Vor einer Weile hatte ich folgende Mail von dem Studenten Till Scheel im Postfach:
„Sehr geehrter Herr Kneschke,
ich stehe momentan vor einer schwierigen Entscheidung, und da Sie in Ihrem Blog immer so hilfreich Auskunft geben, dachte ich, Sie könnten mir womöglich einen Tipp geben.
Als ich vor knapp drei Jahren mit dem Photographieren begonnen habe, hatte ich ein paar Bilder bei verschiedenen Microstock-Seiten hochgeladen (istock, Dreamstime), um zu sehen, ob sie angenommen werden. Einige Bilder wurden angenommen und haben sich inzwischen auch schon verkauft. Mir hat an dem Microstock-System immer die Freiheit gefallen, die der Photograph bei seiner Arbeit genießt. Andererseits hat mich die Art und der Look typischer Microstock-Bilder eher wenig begeistert.
Mittlerweile bin ich so weit, dass ich Photographie (in absehbarer Zukuft) zu meinem Beruf machen möchte. Nur die Richtung, in die es gehen soll, ist noch nicht ganz klar. Ich studiere zur Zeit Japanologie und habe im Rahmen dieses Studiums etwa anderthalb Jahr in Kyoto verbracht. Bei meinem letzten einjährigen Aufenthalt habe ich meine Bildsprache weiter entwickelt und eine riesige Zahl an Bildern aufgenommen. Mir ist dabei klar geworden, welche Art von Bildern ich gerne machen möchte. Nur wie sich diese Bilder am besten zu Geld machen lassen, kann ich nicht ganz einschätzen. Abgesehen von einigen wenigen Bildern, die ich als FineArt-Drucke verkaufe, lassen sich meine Bilder wohl am ehesten in die Kategorie Travel-Photography einordnen. Ich dachte daher, es sei wohl zunächst das Beste, mich bei einer auf Reisephotographie spezialisierten Macrostock-Seite zu bewerben, und dort bei Annahme einige hundert Bilder hochzuladen. Schon alleine damit all die Bilder nicht ungenutzt auf meiner Festplatte liegen.
Nun habe ich vor kurzem per Zufall gemerkt, dass sich auch bei Microstock-Seiten Bilder als „editorial“ ohne Model- oder Property-Release hochladen lassen. Das bietet mir nun also noch eine weitere Möglichkeit, von der ich bisher nichts wusste.
Meine Frage nun an Sie:
Ich habe eine unglaublich große Menge an Bildern speziell von Kyoto, die in meinen Augen eine gute Qualität besitzen. Denken Sie, diese Bilder würden sich bei einer traditionellen, auf Reisephotographie spezialisierten Seite besser verkaufen, oder lohnt es sich auch mit solchen Bildern bei einer Microstock-Seite einzusteigen?Ich weiss natürlich nicht, ob sich so eine Frage überhaupt mit Gewissheit beantworten lässt. Ich lese jedoch regelmäßig Ihren Blog und hoffe, dass Sie mir mit Ihren umfangreichen Branchenkenntnissen weiterhelfen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Till Scheel“
Damit wir uns einen groben Eindruck von Tills Bildern verschaffen können, hat Till mir auf Nachfrage einige Beispiele geschickt, die ich hier gerne zeigen möchte. Mehr ist auch auf seiner Webseite kyoto-entdecken.de zu sehen. Zu Erläuterung schreibt er:
„Die drei Bilder wurden an Setsubun aufgenommen. Setsubun ist in Japan ein wichtiges Fest zum Frühlingsbeginn, bei dem die bösen Geister vertrieben und die guten Geister in die Häuser der Menschen eingeladen werden. Auf allen drei Bildern sind Maiko zu sehen. Maiko sind junge Frauen, die sich noch in der Ausbildung zur Geisha befinden.



Ich hatte Till zu einem persönlichen Gespräch getroffen und seine Frage ausführlich beantwortet. Damit ihr auch etwas davon habt, hier meine Einschätzung:
Grundsätzlich habe ich ihm aus mehreren Gründen abgeraten, seine Bilder als Editorial-Material bei Microstock-Agenturen anzubieten. Microstock ist und bleibt ein Massenmarkt, in dem Fotografen nur verdienen können, wenn sie ihre Bilder oft genug verkaufen können. Für die Agenturen gilt das nicht unbedingt, da die Fixkosten relativ gleich bleiben, egal, wie viel Bilder sie im Portfolio haben und hier leichter über den „long tail“ verdient werden kann. Bei Fotos, die nur für eine redaktionelle Nutzung freigegeben werden können, weil keine Model-Verträge oder Eigentumsfreigaben vorhanden sind, fällt schon mal ca. die Hälfte der potentiellen Käufer weg, weil diese Fotos für Werbezwecke brauchen.
Außerdem ernüchtert es einen schnell, wenn man sich beispielsweise die Zahlen bei istockphoto anschaut. Zum Thema „Japan“ werden dort momentan ca. 3350 Bilder angeboten. Nach Downloads sortiert hat das beliebteste Foto weniger als 50 Downloads und ab dem elften Foto liegen die Downloads im einstelligen Bereich. Davon kann ein Fotograf nicht leben. Zum Vergleich: Wenn der Filter „nur redaktionelle Bilder anzeigen“ ausgeschaltet wird, haben die Bestseller zum Thema „Japan“ über 3000 Verkäufe!
Ein Blick auf die Motive der redaktionellen Bestseller lässt – abgesehen von der Atomkatastrophe in Fukushima – grob zwei beliebte Themen erkennen: Menschengruppen (bei denen Releases sehr schwer zu beschaffen sind) und Technologie. Das traditionelle Japan oder kulturelle Themen sind weniger gefragt.
Durch das Japanologie-Studium und seine praktischen Kenntnisse vor Ort würde Till auch viel Wissen verschenken. Vor allem im Schulbuch- oder Reisebuch-Bereich sind ganz konkrete, genaue und ausführliche Angaben zum Foto Gold wert, die diese auch bereit sind zu bezahlen. Auch deswegen lassen sich solche Motive deutlich besser über spezialisierte Macrostock-Agenturen vermarkten. Spontan fielen mir da beispielsweise laif oder auch Mauritius und Imago ein.
Grundsätzlich gilt: Klischeehafte, sehr typische, generalisierte Bilder haben im Microstock gute Verkaufschancen, je spezieller das Motiv wird, desto besser ist es in einer Macrostock-Agentur aufgehoben.
Was meint ihr? Teilt ihr meine Einschätzung? Oder was würdet ihr Till raten?
Hallo Robert,
ich bin neu in der Stockfotografie. Könntest Du kurz erläutern was man unter „Editorial-Angebote“ in diesem Bereich zu verstehen hat?
Vielen Dank!
@Thomas: Dazu habe ich einen eigenen Artikel geschrieben, den ich auch im Text verlinkt hatte: http://www.alltageinesfotoproduzenten.de/2011/06/27/stockfotos-kaufen-unterschied-zwischen-redaktioneller-und-kommerzieller-nutzung/
also was reisefotografie betrifft ab zu f1 online .
laut meines amateuhaften Wissens aktzeptiert Mauritius nur Bilder mit Model-Release. Die würden damit schon rausfallen. Sehr guter Artikel der sicher viele Reisewütige betrifft.
@reka: Interessant denn auf ihrer Webseite steht folgendes: Wir sind immer interessiert an gutem Material und vertreiben Lizenzen zu folgenden Themen: People & Lifestyle, Travel & Landscape, Still-Life, Architektur, Tierwelt.
»Bitte beachten Sie: Im Moment sind wir nur an People- und Lifestyle-Fotografie interessiert.
Oder kann man das ignorieren?
@silvi:
Die Info habe ich auch – travel ist seit Microstock tod. Habe die Bestätigung von mehreren Agenturen erhalten.
Die Suchabfrage Japan ergibt bei istock mehr als 51.000 Treffer. Davon mehrere mit über 1.000 dl. Dies zur Korrektur.
@Thomas: Nein, du scheinst etwas überlesen zu haben. Die ca. 3500 Bilder bei istock beziehen sich auf Fotos, die NUR redaktionell angeboten werden (das heißt: Häkchen bei „Licence Type: Editorial“ an). Dass die Fotos ohne diese Einschränkungen mehrere tausend Downloads haben, hatte ich ja ebenfalls im Artikel geschrieben.
Vielen Dank nochmal für Deine ausführliche Antwort, Robert!
Ich hatte ursprünglich gedacht es könne lohnenswert sein, sich auf diesem noch eher neuen Gebiet (editorial auf Microstockseiten) in Position zu bringen. So dass ich auf diesen Seiten dann stark vertreten bin, wenn die Nachfrage nach editorial Bildern auf diesen Seiten steigt.
Aber Du hast natürlich recht: Meine Bilder sind bei anderen Anbietern sicher besser aufgehoben.
@ silvi ; wenn die fotos techn. einwandfrei und top sind kannst du es ignorieren .
ansonsten mach people ist halt immer ein thema weil es zu viele anbieter aus usa , uk usw. gibt … europäisch halt .