bis­her?) poli­ti­sche Themen nicht wie die Tagespresse artikulieren.
    – Es gibt also ein visu­el­les Dezifit, dass sich ein­fach in dem Warencharakter der Stockfotografie begrün­det. Das ist ein­fach so, schließ­lich han­delt es sich um ein Produkt und ist inner­halb der öko­no­mi­schen Logik zu akzeptieren.
    – Dennoch gibt es, wie in allen wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Bereichen, eine ethi­sche Dimension. Welches ima­gi­nä­re Bildarchiv gestal­ten (Stock-)Fotografen mit? Also wel­che bild­li­chen Vorstellungsrahmen wer­den Menschen gebo­ten. Das heißt, wenn Bilder auf Klischees redu­ziert wer­den, gibt es kaum Möglichkeit sich Menschen jen­seits von schwarz oder weiß vor­zu­stel­len. Das för­dert sexis­ti­sches, ras­sis­ti­sches, behin­der­ten­feind­li­ches oder klas­sis­ti­sches Denken. Schade für die­je­ni­gen, die sich bei der gegen­wär­ti­gen Dominanz einer „clea­nen“ Körper-​Ikonologie in der Öffentlichkeit, kaum noch in ihren Körpern wohl­füh­len kann (unab­hän­gig von Geschlechtszugehörigkeit).

    Ich habe kei­ne Lösung für die­sen Zwiespalt zwi­schen wirt­schaft­lich arbei­ten und ethi­scher Verantwortung. Bedenkenswert ist es jedoch allemal.

    Schöne Weihnachten
    J.

  10. @J
    Als Berufsfotograf habe ich vie­le Jahre Reportagen für Zeitungen foto­gra­fiert. Ich habe von jeder Geschichte die lin­ke UND die rech­te Seite foto­gra­fiert. Beispiel: Demo. Egal wie vie­le Leute dort ver­sam­melt waren. Ich habe Bilder gehabt, auf denen man sah dass hier vie­le Menschen sind (zur Not mit dem 400er zusam­men­ge­staucht) aber auch Bilder auf denen bei einer Demo mit 1000 Menschen es aus­sah als wären nur weni­ge Peronen versammelt.

    Ich bin nur der Fotograf. Ich schrei­be nicht den Artikel. Und ich habe kei­ne Ahnung, was in dem Artikel steht. Also mache ich alles und der Redakteur sucht sich die FÜR IHN rich­ti­gen Bilder raus.

    Im Stock ist es ähn­lich. Ich bin nur der Fotograf. Ich habe Klischeebilder wie oben. Ich habe auch Bilder vom Rande des Sozialsystems. Aber beruf­lich bin ich Fotograf. Der Kunde soll sich das Bild neh­men das er braucht. Und ja – von den Klischeebildern ver­kauft man ein x‑faches im Vergleich den Anderen.

    Ich sehe hier auch kei­nen Zwiespalt. Beruflich Fotograf, pri­vat Gutmensch (was immer das hei­ßen mag). Ich will mit mei­nen Bildern auch nicht die Welt ver­än­dern oder Bewußtsein auf­rüt­teln. Möchte ich das, wäre ich im Stock falsch. Dann müß­te ich Reportagen zu Themen machen, die die Gesellschaft auf­rüt­teln. Das ist mit mei­nen Vorstellungen von Einkommen aber nicht mach­bar. Und dazu ste­he ich auch. 

    Als Stockfotograf kann man kei­ne Klischees ver­än­dern oder machen. Das kön­nen nur die­je­ni­gen, die die Bilder verwenden.

    Es hat im Forum ja auch schon ein­mal die Diskussion gege­ben, ob es ethisch ver­tret­bar ist, sei­ne Bilder in Indien bear­bei­ten zu las­sen. Da den­ke ich nicht ein­mal eine Sekunde dar­über nach, weil dann müß­te ich wahr­schein­lich nackt her­um­lau­fen. Schneidern kann ich näm­lich nicht.

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