Rezension: „Modelfotograf werden“ von Jamari Lior

Oft bekom­me ich Anfragen von jun­gen Fotografen: „Wie machst du das mit den Models?“, „Woher bekommst du dei­ne Models“, „Wie gehst du mit denen um?“ Mich irrie­ren die­se Fragen oft, weil es mitt­ler­wei­le so selbst­ver­ständ­lich gewor­den ist, Menschen zu foto­gra­fie­ren, dass ich es, glau­be ich, schwie­ri­ger fän­de, ein Auto gut abzu­lich­ten als eine Familie mit drei Kindern und einem Hund.

Deswegen ist es ganz gut, dass jetzt das Buch „Modelfotograf wer­den“* von Jamari Lior erschie­nen ist. Jamari war selbst jah­re­lang Model, bevor sie die Seiten gewech­selt hat und jetzt knall­bun­te, oft mär­chen­haf­te, bezau­bern­de Fotos erstellt. Genau mein Geschmack. Einen lesens­wer­ten Blog hat sie übri­gens auch.

Das Buch hat nur sechs Kapitel, die sich ins­ge­samt jedoch über 220 Seiten erstre­cken. In den ers­ten bei­den Kapiteln wird der Einstieg abge­han­delt. Was für Arten von Modelfotografie (Beauty, Lifestyle, Akt, etc.) gibt es, was soll­te ein Modelfotograf schon kön­nen und wel­che Vor- und Nachteile hat die­se Art der Fotografie. Welchen Künsternamen und was für ein Logo soll­te ich mir suchen? Sehr aus­führ­lich wird auch das ers­te Shooting durch­ge­gan­gen, was beson­ders für Anfänger inter­es­sant ist. Gut beschreibt sie auch die Verantwortung, wel­che auf einem Fotografen lastet:

Sie als Fotograf haben in man­cher Hinsicht eine undank­ba­re Rolle beim Shooting. Wenn ein Bild gut wird, erhält in den Communites oft das Model das größ­te Lob. Dann heißt es ‚Wow, was bist du für ein schö­nes Modell!‘ Wenn Ihnen jedoch ein Bild nicht so gelingt, ern­ten Sie die größ­te Kritik.“

Im drit­ten Kapitel geht Jamari Lior auf die Vor- und Nachteile ver­schie­de­ner Requisiten und Accessoires ein, beschreibt mög­li­che Shooting-Locations und ihre Merkmale und erklärt im fol­gen­den Kapitel, wie bei­des für wel­che Themenbereiche opti­mal genutzt wer­den kann und was für Posen oder Anweisungen an Models hilf­reich sind oder nicht.

Die letz­ten bei­den Kapitel behan­deln eher die Business-Seite. Wie gehe ich mit Absagen um? Wie viel zah­le ich einem Model? Was muss ich recht­lich beach­ten? Sie gibt Tipps für die Geschäftsausstattung und wie Fotografen mit Kritik oder Kundenwünschen umge­hen sollten.

Wie die meis­ten Bücher rich­tet es sich an Anfänger, die noch nie ein Model foto­gra­fiert haben oder bis­her nur paar Mal ihre Freundin oder Freunde abge­lich­tet haben. Diese Fotografen wer­den sehr vie­le Informationen aus dem Buch zie­hen kön­nen und für die ist es auf jeden Fall eine Empfehlung!

Jedoch darf ein Leser nicht erwar­ten, dass er nach dem Buch sofort in der Lage ist, die­se wun­der­hüb­schen Beispielbilder aus dem Buch nach­ma­chen zu kön­nen. Da gehört auch viel Zeit und Photoshopping dazu, was im Buch nur kurz auf ca. fünf Seiten behan­delt wird. Außerdem zei­gen sowohl die Beispielfotos als auch die Erklärungen im Buch, dass Jamari Lior häu­fig Subkulturen wie Gothics, Lolitas oder Cosplayer foto­gra­fiert und sehr fan­ta­sie­be­ton­te Bilder macht. In die­sen Bereichen kann sie des­halb aus­führ­li­che Tipps geben.

Klassische Lifestyle-​Themen, wie sie vor allem in der Stockfotografie bevor­zugt wer­den, kom­men im Buch etwas kür­zer weg und auch eini­ge ihrer Business-​Tipps las­sen mich eher schmun­zeln. Zum Beispiel glau­be ich nicht, dass einem ein Friseur, denn man beim Klau der eige­nen Bilder erwischt hat, in Zukunft kos­ten­los die Haare der Models sty­len wird, wie auf Seite 57 vor­ge­schla­gen. Auch die für Fotoaufnahmen erfor­der­li­chen Eigentumsfreigaben bei Locations in Privatbesitz wie Friedhöfen oder Lagerhallen wer­den eher als optio­nal denn als obli­ga­to­risch verstanden.

Von die­sen Details abge­se­hen ist das Buch aber ein guter Einstieg in die People-Fotografie.


* Affiliate-​Link (Ich erhal­te eine klei­ne Provision beim Kauf, ihr habt kei­ne Nachteile dadurch)

6 Gedanken zu „Rezension: „Modelfotograf werden“ von Jamari Lior“

  1. Hallo! Habe das Buch auch gekauft. Bin sehr ent­täuscht gewe­sen. Die Bilder von Jamari sind super. Das Buch rich­tet sich jedoch an Totalanfänger und beinhal­tet eigent­lich nur recht all­ge­mei­ne Ausführungen, die oft wenig mit dem Fotografien zu tun haben. „Sachen, mit denen man was anfan­gen kann“, sind in dem Buch nicht vor­han­den. Also, es gibt kei­ne Hilfe bei tech­ni­scher Umsetzung, son­dern es ist eher eine Beschreibung von Basiswissen. Ausführungen wie, dass man zB ein Korsett kau­fen soll­te und dass Blumen im Haar immer gut kom­men, hal­te ich für über­flüs­sig. Stattdessen gibt Bilder von Jamari en Mass. Weniger wäre da auch mehr gewe­sen. Kommt mir auch ein wenig wie Selbstbeweihräucherung vor, wobei ich sagen muss, dass die Bilder sehr, sehr gut sind. Genutzt hat mir das Buch so wenig, dass es bei eBay wie­der raus­ging. Schade um das Geld. Wer glaubt zu ler­nen, wie Jamari wirk­lich foto­gra­fiert, was Sie für Lichtsetups macht und wie sie nach­be­ar­bei­tet wird bit­ter ent­täuscht. Da gibts ande­re Bücher von ande­ren Autoren, die das Geld mehr wert sind. VG Ulf

  2. @Ulf: Ja, Technik und Nachbearbeitung sind in dem Buch sehr wenig vor­han­den, aber da gibt es zum einen vie­le Photoshop-​Bücher (z.B. hier: http://www.alltageinesfotoproduzenten.de/2009/01/11/rezension-portraets-gekonnt-retuschieren-mit-photoshop-von-matthias-matthai/) und Portrait-​Lichttechnik-​Bücher wie das hier: http://www.alltageinesfotoproduzenten.de/2010/10/11/rezension-portraetfotografie-von-glenn-rand-und-tim-meyer/. Das Model-​Buch rich­tet sich eben eher an die, wel­che den Umgang mit Menschen vor der Kamera ler­nen wol­len, was für Requisiten und Accessoires hilf­reich sind und so weiter.

  3. Klingt inter­es­sant.

    Bisher habe ich immer noch Hemmungen ein Model anzusprechen.
    Eine Buchung über die Modelkartei etc. habe ich bis­her aus­ge­schlos­sen, weil das Model sicher­lich auch eini­ge Erwartungen an ein Shooting haben wird. Und ich weiß nicht, ob ich die­se Erwartungen erfül­len kann.

    lg

  4. seit eini­gen jah­ren bin ich pas­sio­nier­te landschafts- und rei­se­fo­to­gra­fin und spiel­te schon immer mit dem gedan­ken, in die model­fo­to­gra­fie ein­zu­stei­gen. dabei hat mir das buch schon jetzt unge­mein gehol­fen, weil es zahl­lo­se tipps, tricks und anre­gun­gen bie­tet. es zeigt eine rie­si­ge spann­brei­te unter­schied­li­cher mög­lich­kei­ten der model­fo­to­gra­fie auf, gar­niert mit tol­len bil­dern dazu, die appe­tit machen, es selbst zu aus­zu­pro­bie­ren. der bild­be­ar­bei­tungs­teil ist klein gehal­ten, aber ich per­sön­lich fin­de dafür video-​tutorials ohne­hin deut­lich infor­ma­ti­ver. somit kann ich es unein­ge­schränkt empfehlen!

  5. Ich foto­gra­fie­re nun auch seit eini­gen Jahren und hab mir die­ses Buch als Anregung geholt. Leider ent­sprach es nicht mei­nen Vorstellungen und mei­ner Meinung nach ist das eher eine Biografie bzw. eine Visitenkarte :((

    Wer wirk­lich was dazu ler­nen möch­te, ist bei you­tube & co. durch tuto­ri­als bes­ser bedient. Ein Pluspunkt jeden­falls muss man die­sem Buch geben und das liegt bei den geschos­se­nen Fotos, die wirk­lich gut durch­dacht und aus­ge­führt wurden.

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