Sind meine Fotos gut genug zum Verkaufen? Wer sich diese Frage stellt, ist bei meiner Serie „Pimp My Stock!“ gut aufgehoben, denn hier gebe ich Tipps, ob Leserfotos den Ansprüchen und Erwartungen von Bildagenturen genügen würden.
Dieses Mal hat mich Martin F. aus Düsseldorf kontaktiert. Er schrieb unter anderem:
„Hallo Robert, auch ich möchte Dir hiermit erst mal für Deinen tollen Blog, Deine Offenheit zu Deiner Arbeit und für Dein Buch danken! Als ich mich das erste Mal so richtig mit dem Thema Stockfotografie beschäftigte, war ich überrascht, wie offen alle guten Fotografen mit ihrem Job und auch ihrem Verdienstes umgehen. Erstaunlich!
[…]
Stockfotografie ist mir schon seit Ewigkeiten bekannt und nun wäre es für mich eine Überlegung, ob sich eine Doppelgleisigkeit lohnen würde, also „normale“ Fotojobs und die Stockfotografie. […]Für mich wäre die Stockfotografie eine Art Brot-und-Butter Einnahme, denn ich denke, gerade wenn am Anfang das Portfolio noch nicht so dick ist, sollten die Fotojobs das richtige Geld reinbringen und die Stockfotos eher „on top“ sein. Wie siehst Du das? Macht das Sinn oder ist das ein Denkfehler? […]Am letzten Wochenende haben meine Frau und ich mal einen ersten Test bzgl. Stockfotos gemacht. Sie hat die Büroangestellte gespielt und wir haben verschiedene Büro-Szenarien durchgearbeitet. Dabei kamen rund 10 Fotos gleicher Qualität, gleichen Looks, aber unterschiedlicher Aussagen heraus. […]Würde die Qualität ausreichen? Freisteller, Auflösung, Bearbeitung, etc? Hast Du noch Tipps? […] Bis bald, Martin“
Wollen wir mal schauen, wie seine Fotos aussehen:
Beginnen wir mit dem Foto eines Stromkabels auf dem Boden. Ein unspektakuläres Foto, was technisch jedoch gut umgesetzt wurde und – viel wichtiger – eine klare Aussage hat: Strom, Elektrizität, Renovierung, Gefahr, Stromschlag. In der oberen Hälfte ist Platz für Text, wo beispielsweise eine Versicherung oder ein Elektriker für seine Dienste werben könnte. Verbessert werden könnte vielleicht noch das Kabelende, wo sich einige der Enden hinter dem roten Kabel verstecken. Die hätten vor dem Fotografieren etwas aufgebogen werden können, um besser sichtbar zu sein. Insgesamt jedoch ein gutes Stockmotiv.
Treppen sind ein gern gesehenes symbolisches Motiv in Bildagenturen, weil sie Aufstieg, Karriere oder Zukunft versinnbildlichen können. Das Motiv ist auch symmetrisch fotografiert. Der Vorteil dieses Bildes ist jedoch auch sein Nachteil: Der überstrahlte Himmel bringt das Bild zum Leuchten, was für die Bildwirkung gut und wichtig ist. Jedoch sehe ich schon die überarbeiteten Bildredakteure vor meinem inneren Auge, die nur kurz registrieren „Himmel und Leuchtstoffröhre überstrahlt, Magentastich am Ausgang“ und auf „Ablehnen“ klicken. Der Farbstich könnte mit einer Entsättigung des Bildes korrigiert werden, gegen die Überstrahlung würde nur ein HDR helfen.
Fotos wie von dieser Steinwand werden von Designern gerne als Hintergrund oder als Material für Fotomontagen genutzt. Jedoch sind diese Fotos auch sehr einfach zu machen und entsprechend häufig sind sie schon in Bildagenturen vorhanden. Für das eigene Bildarchiv als Layout-Material sicher hilfreich, reich wird man mit solchen Motiven jedoch nicht.
Ein Steg am späten Nachmittag? Es klingt hart, aber das Foto ist weder technisch besonders gut noch als Stockfoto zu gebrauchen. Die Schatten sind abgesoffen, eine Aussage schwer zu erkennen und insgesamt zu düster.
Eine kaputte Glühbirne gäbe an sich ein gutes Konteptfoto ab. Hier jedoch nimmt der steinige Untergrund und grasige Hintergrund fast mehr Aufmerksamkeit in Anspruch als die Glühbirne, weshalb es sich kaum verkaufen wird. Als Freisteller hätte es Chancen, so leider nicht.
Machen wir eine kleine Übung: Was für eine Aussage könnte dieses Bild haben und welche Hinweise gäbe es dafür auf dem Foto? Ich sehe ein Paar, was sich gegenüber steht, der Mann mit verschränkten Armen, aber zumindest einem leichten Lächeln im Gesicht. Die Distanz ist zu groß, um Nähe oder Geborgenheit zu zeigen, aber nicht groß genug, um Kommunikationsprobleme anzudeuten. Für Ärger oder Streit schaut der Mann zu zufrieden, für Liebe wieder zu weit auseinander. Ihr seht, es ist schwer, das Foto klar einzuordnen, deshalb wird es auch kaum Käufer finden. Dazu kommt als störendes Detail, dass die Schleife am Rücken der Frau zu sehr die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Zwei Bungee-Jumper vor einem Wolkenhimmel als Silhouette. Der Himmel ist sehr fotogen und Silhouetten von Personen sind bei Bildkäufern gern gesehen, weil sie anonym sind und sich der Kunde so besser in die gezeigte Person reinversetzen kann. Grundsätzlich also ein gutes Stockfoto, was jedoch wieder in den Details abfällt. Zum einen verschmelzen die beiden Personen, was ungünstig ist. Hier hätte vielleicht eine andere Position Abhilfe schaffen können oder der Fotograf hätte warten können, bis nur eine Person springt, falls das möglich gewesen wäre. Störender noch ist aber der dunkle Bildrand oben, denn wer mit so einem Foto Freizeit-Spaß und Amüsement illustrieren will, möchte keine düsteren Wolken oben haben. Ganz unten links schaut auch noch ein Kabel o.ä. ins Bild, was sich immerhin schell retuschieren ließe.
Die Rheinkniebrücke und der Rheinturm in Düsseldorf bei Nacht. Insgesamt ein solides Stockmotiv für Reiseführer oder Tourismus-Webseiten. Voraussetzung ist – was ich in der Größe nicht erkennen kann -, dass das Bild in der 100%-Ansicht nicht zu verrauscht ist und keine Markennamen (zum Beispiel auf dem Hochaus rechts neben dem Brückenpfeiler) zu erkennen sind.
Das ist eins der Fotos, die oben in der Mail erwähnt wurden: Wütende Geschäftsfrau am Schreibtisch. Insgesamt sicher ein brauchbares Motiv. Was jedoch etwas störend ist, sind die Tischkanten an beiden Seiten. Ich habe den gleichen Tisch als Requiste, da er als Tapeziertisch klappbar und transportabel ist, aber deswegen muss bei der Komposition sorgfältig auf die Ecken geachtet werden. Ich drapiere entweder andere Requisiten darauf oder erweitere den Tisch mit Photoshop.
Bei diesem Foto der gestressten Geschäftsfrau ist das gut zu sehen: Beide Schreibtischecken sind dezent verdeckt. Die Handhaltung finde ich die die Mimik der gestressten Frau etwas unpassend, aber es gibt sicher genug Käufer, denen das egal ist. Störend wirkt etwas der rechts abgeschnittene Aktenordner.
Was sagt ihr zu den Fotos? Teilt ihr meine Meinung oder habt ihr andere Favoriten?
Wer von mir auch kostenlos Tipps haben will, ob seine Fotos “stocktauglich” sind, kann gerne ebenfalls mitmachen.
Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kurze Mail, in der ihr Euch vorstellt, z. B. wie lange ihr Fotos macht, mit welcher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos verkauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-Branche vorhabt.
– Wenn ich ausreichend Zeit habe für Bildbesprechungen, bitte ich Euch, mir 5–10 Bilder in kleiner Auflösung (ca. 600×800 Pixel) zu schicken.
– Diese werde ich dann in einem Blogbeitrag wie diesem veröffentlichen (auf Wunsch auch anonym) und meine Kommentare abgeben aus Business-Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, sondern wie verkäuflich das Foto sein könnte oder wie es verkäuflicher gemacht werden könnte.
Interessant und gut nachvollziehbare Bildkritiken.
Das Treppenfoto dürfte auch unverkäuflich sein, weil die Symmetrie nicht sauber umgesetzt wurde. Das Treppengeländer endet links etwas tiefer. Die Einfassung der Treppenstufen ist in der rechten unteren Bildecke fast doppelt so hoch wie links und das Fugenbild an den Wänden ist auch nicht symmetrisch. Vermutlich wurde das Foto nicht exakt von der Mitte der Treppe, sondern von einem Standort rechts neben der Mitte aufgenommen.
Die Fotos wurden mit Kameras geschossen, die Profis eher selten verwenden (Sony Cybershot R1, Sony A100). Einige behaupten, das via EXIF-Daten erkennbares Amateur-Equipment zu erhöhten Ablehnungsraten bei Stock-Agenturen führt. Sollte man dann die EXIF-Daten besser manipulieren (Leica S2 😉 oder löschen ?
@Guido
Das ein Foto unverkäuflich ist, kann man nicht pauschalisieren. Sicherlich sind einige technische Punkte besser realisierbar. Dennoch kann es bei Agenturen Verkaufschancen haben, sofern keine besseren oder gar keine Alternativfotos vorhanden sind.
Ich gebe dir insofern recht, daß die Verkaufschancen geringer sind, wenn man es besser machen könnte.
Aber deswegen ist ein Foto nicht unverkäuflich.
Das Fotos mit den von dir genannten Fotoapparaten geringere Annahmequoten haben liegt nicht an der EXIF oder an den mutmasslichen Nicht-Profifotografen. Dies liegt wohl meist am mangelnden RAW-Dateiformat. Wer Bilder in JPG macht, verliert bereits durch die Komprimierung an Qualität. Korrekturen sind im Vergleich zum RAW nur im geringen Umfang möglich und ebenfalls mit sichtbaren Qualitätsverlusten verbunden.
Kleiner Tipp wer nur in JPG fotografieren kann. Das JPG in maximaler Qualität und danach mit Photoshop oder ähnlichem Programm erst einmal in TIFF umwandeln und in TIFF ohne Qualitätsverluste bearbeiten. Nach der Optimierung kann man es für Stockagenturen wieder in JPG umwandeln. So ist der Qualitätsverlust am geringsten und die Aufnahmechancen werden erhöht.
MFG
Bernd
@Bernd
Zu deinem Tipp mit dem TIFF umwandeln:
Es macht natürlich Sinn, seine bearbeiteten Bilder in TIFF (oder PSD) zu archivieren, damit man die später wieder mal öffnen und ohne Qualitätsverlust neu bearbeiten kann. Aber wenn du ein JPEG im Photoshop öffnest, entsteht kein Qualitätsverlust mehr, bis zur erneuten Speicherung als JEPG, also die Bilder VOR der Bearbeitung in TIFF umzuwandeln oder ähnliches bringt überhaupt nix.
@Bernd:
Getty hat zum Stichwort „Treppe“ über 6.000 Fotos, Fotolia noch mehr. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass es bei so einem Motiv an Alternativen mangelt.
Beide Kameras bieten RAW-Format, das ist nicht der Punkt. Wenn anhand der EXIF-Daten Amateur-Equipment erkennbar ist, dann könnte das beim einen oder anderen Bildredakteur zu Voreingenommenheit führen: Amateur-Equipment = Amateur = besonders fehlerbehaftete Fotos.
Wie cmon schon schriebt ist der Tipp mit der TIFF-Umwandlung sinnlos.
Hallo Zusammen,
ich, als der Fotograf der oben zu sehenden Bilder, melde mich hiermit auch mal zu Wort. Erst mal vielen Dank an Robert für seine ausführliche Bildbesprechung. Ich freue mich, dass ich nicht ganz daneben liege 😉 Aber natürlich ist noch Luft nach oben. Die Fotos stammen auch aus meinem Fundus und sind, bis auf die beiden „gestellten“ Fotos mit dem Modell, reine „so mach ich halt Fotos“-Fotos. Bei einer Durchsicht eben dieser Fotos meinte ich aber erkannt zu haben, dass Stock-Verkaufs-Potential drin steckt. So ganz falsch lag ich wohl nicht.
Nun zu den Kommentaren: Also wenn ein Mitarbeiter eines StockMarketAnbieters ein Fotos ablehnt, nur weil es nicht mit einer 5.000 Euro Kamera geschossen wurde .. dann will ich mit denen auch nix zu tun haben 😉 Meiner Meinung nach muss das Motiv gut sein und etwas aussagen und halt grundsätzlich die technischen Voraussetzungen erfüllen. Dann sollte es eigentlich völlig Pumpe sein, welcher Apparat oder welches Objektiv genutzt wurde. Wenn das dennoch tatsächlich ein Problem sein sollte, dann fänd ich das ziemlich … arm?! Nicht der Apparat macht das Foto, sondern der Fotograf. Da sollten eher die Motive zählen, nicht die Technik. Aber das ist nur meine Meinung.
Natürlich bearbeite ich nur die RAW-Fotos (bei Sony total schlau: ARW statt RAW) und speichere als PSDs zwischen. Erst zum Schluss wird ein JPG draus, wenn zwingend nötig. Aber Robert wollte (logischerweise) JPGs haben. Die RAWs oder PSDs sind ja viel zu fett.
Den Hinweis mit den Tischkanten von Robert nehme ich dankend an (und hatte es mir schon gedacht). Ich werd auch in Zukunft nicht mehr mit so Gitter-Objekten (Ablagefächer und Stifthalter) arbeiten. Das sind dann so Dinge, die einem erst auffallen, wenn man Photoshop aufmacht und dann gern in die Speicherkarte beißt („Neeein. Warum hab ich das nur gemacht?“) 😉 Man lernt halt dazu und es war mein erstes Mal 🙂
Also, Danke nochmal an alle und beste Grüße,
Martin
Wir haben vor etwa 1 Jahr einige Bilder bei Fotolia eingestellt. Die Fotos, wo wir erwartet hätten, dass sie ganz bestimmt Abnehmer finden würden sind unter 10 Downloads geblieben und einige der Motive, die wir für qualitativ schlecht hielten, eigentlich überhaupt nicht anbieten wollten, sind zum kleinen Renner geworden. Sicherlich auch aus den bereits genannten Gründen. In der Zwischenzeit haben wir uns nicht mehr mit dem Thema befasst, sind aber am Ende des Jahres wieder mit neuer Kraft dabei, da wir einen weiteren Mitarbeiter haben, der sich ganz der Stockfotografie verschreiben wird. Vielen Dank für diese vielen Informationen zu diesem Thema. Ein lieber Gruß aus Köln, dirk baumbach
Ich wollte kurz auf die Mimik der „Geschäftsfrau“ eingehen. Diese ist für mich – anders als Robert das sieht – beim ersten Bild nicht eindeutig als wütend zu interpretieren. Ich habe eine Freundin, die genauso aussieht, wenn sie anfängt zu lachen und automatisch habe ich gedacht, dass die Person eine freudige Nachricht auf ihrem Telefon vorgefunden hat. Bei beiden Fotos sperrt sie für mein Empfinden auch den Mund etwas zu weit auf – so ist es beide Male nicht eindeutig einer Emotion zuzuordnen. Kleider und Frisur dagegen sind gelungen.