Frag den Fotograf: Sollte man Stockfotos bearbeiten?

Die Leserin Chris frag­te kürz­lich in einem Kommentar im Blog, ob man Stockfotos bear­bei­ten solle:

Ich habe irgend­wo gele­sen, dass Fotos für Stockagenturen unbe­ar­bei­tet ein­ge­reicht wer­den soll­ten, weil die Käufer dies ger­ne selbst über­neh­men wol­len. Ist dies ein Ammenmärchen? Sollte man die Fotos also immer etwas “auf­hüb­schen”?“

Vorher-​Nachher-​Vergleich eines Bildes aus mei­nem Eis-Blog

Noch bevor ich ange­fan­gen habe, ihre Frage in die­sem Artikel aus­führ­lich zu beant­wor­ten, waren zwei Leser so freund­lich und haben so kom­pe­ten­te Antworten gege­ben, dass ich die­se zuerst kom­plett wie­der­ge­ben möch­te, bevor ich noch eini­ge Anmerkungen mache. Olaf schreibt:

@Chris: Grundsätzlich erlaubt und meist auch erwünscht sind Bearbeitungen, die auf die Optimierung des Bildergebnisses aus sind. Zu nen­nen wären da z.B. die gera­de Ausrichtung des Horizontes (es sei denn, es ist gewollt, dass das Bild “schief” ist), die Anpassung von Helligkeit/​Kontrast/​Lichtern/​Schatten, Korrektur des Weißabgleichs, Retusche uner­wünsch­ter Bildelemente (nicht nur Pickel…) und der Beschnitt des Bildes.

Die Finger wür­de ich dage­gen auf jeden Fall von Weichzeichnern, Farbfiltereffekten (auch Umwandlung in Schwarzweiß) und ande­ren “tol­len” Photoshop-​Effekten las­sen. Selbst Rauschminderung und Scharfzeichnung wür­de ich nur sehr vor­sich­tig ein­set­zen und hier die end­gül­ti­ge Bearbeitung dem Käufer über­las­sen, da für unter­schied­li­che Einsatzzwecke zum Teil ande­re Einstellungen sinn­voll und not­wen­dig sind. Aus die­sem Grund ist es auch sinn­voll, die Bilder in der größt­mög­li­chen Qualität zu expor­tie­ren (oft als JPEG-​Qualität “12? oder “100 %” bezeich­net). Dann tre­ten prak­tisch kei­ne sicht­ba­ren Kompressionsartefakte auf (sofern sie nicht schon vor­her im Bild waren) und ein Designer kann pro­blem­los noch ein paar Veränderungen am Bild vor­neh­men, ohne dass die Qualität am Ende nicht mehr ausreicht.“

Kerstin ergänzt:

Das ist so eine Grauzone. Gemeint ist damit meist, das kei­ne sicht­ba­ren Bearbeitungen vor­han­den sein sol­len. Also Rahmen ums Bild, “ver­schö­nern­de” Effekte wie Filter etc. Sowas wird abgelehnt.

Wer sich mit Bildbearbeitung aus­kennt, kann/​wird/​muss sei­ne Fotos jedoch so bear­bei­ten, dass sie wie Postkartenmotive (bei Landschaften) aus­se­hen und somit das Auge des Käufers anspre­chen. Das ver­kauft sich bes­ser als die “nor­ma­len” Aufnahmen, ist zwar auch bear­bei­tet, wirkt aber nicht all­zu künst­lich. Zwar suchen vie­le Käufer – wenn sie aus der Designerecke kom­men – Motive an denen sie noch viel her­um­schrau­ben kön­nen, aber genau­so­vie­le Käufer kau­fen nach dem Auge. Und da fal­len die schön bun­ten Bilder, die wei­ßen Zähne, die makel­lo­se Haut des Models mehr ins Auge als das “Realistische”.“

Ich fin­de, bei­de Antworten zusam­men fas­sen den Stand der Dinge gut zusam­men: Bearbeiten ja, aber so, dass es nicht zu künst­lich wirkt. Ich freue mich auch, dass die Kommentare so hilf­reich und aus­führ­lich sind und möch­te mich dafür kurz zwi­schen­durch bei euch, mei­nen Bloglesern, bedan­ken. Aber wei­ter im Text:

Dieses „ja, aber“ hat zwei Gründe. Zum einen sind Stockfotos oft Rohmaterial für Designer, wel­che die­se für Fotomontagen nut­zen oder zusam­men mit ande­ren Elementen wie Text oder Logos und Grafiken zu einem fer­ti­gen Werbeplakat oder einer Zeitungsanzeige kom­bi­nie­ren. Manchmal wird auch nur die Farbe der T‑Shirts der Models geän­dert oder deren Haarfarbe.

Viele Bildkäufer kau­fen Stockfotos nicht des­halb, weil sie die­se gerahmt an die Wand hän­gen und sich an ihrer Schönheit ergöt­zen wol­len, son­dern weil die Fotos einen Zweck erfül­len sol­len. Passt das Foto nicht ganz, scheu­en sich vie­le nicht, die­se der geplan­ten Nutzung ent­spre­chend anzu­pas­sen. Deswegen ist es für den Fotografen sinn­voll, dem Designer die Wahl zu über­las­sen, mit wel­chen Filtern, Rahmen oder ande­re Spielereien sie die Ausgangsbilder ver­än­dern wollen.

Der ande­re Grund ist die Bilderflut. Die meis­ten Bildagenturen haben vie­le Millionen Bilder im Angebot und jede Woche kom­men zig­tau­send neue Bilder dazu. Fotos mit flau­en Farben oder grau­em Himmel gehen dann schon in der Thumbnail-​Ansicht zwi­schen den grell leuch­ten­den, quietsch­bun­ten Heile-​Welt-​Fotos unter. Und wes­sen Foto nicht auf­fällt, der kann auch nichts verkaufen.

Deswegen: Bearbeiten ja, aber mit Augenmaß.

Wie geht ihr bei der Bearbeitung eurer Bilder vor?

9 Gedanken zu „Frag den Fotograf: Sollte man Stockfotos bearbeiten?“

  1. Ganz klar muss man bear­bei­ten. Wie schon erklärt sind Aufnahmefehler wie ein schie­fer Horizont, fal­scher Weißabgleich oder chro­ma­ti­sche Aberrationen …, sinn­vol­le Ablehnungsgründe bei den Agenturen um eine gewis­se Selektion zu erreichen.

    Eine Ablehnung kann aber auch erreicht wer­den, indem man Bilder zu stark bear­bei­tet – prak­tisch einem brauch­ba­ren Bild einen zu sehr eige­nen Geschmack ver­leiht. Stockfotografie ist nicht unbe­dingt Kunst. Trotzdem gibt es Bildtrends, denen man oft fast fol­gen MUSS um „tren­dy“ Bilder anzu­bie­ten und erfolg­reich zu sein.

    Manche Agenturen haben für Trend- und Kunstbilder eige­ne Bereiche ange­legt oder haben sich dafür ganz spezialisiert.

    Ich hebe mir die RAW-​Dateien län­ger auf, um evtl spä­ter die­se an den aktu­el­len Bildtrend anzu­pas­sen und erneut anzubieten.

  2. Unbearbeitet geht bei mir kein Bild an die Agenturen.
    kommt jedoch immer auf das Bild an, wie stark ich es bear­bei­te. Manchmal sind es nur Fusseln, Flecken usw. dann wie­der eine kom­plet­te Retusche, und sel­ten auch noch Elemente die einer Komposition gleich kom­men. Aber wenn man viel bear­bei­ten möch­te, soll­te man klar­stel­len, daß von der Kamera bis zum Monitor alles Kalibriert ist, vie­le Agenturen mer­ken es sofort, wenn allein der Weißabgleich nicht passt.

  3. bei mir ist auch jedes Bild bear­bei­tet. mei­ne Portraits bear­bei­te ich mit einer Vielzahl von Techniken, und ich den­ke nicht jeder Käufer ist ein PS exper­te, der all die­se Tricks kennt. Des wei­te­ren will ich ja einen bestimm­ten Bildlook ver­kau­fen. und schließ­lich kos­tet jede Bearbeitung Zeit und Geld, wes­we­gen ich mir vor­stel­len kann, dass Käufer zuneh­mend nach „fer­ti­gen“ Bildern schau­en und nicht mit dem Gedanken einer eige­nen Optimierung einkaufen.

  4. ich fin­de manch­mal ist weni­ger mehr …ein Foto soll­te nach Foto ausschauen .
    Der wich­tigs­te Punkt wie ich fin­de sind die rich­ti­gen Farben bzw. der cmyk Modus und die Tonwertkorrektur .

  5. Ich las­se nur den RAW Converter drü­ber­lau­fen. Wenn der Sensor sau­ber ist, war es das schon.

  6. Jede Fotografie soll­te ja eine Geschichte erzäh­len oder eine Idee dar­stel­len, die auf dem Markt ange­bo­ten wird. Es kommt also ganz auf die Idee an, die man umset­zen möch­te. Ich habe Bilder die sind bis zum „geht nicht mehr“ bear­bei­tet und ande­re so gut wie gar nicht.
    man­che Ideen las­sen sich halt mit der Kamera umset­zen, wäh­rend ande­re auf PS Techniken beruhen.
    Es gibt eigent­lich kei­ne Regel aus­ser, dass man redak­tio­nel­le Bilder nicht verändert.

  7. Kann man glau­be ich nicht ganz all­ge­mein sagen: Ich den­ke – je näher die Agentur an Makro ist, des­to ölf­ter wird die Bearbeitung von der Werbeagentur, dem Grafiker etc. vor­ge­nom­men. Je mehr die Agentur in Richtung Micro geht, des­to „fer­ti­ger“ sol­len die Bilder sein. 

    Wie „Fotogestoeber“ schon geschrie­ben hat: Zum Einen haben vie­le Käufer von Microbildern kei­ne Ahnung von Bildbearbeitung, zum Anderen kauft ein Grafiker/​Agentur nicht ein bil­li­ges Bild ein, um dann viel Zeit/​Geld in die Bearbeitung zu investieren.

  8. @reka:
    Bildbearbeitung im CMYK-​modus? Für Agenturbilder? Und ich dach­te, in der heu­ti­gen Zeit hat jeder Bildbearbeiter den medi­en­neu­tra­len Workflow verstanden…

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