In den letzten Wochen wurden einige lange wabernde Gerüchte bestätigt: Mehrere Bildagenturen bekamen neues Geld bzw. planen einen Börsengang oder Verkauf, der ebenfalls Geld in die Kassen spülen würde.
Aber der Reihe nach, erst die Fakten: Fotolia meldete, dass die Investitionskapitalfirma KKR 150 Millionen US-Dollar für 50% der Anteile an der Bildagentur in die Firma steckt. Zum Vergleich: Getty Images kaufte im Februar 2006 iStockphoto für 50 Millionen US-Dollar.
Shutterstock meldete im Mai 2012, dass sie einen Börsengang planen, in diesem Fall, um mindestens 115 Millionen US-Dollar Investitionskapitel einzusammeln.
Die Kapitalbeteiligungsgesellschaft Hellmann & Friedman, die 2008 Getty Images für 2,4 Millarden US-Dollar von der Börse genommen hat, überlegt jetzt ebenfalls, ob sie die Bildagentur wieder an die Börse bringen will oder sie gleich ganz verkauft.
Was wollen die Agenturen mit so viel Geld?
Als erstes ist auffällig, dass diese Meldungen so gut wie alle Stockfotografen betreffen, da sowohl Getty Images im Macrostockbereich als auch Shutterstock, Fotolia und iStockphoto im Microstockbereich diejenigen Bildagenturen sind, die am meisten Umsätze für die Fotografen erwirtschaften. Das bedeutet auch, dass es die Agenturen sind, die im Bildermarkt am stärksten aufgestellt sind. Hier im Blog wurde – vor allem von einem Leser – ja behauptet, die Agenturen müssten ja fast auf dem Zahnfleisch gehen, wenn sie so händeringend Kapital brauchen, aber das halte ich für Quatsch. Auch in anderen Branchen ist es durchaus üblich, dass Firmen, die solide arbeiten und Gewinn erwirtschaften, Kredite aufnehmen oder andere Finanzspritzen akzeptieren, um größere Investitionen tätigen zu können, die mit dem normalen Gewinn nicht möglich wären, andererseits aber die Chancen erhöhen, weiterhin zur Spitze der Branche zu gehören.
Ähnliches wird den drei Bildagenturen durch den Kopf gegangen sein: Der Bildermarkt ist sehr hart umkämpft und trotz aller Schwierigkeiten tauchen beständig neue Bildagenturen aus dem Nichts auf, die versuchen, den Playern ein Stück vom Kuchen wegzuschnappen, der jedoch kaum größer wird.
Deswegen ist es an sich eine kluge Entscheidung, eine größere Summe Geld in die Hand zu nehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das kann zum Beispiel entweder dadurch geschehen, indem die Bildagenturen kleinere konkurrierende Bildagenturen einfach schlucken und damit den Konkurrenzdruck wieder etwas mildern. Das haben ja sowohl iStockphoto schon bei StockXpert gemacht und Shutterstock bei Bigstock. 123Rf, Canstock oder Depositphotos wären aus meiner Sicht potentielle Kandidaten für eine Übernahme.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Geschäftsbereiche breiter zu fächern, um unabhängiger von den Schwankungen auf dem Bildermarkt zu sein. Fotolia tat sich in der Vergangenheit zum Beispiel durch Aufkäufe in ergänzenden Geschäftsbereichen wie kürzlich der Logo-Plattform Wilogo und der Video-Seite Flixtime hervor. Auch fehlen Fotolia und Shutterstock umfangreiche Audio-Angebote, wie sie iStockphoto anbietet (auch wenn Fotolia schon etwas in AudioMicro investiert hat), Fotolia hinkt im Video-Bereich eher Shutterstock und iStockphoto hinterher und könnte vielleicht eine Video-Agentur schlucken, um in diesem Bereich zu erstarken. Alle drei Bildagenturen bieten zur Zeit noch keine After-Effects- oder andere Templates an. Wer jetzt denkt: „Was sollen Bildagenturen mit solchem Kram?“ verkennt, dass die meisten Agenturen sich nicht primär als Fotolieferanten sehen, sondern als Technologiefirmen, mit deren Technologie alles verkauft werden könnte. Paul Melcher hat dazu einen lesenswerten Kommentar verfasst.
Auch sind Investitionen in gänzlich neue Funktionen auf der Webseite oder drumherum denkbar. Hier haben sich Fotolia z.B. mit Plugins für Adobe-Produkte oder Microsoft-Office und Kooperationen mit DeviantArt und Associated Press hervorgetan und Shutterstock mit vielen spannenden Tools wie der neuen iPad-App oder besseren Analyse-Werkzeugen, wobei all diese Dinge sicher keine dreistelligen Millionenbeträge kosten würden.
Die spannende Frage ist: Was für Auswirkungen hat das für die Fotografen?
Stärkung der Bildagentur durch weitere Geschäftsbereiche, Gewinnung von Neukunden, Eliminierung von nervenden Konkurrenzagenturen, all diese Dinge müssten in den Ohren von Fotografen positiv klingen. Das was haben wir wirklich davon?
Die Firmen, welche viel Geld in die Bildagenturen stecken, tun das ja nicht aus altruistischen Gründen, sondern wollen einen Gewinn sehen. Vor Jahren kursierte in Deutschland ja die Debatte über die sogenannten „Heuschrecken“, welche gesunde Firmen auf diese Weise aussaugen würden und – mit ihrem Gewinn in der Tasche – die gebeutelten Firmen marodierend am Boden liegen lassen. So dramatisch würde ich die Lage nicht sehen.
Trotzdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen vermehrt von Finanzcontrollern getroffen werden, denen das Wohl der Bildlieferanten und selbst der Bildkäufer herzlich egal ist, solange sie mittelfristig eine satte Rendite auf ihr eingesetztes Kapital erhalten. Für alle Beteiligten gut wäre der Weg, die Firmen mit dem zusätzlichen Geld organisch wachsen und erstarken zu lassen und damit so viele Zusatzeinnahmen zu generieren, dass einerseits genug Profit für die Investoren übrig bleibt und durch die gestiegenen Verkäufe auf die Kontributoren etwas davon haben. Das Horrorszenario wäre, dass die Investoren bei gleichbleibenden Einnahmen die Geldverteilung – wie schon so oft geschehen – zu ungunsten der Fotografen ändern, um davon ihren Gewinn abzuschöpfen. Ob die Fotografen dann mittelfristig davon noch leben können, interessiert die Investitionskapitalgesellschaften ja nicht, denn deren Engagement ist nach der Überweisung der Rendite meist beendet.
Spannend ist, dass Ähnliches gerade bei Hellmann & Friedmann zu beobachten ist. 2008 wurde Getty Images aufgekauft. Üblich sind Investitionszeitspannen von fünf Jahren, also wird jetzt, 2012 über einen Verkauf oder Börsengang nachgedacht, der dann 2013 so viel Geld in die Kasse bringen könnte, dass sich die Anfangsinvestition für die Firma auf jeden Fall gelohnt hat. Die sehr drastische Honorarkürzung für die iStock-Fotografen kann ebenfalls in diesem Zusammenhang gesehen werden, ebenso wie die Kündigung von 30 iStock-Mitarbeitern im Januar.
Was meint ihr? Wohin geht die Reise?
Also was ich immer nicht verstehe ist, wieso gehen die Unternehmen an die Börse?
Ich mein die meisten machen doch schon satte Gewinne. Irgendwie habe ich immer
den Eindruck wenn die an die Börse gehen, geht oft alles nur den Bach runter.
Dann wird geklagt das es nicht der richtige Zeitpunkt war und was weiß ich, letzt
geschehen bei Facebook.
Ich versteh natürlich den Nutzen eines Börsengangs aber sehe wie hier beschrieben
eben auch die Risiken die dann der kleine Fotograf zahlen muss.
Gruß
Vincent
In der Überschrift steht „Kapitel“, ich vermute aber, dass es „Kapital“ heissen soll.
@Jess: Du hast recht, werde ich ändern…
Moinsen,
frisches Kapital zu holen ist ja nichts besonderes in der Wirtschaftswelt. Allerdings frage ich mich auch, was mit dem frischen Kapital passieren soll.
Schauen wir uns mal Shutterstock an. Die haben lt. einem Interview in 2007 10 Mio $ Umsatz bei 2 Mio Bildern gemacht. Da ich nicht genau die Preisentwicklung verfolgt habe (bin erst seit ~9 Monaten im Microstock-Business), skaliere ich das mal der Einfachheit halber hoch: Heute 20 Mio Bilder, also 100 Mio $ Umsatz. Ein Blick auf die Leadership-Seite von Shutterstock zeigt 18 Führungskräfte, die meisten Leben wohl in der Basis in NYC, die wollen gut bezahlt sein.
Ich kann über die Anzahl der Mitarbeiter nur mutmaßen, aber für Webdesigner, Content-Manager und Hoster der Bilddatenbank kommt sicherlich einiges zusammen. Dazu auch die Kosten für die Rechnerfarmen, die unterhalten werden müssen. Wenn 30% der Umsätze dann an die Bildlieferanten gehen, bleiben von den 100 Mio $ Umsatz nicht mehr viel übrig, um kleinere Unternehmen dazuzukaufen oder die Rechnerfarmen zu vergrößern.
Persönlich denke ich nicht, dass die Preise für Microstock weiter in den Keller gehen, hier ist ein Limit erreicht. Mehr Profit zu generieren geht deshalb nicht nur über die Portfoliogröße – sondern auch über Zukäufe, strategische Partnerschaften und Diversifikation (+Audiodateien etc.). Um sich die neuen Geschäftsbereiche zu sichern, benötigen die Agenturen Geld.
Was das für die Fotographen bedeutet? Eventuell recht wenig. Auch wenn der Markt weiterhin wächst, geht es doch inzwischen auch um eine Umverteilung der Marktanteile der großen Agenturen. Wer Bilder in allen großen Agenturen hat, wird nicht viel merken.
eccolo
Ich glaube jetzt nicht, dass der Umsatz linear mit den Bildern anwächst. Es müssten ja zusätzliche Kunden für die zusätzlichen Bilder gewonnen werden.
So von 2004 bis 2010 war ein Boom bei Microstock. Da die Vermarktung der Bilder über das Internet erst so richtig um 2000 begonnen hat. Da war fast so was wie ein Vakuum. Die Makros haben zuerst viel zu teuer angeboten und keine günstigen Kollektionen gehabt. So hat Microstock am Anfang viele neue Kunden gewonnen, da Webnutzung auch erst in den Anfängen war und Makro keine Konkurrenz war. Mittlerweile ist es wohl schwerer neue Kunden zu finden, oder noch Makrostockkunden in größerer Anzahl abzuwerben.
Die Mircos sitzen jetzt ein wenig in der Kostenfalle. Um den Umsatz zu steigern müssen die Preise von Jahr zu Jahr erhöht werden. Wobei aber wieder Kunden abspringen. Die Mircos haben jetzt im Verhältnis keinen so hohen Personalaufwand wie Makros. Aber die Bandbreite der Micros steigt von Jahr zu Jahr rasant. Einfach aus dem Grund, dass die Auflösung der Kameras immer höher werden. Zudem steigen immer mehr Amateure ein. Speicherplatz ist zwar günstig, aber um die vielen Daten zu handeln braucht man massenweise Server. Im Prinzip steigen bei den Mircos die Kosten etwas steiler als die Umsätze. Das läuft am Ende auf einen Verdrängungswettbewerb hinaus. Man muss investieren um effizienter zu werden. Fast jährlich muss man die Priese erhöhen um die abflachenden Anzahl an Neukunden aufzufangen aber auch die Honorare kürzen um die Gewinne nicht einbrechen zu lassen.
Ich sehe das wie Robert: wenn die Shop-Technik für upload- und downloadbare Medien hat, sind Fotos erst einmal nur ein Medium – von vielen. Mittlerweile wird fast alles irgendwo vercrowdsourced, eben auch kommerziell und das ist aus meiner Sicht „Stock“. Logos, Texte, Kampagnen(!), Projekte, einzig die Ergebnisse liegen nicht immer so fertig auf Halde vor wie bei Fotos. Oft ist es auch Halbfertigware wie bei After Effects-Projekten oder Visitenkarten-Files, wo man noch eigene Angaben einsetzt.
Welcher Wumms dahinter ist, zeigen Apple, Google etc. mit dem AppStore – am Ende doch auch eine verwandte Sache. Zur Erinnerung: Apple war 20 Jahre immer kurz vor dem Versterben mit dem Marktanteil von 1% – 4%, trotz eigenem Betriebssystems und großer Anwendungslandschaft. 1998 hat Bill Gates Apple mit einem Zuschuss retten müssen (ja, auch aus Eigeninteresse, damit man damals überhaupt Konkurrenz vorzeigen konnte, als es um die Monopolvorwürfe ging). Erst die Smartphones mit dem AppStore haben den Laden nach all der Zeit über die Wertschöpfung von Microsoft hinaus gebracht (von den Anfangsjahren in den 80ern mal abgesehen).
Und um eben auch komplexere Anwendungen zu verkaufen oder sogar ganze Applikationen zu vermieten (Adobe und Microsoft zeigen da erste Sachen) muss man schon mehr investieren. Da ist es mit einem Fileformat mehr („jetzt auch Tiffs“ oder so) nicht mehr getan. An so etwas würde ich als solcher Technikladen sicher auch denken.
… und für uns: ich gehe davon aus, dass iStock etwa schon merkt, dass viele Leute nicht mehr liefern. Also: das bekannt ist, dass man sein Geschäft auch erwürgen kann, wenn man zuviel rauspresst. Das mag Investoren vielleicht nicht abhalten. Unrentable Bereiche (wird sowas dann schon mal) stößt dann so ein Wirtschaftler auch mal ab. Aus meiner Sicht ok.
Ist jetzt kein Stock – aber war es bei Schlecker nicht ähnlich?
Thema Heuschrecken-Mentalität:
das ist ja nicht nur auf dem Bilder-Markt so, sondern auch bei Verlagen. Da ist es Usus, dass große Verlagshäuser oder Zeitungsverlage kleineren „Fischen“ immer mal wieder ein Übernahmeangebot machen – die klassische Raubfisch-Mentalität sozusagen. Wie so vieles im Leben ist hier auch wieder einiges ambivalent.
Klar ist es auch für die großen Bildagenturen eine Bedrohung, wenn dauernd neue kleine Agenturen auf den Markt treten. Andererseits treten ja auch immer neue Fotografen auf dem Markt auf. Und die versuchen sich ja auch alle gegenseitig zu übertrumpfen. Und obwohl die Masse an Bildern mittlerweile unglaublich ist, kommen immer wieder neue Bilder hinzu. Und im Moment habe ich das Gefühl, dass die Agenturen momentan weniger Bilder ablehnen und sich sagen, „Hauptsache, wir haben unseren Bilderpool weiter auffüllen können als dass jemand das Bild bei der potenziellen Konkurrenz anbietet“.
auf der einen Seiten heißt es ja immer „konkurrenz belebt das Geschäft“. Ich finde es daher schade, wenn Nischengeschäfte oder Nischenmedien von großen geschluckt werden. Aber hier bin ich selber von der Ambivalenz betroffen. Ich habe natürlich auch keine Lust, dass die Bilder, die ich bei der Bildagentur A verschlagwortet habe, auf einmal verschwunden sind, weil die Bildagentur aufgekauft wurde. Es wäre ja vermutlich nicht so, dass alle Bilder von der Aufkäufer-Bildagentur automatisch übernommen werden. Und dann geht die mühsame Verschlagwortung für den Fotografen wieder in eine neue Runde. Insgesamt denke ich, dass bei Fotografen ähnlich wie bei den Journalisten ist. Die Honorare für Journalisten steigen ja meistens nicht, wenn der Verlag mehr Gewinn macht – die Honorare bleiben ja meistens leider gleich 😉
Gruß randy
Aufkaufen macht nur Sinn, wenn man eine andere Sparte dazu nimmt. Ich arbeite selbst für einen Konzern (nichts mir Stock), wo wir dauernd andere schlucken. Da geht es aber meist um speziele Sparten, oder im kleinen um lästige Händler.
Bei Microstock macht Aufkaufen nur Sinn, um Sparten dazu zunehmen. Wenn istock ein Abomodell dazukauft macht es Sinn, ähnlich bei Shutterstock um ein zweites Standbein, neben Abo zu haben.
@Vincent
Warum an die Börse gehen: Investoren (Fonds, …) stecken Geld in eine Firma und möchten es dann mit Gewinn wieder zurück haben. Es wird viel Jubel in den Medien erzeugt, der virtuelle Firmenwert (Marke, User, …) in die höhe geschätzt (reale Werte gibt es dank Leasing keine).
Durch den Börsengang wird die überbewertete Firma an begeisterte Aktionäre verteilt. Der sinkende Aktienwert trifft dann nicht mehr einen Investor sondern wird auf viele Aktionäre verteilt, die sich ärgern, aber nicht bankrott gehen…
@ Max
Was du über die Börse schreibst mag zwar für völlig überbewertete Aktien gelten, die in den Medien gehypt werden. Da werden Dumme gesucht, siehe D‑Telekom, Facebook.
Die ausgegeben Aktien von Facebook hatten den Wert von 10 Jahresumsätzen. (Hallo)
Wenn ich die Bilanz von Shutter beim überfliegen richtig gelesen habe, haben die Aktien die ausgeben werden den Wert von ca. einem Jahresumsatz. (Habe es aber noch nicht verifiziert) Das ist fair und ein guter Deal für alle Seiten.
Das Problem ist, was soll mit dem Geld geschehen und wie entwickelt sich der Bilder und Footage Markt und ob Shutter neue und sinnvolle Ideen vorantreibt.
Im Übrigen, ein Investor investiert nicht nachdem was die Bildzeitung schreibt, sondern anhand von nüchternen Zahlen und Konzepten der Geschäftsleitung für die Zukunft. Wenn man die Brache kennt umso besser, so kann man sehen ob die Ideen sinnvoll sind oder nicht.