In letzter Zeit habe ich verstärkt Zuschriften für meine „Pimp My Stock!“-Serie bekommen. Deshalb will ich wieder eine Zusendung besprechen, um den Rückstand etwas aufzuholen.
Der junge Philipp schrieb mir vor einer Weile:
„Sehr geehrter Herr Kneschke,
vor einigen Tagen wurde ich durch ein Forum auf Ihre Website aufmerksam. Besonders gefallen hat mir die Reihe „Pimp my Stock“, da ich auch schon mit diesem Gedanken gespielt habe.
Ich bin 16 Jahre alt und fotografiere seit etwa 2 Jahren intensiver. Meine Ausrüstung besteht momentan aus einer Olympus E‑510, sowie verschiedenen Objektiven. Am häufigsten benutze ich das Zuiko 14–42mm und das Zuiko 70–300mm.
Ich habe mir schon ein paar mal Gedanken über Stock-Agenturen gemacht und würde jetzt gerne die Möglichkeit nutzen eine Einschätzung der Bilder zu bekommen.
Viele Grüße, Philipp“
Schauen wir uns mal seine eingesandten Bilder an:
Ein roter Strandkorb vor der Nordsee. Prinzipiell ein gutes Bild und besonders gefällt mir die Silhouette mit den Kränen und Türmen im Hintergrund. Jetzt kommen die ganzen Aber: Der rote Strandkorb ist ein guter und wichtiger Blickfang, aber er hätte am rechten Bildrand platziert werden müssen, damit die Blickrichtung der imaginären Leute im Korb ins Bild rein statt raus geht. Für viele Werbezwecke ist das Wasser wahrscheinlich auch nicht blau genug. Außerdem kommt dazu, dass Firmen, welche mit Strandurlaub werben wollen, nun ja, auch den Sandstrand im Bild haben wollen. Gras bis direkt ans Wasser ist eher selten in Reiseprospekten zu sehen.
Von mir ein klares Nein. Das ist kein gutes Stockfoto. Hauptsächlich deshalb, weil die Schatten zu hart und unschön sind, aber auch wegen des zu dunklen Hintergrunds (der ja eigentlich weiß sein sollte). Zwei andere Punkte sind die lieblose Kombination und die eher unappetitliche Auswahl von Toastscheibe und Marmelade. Da hilft auch der Trick mit dem schwebenden Messer und Zucker nicht mehr.
Das nächste Foto zeigt – vermutlich – Bahnschienen auf einer Baustelle. „Vermutlich“ deshalb, weil sie nicht genau zu erkennen sind. Vom Motiv sind Baustellenbilder gut verkäufliche Stockfotos, aber wenn man das nur erahnen, aber nicht erkennen kann, bringt das nichts. Abhilfe hätte ein etwas erhöhter Standpunkt gebracht, der die Schienen mehr in der Draufsicht gezeigt hätte oder – noch besser – ein älteres männliches Model mit Schutzhelm und Warnweste vor den Schienen, welches mit Schaufel oder Bauzeichnung posiert.
Hier bei den Peperoni an einer Wäscheleine ist das Foto zwar (fast) richtig freigestellt, aber es ist deutlich sichtbar, dass bei der Aufnahme oder dem Freistellen nicht sauber gearbeitet wurde. Das ist vor allem in der Nahaufnahme an der Wäscheleine zu erkennen. Durch das frontale Blitzen wirkt das Bild auch flach und konturlos.
Eine Treppe in Seitenansicht. Wird sich nur schwer verkaufen. Wenn die Treppe aus Stahl oder Glas gewesen wäre mit einem sauberen Betonhintergrund, wäre es vielleicht eine nützliche Symbolaufnahme für Business-Themen gewesen, aber eine dreckige bemooste Treppe eignet sich dafür nicht.
Eine Pusteblume, bei der die einzelnen Samen in den blauen Himmel entschweben, ist ein gutes Thema in der Stockfotografie. Verbesserungswürdig ist hier jedoch wieder die Umsetzung. Sinnvoll wäre bei dieser Gegenlichtaufnahme gewesen, manuell unterzubelichten, um den Himmel noch blauer zu bekommen und das Ausfressen der weißen Wolken oben rechts zu verhindern und zusätzlich von vorne zu blitzen, um die Pusteblume besser auszuleuchten.
Glasmurmeln in einem Glas. Diese Art von Trickaufnahmen gibt es häufiger, zum Beispiel mit Rotwein oder anderen Getränken, aber mit Murmeln im Glas mag mir kaum eine Verwendungsmöglichkeit einfallen. Deshalb als Stockfoto ungeeignet.
Ein Tropfen fällt in blaues Wasser. Das Motiv gehört sogar zu den besser verkäuflichen Stockfoto-Genres. Eine weitere Bedingung, das blaue Wasser, ist auch erfüllt, weshalb sich mit diesem Foto sicher paar Verkäufe erzielen lassen. Die Konkurrenz ist jedoch sehr groß von echten Tropfen-Spezialisten wie Daniel Nimmervoll.
Drei leere braune Apothekerflaschen. Mit der richtigen Verschlagwortung ist das Bild ein geeignetes Stockfoto. Verbessert werden könnte noch die Ausrichtung, da die Flaschen durch die leichte Draufsicht oben größer als unten sind. Das kann in Photoshop jedoch leicht korrigiert werden, wenn das Bild minimal nach hinten gekippt wird. Auch die Freistellung ist (siehe unten an den Glasrändern) verbesserungswürdig.
Wer wissen will, ob seine Bilder ebenfalls gut verkäuflich wären oder nicht, kann seine Fotos für eine ehrliche, offene Einschätzung an mich schicken. Details für eine Teilnahme findet ihr hier.
Was sagt ihr zu meiner Einschätzung? Was seht ihr anders?
Hallo,
wie ich finde eine gute und treffende Kritik von Robert.
Zu dem Foto mit dem Wassertropfen kann ich dir noch den Tipp geben, das du die Position der Kamera etwas tiefer wählst.
Ich habe solch ein Foto auf Fotolia: http://de.fotolia.com/id/31654621
Schöne Grüße
Daniel
Bei Foto 1 hast Du nicht so genau hingeschaut, das Gras geht nicht bis zum Wasser, da ist eine Teerstraße zwischen. Die zugegebenermaßen von der Farbe wie das Wasser aussieht.
@Sam: Du hast recht, da scheint noch eine Teerstraße zu sein. Ist aber leider dem Urlaubsfeeling ebenfalls nicht zuträglich…
Hallo Robert, ich finde deine Einschätzungen immer sehr präzise und korrekt. Es sind aber schon deutliche Negativbeispiele, die du immer postest. Mehr eine „Bildbesprechung von Fotos die gerne Stockfotos wären“. Grüße aus Aachen.
@David: Die Bildqualität hängt ja von den Einsendern ab, da filter ich fast nichts.
Naja wer sollte auch stocktauglichere Bilder hier posten… wenn ich „angekommen“ bin und regelmäßige Verkäufe habe brauch ich keine Besprechung davon, da weiß ich wie der Hase läuft und meine Verkaufszahlen sind Feedback genug.
ich finde Philips Fotos – für sein Alter und damit seine Fotoerfahrung – aber sehr gut. Er hat sich offensichtlich Gedanken gemacht, verschiedenes probiert und einige Ideen versucht nachzuahmen. Fotografie ist nun mal die Kunst des „Nicht offensichtlichen“. Wenn ein Foto gut ist (und auch verkäuflich) spielen viele Dinge hinein, die man nicht „sieht“. Gutes Licht „sieht man nicht“, während ein direkter Blitz auffällt. All das sind technische Sachen, die nun noch fehlen. Die ersten Gedanken sind da, nun geht es ums Verfeinern. Viel Glück und dranbleiben, Philip 🙂
Für einen 16-jährigen sind die Fotos gut. Wenn er dabei bleibt, wird er in ein paar Jahren bestimmt tolle Motive erstellen. Als ich 16 war, habe ich weder diese Möglichkeiten noch solche Bewertungs- und Hinweisportale gehabt – meine Eltern hatten einfach kein Interesse an Fotografie.
Von der Bewertung sehe ich das wie Robert.
Löblich sind die vielen unterschiedlichen Motive und der Experimentiergeist.
Bei der Treppe und bei den Flaschen hätte ich jeweils andere Blickwinkel gewählt. Die Treppen so, dass frontal auf mittleren beiden Seiten gerichtet ist, dann wird links die Unterseite und rechts die Oberseite der Treppen sichtbar.
Bild 2 ist insofern interessant, weil es verschiedene Grundelemente (Kreis Linie usw.) gibt. Damit könnte man mit verschiedenem Bildaufbau experimentieren, auch wenn das Material nicht so ansehnlich ist.