Vorgestern hat die Bildagentur Shutterstock eine neue Lizenz eingeführt, die sogenannte „sensitive use“ Lizenz. Die vollständigen Details zur Einführung stehen in einer FAQ auf der Shutterstock-Seite.
Diese erlaubt es Bildkäufern, Fotos zur Bebilderung „heikler“ Themen zu benutzen, wie Wahlwerbung, medizinische Werbung oder zu Themen wie Armut, Drogenmissbrauch, Diskriminierung, Rassismus und so weiter. Shutterstock behauptet zwar, dass einige „direkte Konkurrenzen“ solche sensiblen Nutzungen schon erlauben würden, aber in dieser Übersicht zu verbotenen Nutzungen wird deutlich, dass viele andere Bildagenturen genau wie bisher Shutterstock diese heiklen Nutzungen eher verbieten.

Wenn Bilder mit einer „sensitive use“ Lizenz benutzt werden, dürfen sie laut Shutterstock trotzdem nichtfür Tabakwerbung genutzt werden, in pornografischen Materialien oder zur Bewerbung von „Erwachsenenclubs“ (umgangssprachlich auch Bordelle und Strip-Clubs genannt) oder für Escort-Seiten, Dating-Seiten und ähnliche Dienste. Außerdem müssen die Bildkäufer im Rahmen der „sensitive use“ Lizenz darauf hinweisen, dass das Bild nur ein Model darstellt und zur Illustration dient. In Zeitschriften steht dann manchmal unter Bildern z. B. „Szenen mit Models nachgestellt“.
Wenn Tabakwerbung, Pornografie und Dating-Werbung weiterhin untersagt ist, was wäre dann mit dieser neuen Lizenz erlaubt, was bisher nicht erlaubt ist?
Die beiden wichtigsten Themen wären sicher politische Werbung und medizinische Werbung.
Hier mal einige Beispiele, was darunter fallen könnte:
- Foto wird von einer Partei zur Wahlwerbung benutzt.
- Foto wird zur Werbung für Herpes-Medikament benutzt.
- Bild wird auf einer Kondom-Packung abgedruckt.
- Foto stellt die Models als Drogennutzer dar.
- Bild suggiert, dass das Model eine Geschlechtskrankheit habe.
- Bild deutet an, dass die gezeigte Person an Krebs, Blasenschwäche oder einer psychischen Erkrankung leidet.
- Foto wird von einer Bürgerinitiative gegen einen Moscheebau in Deutschland genutzt.
- Bild suggiert, dass das Model seit Jahren Schlankheitspillen der Marke XY benutzt.
- Foto wird als Werbung für Brustvergrößerungen gezeigt.
Als Honorar für eine solche Nutzung soll „bis zu“ 75 US-Dollar gezahlt werden. Die Untergrenze wurde von Shutterstock leider nicht genannt.
Standardmäßig ist die neue Lizenz für alle Fotografen automatisch aktiv. Fairerweise bietet Shutterstock an, dass Fotografen diese Funktion manuell deaktivieren können. Dazu muss auf dieser Einstellungsseite bei „Allow my images to be licensed for sensitive uses“ auf „Opt-Out“ geklickt werden. Wer bis zum 1. März 2012 die Einstellung nicht ändert, der gibt seine Bilder automatisch für die neue Nutzung frei, eine spätere Änderung ist aber noch möglich.
Die spannende Frage für Fotografen ist nun:
Sollte ich „sensitive use“ Lizenzen erlauben oder nicht?
In Kurzform mein Tipp: Nein.
Warum? Zum einen ist es etwas unpraktisch, dass Fotografen nur wählen können, ob das komplette Portfolio freigegeben wird oder nicht. Viele Fotografen hätten keine Probleme damit, einzelne Bilder freizugeben. Zum Beispiel würde ich problemlos Stillleben oder Nahaufnahmen von Händen freigeben. Aber wenn wir realistisch sind, wollen die meisten Bildkäufer für diese heiklen Themen eben Personenfotos.
Ich spreche hier aus Erfahrung. Zum einen wurde erst kürzlich eins meiner Shutterstock-Fotos unerlaubt für Wahlkampfwerbung benutzt, zum anderen fragen ab und zu Bildagenturen bei mir an, ob ein Bildkäufer ein bestimmtes Foto für sensible Themen nutzen darf, zum Beispiel dass ein Model als Krebs-Patient dargestellt wird oder dass es eine bestimmte Schlankheitskur erfolgreich ausprobiert habe. Ich frage dann meine Models, ob sie mit der konkreten Nutzung einverstanden sind. Mal sind sie es, manchmal aber auch nicht. Neulich sprach ich mit einem bekannten Stockfotografen, der einige Fotos von einem erkennbaren Modell hinter Gittern gemacht hatte. Er erzählte, dass er viele unangenehme Bildnutzungen mit dem Foto gesehen habe und er das Foto deshalb heute nicht noch mal machen würde.
Deshalb rate ich vor allem Fotografen, die viele Personenaufnahmen machen, diese Funktion zu deaktivieren, ganz besonders, wenn sie Fotos von Minderjährigen im Portfolio haben. Denn selbst wenn der Fotograf einer heiklen Nutzung zustimmen sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass das Model damit einverstanden wäre. Das könnte dazu führen, dass Models nicht mehr mit dem Fotografen arbeiten oder im schlimmsten Fall eine Klage nach sich ziehen.
Während viele „heikle“ Themen sicher für alle Seiten unproblematisch wären, zeigt die aktuelle Werbekampagne von methproject.org, wie schnell Werbung unangenehm für die abgebildeten Models sein kann. Stellt euch als Fotograf nur mal vor, die gezeigten Bilder mit Titeln „Junkie“, „Prostitute“ oder „Death“ wären von euch. Was würden eure Models davon halten?
Dass diese heiklen Themen jedoch bei Bildkäufern gefragt sind, zeigt der aktuelle Aufruf von Alamy, der Fotografen auffordert, mehr Bilder zu kritischen Themen Vergewaltigung, Arbeitslosigkeit, Komasaufen oder Obdachlosigkeit zu machen. Deshalb kann es für Fotografen schon lukrativ sein, passende Motive zu erstellen. Aber zum einen sollte der Fotograf dann darauf achten, dass die Models auf den Bildern nicht erkannt werden können und zum anderen sollte er sich die Nutzung gut bezahlen lassen.
Shutterstocks Vorpreschen zeigt nur, dass auch die Bildkäufer, die bisher gewohnt waren, für heikle Fotos deutlich mehr Geld auszugeben, immer häufiger versuchen, auch hier die Preise zu drücken.
Fürchterlicher Gedanke! Ich würde so einer Nutzung nie zustimmen. Schon schlimm genug, dass sich viele Bildkäufer nicht an die vereinbarten Regelungen halten. Den Schaden muss man sich dann meist noch schwer erstreiten.
Andererseits versteh ich aber auch den Bedarf an solchen Bildern. Hier aber den Fotografen mit 75 Dollar abzuspeisen ist zuwenig. Zumal zu allererst das Model im Vordergrung steht, und der Fotograf entsprechend schon beim Shooting Ausgleich leisten muss …
Ich könnte mir durchaus vorstellen, Projekte speziell für eine solche Verwendung zu entwerfen. Wäre mal was anderes als die auf Hochglanz polierten Stockshootings. Dass der Markt dafür da ist, ist keine Frage. Und viele der Anwendungen – wie beispielsweise das oben gezeigte Aufklärungsplakat – kann ich auch ohne weiteres unterstützen. Allerdings durchaus nicht alle: Politische oder Religiöse „Werbung“ möchte ich mit meinen Bildern nicht sehen.
Aber eine generelle Freigabe fürs ganze Portfolio geht überhaupt nicht. Das deckt mein Modelrelease gar nicht ab. Opt In per Image – und ich bin dabei. Aber so nicht.
Die 75 USD die Shutterstock da anspricht, sind doch garantiert der Verkaufspreis, oder? So hatte ich das zumindest verstanden. Bei den aktuellen Lizenzen pro Bild glaube ich nicht, dass das die Einnahmen für den Fotografen sind. Und wenn das der Verkaufspreis ist, dann bleiben vermutlich je nach Status plusminus 20–25 USD beim Fotografen hängen. Dafür setze ich meine Models dem möglichen Schaden sicherlich nicht aus…
@Carsten: Hm, auf der oben im Artikel verlinkten Shutterstock-FAQ-Seite steht „You will be paid up to $75 per royalty for content that is downloaded under licenses that allow a sensitive use“. Das würde ich so übersetzen, dass „bis zu 75 Dollar“ als Honorar gezahlt werden.
Geht garnicht. Deaktiviert. Danke für die Aufklärung!
Ok, dann habe ich wohl zu schnell gelesen und im Rahmen der „üblichen“ Bezahlung falsch interpretiert. Dennoch wäre es mir den Stress nicht wert. Von den meisten meiner Models weiss ich, dass sie einer solchen Verwendung eher skeptisch gegenüber stehen oder sie ablehnen würden, auch wenn das nicht explizit im MR ausgeschlossen ist.
wenn der Bedarf besteht, warum nicht?!
In der Tat gibt es den Bedarf , aber in der Regel werden solche Fotos von Werbeagenturen in Auftrag gegeben . Es werden hohe Summen in einem solchen Kontext bezahlt , daher Finger weg . Sorry 75 Dollar sind gerade mal um die 60 Euro , dafür ist es nicht wert .
Es gab den Fall das ein afroamerik Mädel in Verbindung mit HIV Positiv aus dem Stock gekauft worden ist , danach gab es einen Schadensersatz in Millionen Höhe ( Amerika halt ) .
Geht von euch aus , denke jeder einzelne von euch würde sich auch nicht in einem solchen Kontext sehen wollen . Und bei einem Werbeplakat wird niemals darauf verwiesen das das Motiv gestellt worden ist und die Personen nicht den Personen auf dem Bild entsprechen .
Bei den grossen Agenturen würde man in diesem Fall erstmal ein Anfrage bekommen ob man dafür eine Freigabe bekommen würde zudem müsste dann das Model nochmals kontaktieren und es müsste nochmals eine pers. Freigabe erfolgen . Dann wären alle safe . Schonmal jemand was bei getty gesehen von wegen Kundenschutz , darum geht es . Der Kunde ist safe der 100000 Plakate drucken lässt , die Agentur, ihr und das Model .
Also, das es tatsächlich Leute gibt, die so etwas für diese Geld machen würden, ist wahrscheinlich dem langsamen Zerbröckeln unseres sozialen Gefüges in diesem Land zu schulden. Die politische Brisanz dahinter mal außen vor gelassen, möchte ich z.B. nicht mit meinen dann getürkten Bildern (ein richtiger Obdachloser ist dann wohl nur zu bestechen, damit er sich für so etwas hergibt) einer Gentrifizierungs-Kampagne dienen. Und was hier in unserem Land schon Heute mit Propagande erreicht werden kann, werden wir alle in den nächsten Jahren bitter zu spüren bekommen. Wir liefern dann die Bilder für die Wahlkampagnen und Meinungsmachen.
Wenn man das mit seinen Modells vereinbaren kann ist das finde ich eine gute Neuerung. Jedoch sollte man es vielleicht für Neulinge erst einmal deaktivieren bis die Wissen was damit gemeint ist.
Ich habe gerade eine Anfrage von Shutterstock bekommen für ein Bild „interior“. Die nette Dame fragt ob ich ein Bild das Sie für 250 USD verkaufen, für sensitive use freigeben möchte. Dafür sollte ich bitte meine gesamtes Portfolio auf Sensitive Use setzen.
Meine Frage wie viel gewinn ist für für einzuplanen, kam eine Antwort:“ … They will license the image for $250 USD so you will get your normal …“ percentage payout from that.
Die sind lustig:-)
Aber vielleicht gibt doch eine Möglichkeit einzelne Bilder als Sensitive use frei zu schalten, … ich kenne Sie nicht.
@Sergio: Nein, es geht eben nur Freischaltung des gesamten Portfolios. Das ist einer der Gründe, warum ich diese Anfragen ebenfalls ablehne. Ein anderer ist, dass ich meine Models nicht in diesen „sensiblen Bereichen“ sehen möchte.
Hallo Robert
ich hoffe die Frage ist jetzt nicht zu sehr Offtopic:
Weisst du was passiert wenn man bei Shutterstock die Optionen folgendermassen setzt?
Shutterstock : Opt Out
Enhanced License : Opt In
Footage Sales : Opt In
Footage Subscription Sales : Opt Out
Die letzte drei Opts scheinen ja keine Abhängigkeiten von Erster darzustellen (ausser es ist schrottig programmiert – was ja bei Microstockagenturen nicht verwunderlich ist).
Gruss axel
@Axel: Ich nehme stark an, wenn Du bei „Shutterstock“ Opt out wählst, werden deine Bilder/Videos gar nicht bei Shutterstock angezeigt und der Rest wird damit mehr oder weniger irrelevant.
Hi Robert, danke für deine Antwort.
Dann kann man nur sagen das das reichlich gruselig programmiert ist.
Am besten mal den Support fragen, was?
Gruss axel