Wie Google Street View Fotografen bedrohen kann

Dann darf ich ja gar nichts mehr foto­gra­fie­ren“, lau­tet eine oft gehör­te Klage frus­trier­ter (Hobby-)Fotografen, wenn sie das ers­te Mal ler­nen, was alles nicht ohne Genehmigung ver­öf­fent­licht wer­den darf: Fotos von geschütz­ten Bauwerken, Designer-​Möbeln, mit Logos, Markennamen und so weiter.

Ausgespart davon blie­ben bis­her Fotos, die zum Beispiel auf öffent­li­chem Grund von blei­ben­den Kunstwerken oder Gebäuden ohne Hilfsmittel wie Leitern o.ä. gemacht wur­den. Das Stichwort dazu heißt „Panoramafreiheit“.


Die Gefahr ist groß, dass sich das im Rahmen der Debatte um Google Street View ändern kann. Im Sommerloch gibt es wenig zu tun, des­halb stür­zen sich Politiker ger­ne auf den Großkonzern, der man­chem ange­sichts der gesam­mel­ten Datenmengen lang­sam unheim­lich wird.

An sich ist es unpro­ble­ma­tisch, mit sei­ner Kamera durch (öffent­li­che) Straßen zu lau­fen und Fotos der Hausfassaden zu machen. Wer dann noch gel­ten­de Datenschutz- und ande­re Rechte berück­sich­tigt und zum Beispiel Personen und ande­re per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten (wie Klingelschilder oder Autokennzeichen), Logos und Markennamen anony­mi­siert, darf sol­che Fotos veröffentlichen.

Google macht im Grunde nichts ande­res, mit zwei klei­nen Unterschieden:

  1. Professionell wie die Firma ist, scheucht sie nicht Studenten mit Kameras als Nebenjob durch sämt­li­che Straßen der Republik, son­dern mon­tiert Kameras auf Autos, die die foto­gra­fi­sche Arbeit voll­au­to­ma­tisch über­neh­men. Muss nur jemand das Auto fah­ren. Hier gibt es die ers­te Diskussion, ob die Nutzung des erhöh­ten Auto-​Aufbaus nicht schon ein uner­laub­tes Hilfsmittel sei, was die Panoramafreiheit ver­let­zen würde.
  2. Zudem ver­knüpft Google die Fotos mit geo­gra­fi­schen Daten (GPS), der Betrachter ist dem­nach immer in der Lage, nicht nur das Haus zu sehen, son­dern auch zu ver­fol­gen, wo es steht. Das gefällt Datenschützern gar nicht und ich kann deren Bedenken ver­ste­hen. Auch in der pro­fes­sio­nel­len Fotografie hal­ten GPS-​Daten Einzug, wes­halb zum Beispiel die größ­te Bildagentur der Welt, Getty Images, 2009 in ihren neu­en Property Releases fol­gen­den Passus ent­fernt hat:
    Sofern kei­ne schrift­li­che Genehmigung im Voraus erteilt wur­de, stim­men der Fotograf/​Filmemacher und sei­ne Rechtsnachfolger zu, dass der Inhaber, Mieter und/​oder der Standort des Objekts (mit Ausnahme einer all­ge­mei­nen Bezugnahme auf die Region, das Land oder den Staat) nicht in der Bildunterschrift oder in ande­ren, gemein­sam mit dem Bild zu Lizenzzwecken zur Verfügung gestell­ten Informationen aus­ge­wie­sen wer­den dür­fen […]“. Begründung: Durch die Zunahme von Geo-​Daten in Fotos kön­ne nicht mehr garan­tiert wer­den, dass der Aufnahmeort von Fotos unbe­kannt bleibe.

Der ers­te Einwand lässt sich leicht behe­ben, indem Google zum Beispiel die Kameras tie­fer mon­tie­ren würde.

Der zwei­te und wich­ti­ge­re Einwand jedoch bleibt offen, wobei unklar ist, war­um sich der Protest vor allem gegen Google rich­tet, obwohl ande­re Firmen wie Sightwalk genau das glei­che machen. Und war­um posie­ren Bürger als Protest gegen Google Street View in der Zeitung mit gro­ßen Fotos vor genau den Häusern, die sie aus Google Street View ent­fer­nen wol­len? Mit vol­len Namen natürlich…

Die Gefahr ist jetzt, dass die Politiker im Eifer des Gefechts die Panoramafreiheit so stark ein­schnei­den, dass Google Street View zwar unge­fähr­lich wird, aber Fotografen eben­die­se Freiheit auch nicht mehr nut­zen kön­nen, vor allem dann, wenn sie ihre Fotos mit GPS-​Daten ver­knüp­fen. Hier gilt es aufzupassen…


Was meint ihr zu der Diskussion? Inwieweit könn­te die Debatte Fotografen, die GPS-​Daten nut­zen, beeinflussen?

10 Gedanken zu „Wie Google Street View Fotografen bedrohen kann“

  1. genau die kame­ra­per­spek­ti­ve von goog­le ist der ent­schei­den­de punkt.
    im gegen­satz zu side­walk ist der auf­bau von goog­le zu hoch.
    damit ver­let­zen sie die pan­ora­ma­frei­heit. aber wir schon beim scan­nen von büchern will goog­le mal wie­der die geset­ze für sich definieren.

    das hier eine ver­brau­cher­schutz­mi­nis­te­rin das gros­se wort ergreift, die sich viel­leicht mit land­wirt­schaft, sicher jedoch nicht mit infor­ma­ti­ons­tech­nik aus­kennt, macht die­se dis­kus­si­on lei­der so offen.
    kla­re wor­te dazu, war­um das von goog­le angreif­bar ist und das von side­walk nicht habe ich bis­her lei­der nur in pho­to­blogs gelesen.

  2. Die Kameraperspektive ist viel­leicht recht­lich ent­schei­dend, spielt aber in der Diskussion kei­ne Rolle. Wenn sie die Kamera direkt aufs Dach mon­tiert hät­ten, wäre die Diskussion doch kein biss­chen anders. Ich unter­stel­le auch ein­fach mal, dass goog­le die 2,90m nicht gewählt hat, damit sie über hecken hin­weg foto­gra­fie­ren kön­nen, son­dern schlicht und ein­fach über die autos rings herum.
    Für die Medien ist doch goog­le der gro­ße Feind, des­we­gen wird da jetzt extra hart drauf gehau­en. Wenns um pay­back, Vorratsdatenspeicherung, bio­me­tri­sche Reisepässe oder Kontodaten geht, wird bei wei­tem nicht so ein wind gemacht, und Renter Horst fin­det das auch gut, ist ja alles für die Sicherheit und man hat ja nix zu verbergen.

    Die Absurditäten hat Robert ja auch schon ange­spro­chen, in der Bild Zeitung outet man sich ger­ne, aber ja nicht in die­sem Interdingens. Sehr lustig/​traurig ist auch z.b. , wenn die Bildzeitung anpran­gert, dass die Anonymisierung bei SV nicht immer so klappt, und dann direkt mal Beispiele zeigt von die­sen Gesichtern, natür­lich eben­falls nicht anonymisiert.

    Die Auswirkungen auf die Panoramafreiheit wür­de ich sogar eher posi­tiv sehen, denn sie wird ja sowie­so immer mehr beschnit­ten, und rückt dadurch auch eher mal wie­der in die Diskussion.
    Denn auf Google schimp­fen kann jeder, aber wenn es erst mal fak­tisch nicht mehr erlaubt ist, aus­ser­halb des eige­nen Grundstücks irgend­wo Fotos zu machen, dann wer­den auch die Street View Gegner mit ihren Handys und Digiknipsen spä­tes­tens beim nächs­ten Städtetrip mer­ken, dass Fotografieren in der Öffentlichkeit doch viel­leicht ganz OK ist.

  3. Ein paar Anmerkungen:

    - Fotografieren von allem ist zunächst mal erlaubt, es sei denn, es spricht was dage­gen wie Persönlichkeitsrecht oder Urheberrecht. Könnte man bei dir fast anders­her­um verstehen.

    - Die Einschränkung „ohne Hilfsmittel“ geht mei­nes Wissens nach nur auf das Hundertwasserurteil zurück, dem ich sehr skep­tisch gegen­über­ste­he. Hilfsmittel zu ver­bie­ten bedeu­tet Kunst zu beschrän­ken, was Verfassungswidrig ist.

    - Es spricht nichts gegen Geodaten in Bildern. Positionen allei­ne sind kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten. Die Probleme kön­nen höchs­tens aus Datenbeständen her­rü­ren, in dem Personen mit Orten ver­knüpft wer­den. Dann sind aber jede das Problem, nicht die refe­ren­zier­ten Fotos.

    - Eigentlich soll­te das Markenrecht nur davor schüt­zen, dass jemand anders nicht so tut, als wür­de er die­se mar­ke selbst führen.
    Bei einem Foto, in dem das Logo nur Beiwerk ist, kann dies kaum der Fall sein. Insfern emfin­de ich die heu­ti­gen Ausprägungen davon eigent­lich als Rechtsmißbrauch.

  4. Ich den­ke auch, dass die Höhe der Kameraposition das ent­schei­den­de Kriterium ist. Die Diskussionen gegen Google passt so wirk­lich ins Sommerloch.
    Allerdings ist zu befürch­ten, dass unse­re Politiker, die sich sicher­lich nicht son­der­lich aus­ken­nen, die Panoramafreiheit per Gesetz beschrän­ken werden.
    Das dürf­te sich für uns als Stockfotografen sicher­lich nega­tiv auswirken.

    Ich per­sön­lich fin­de Street-​View ok. Ich habe mich ins­be­son­de­re über Urlaubsziele in Frankreich, schon recht inten­siv damit beschäftigt.

    Die Mehrheit der Bevölkerung (der Leser der Zeitschrift mit dem gro­ßen „B“; ich lese sie gele­gent­lich bei einem Kollegen mit) ist offen­sicht­lich der Ansicht, dass die Bilder in Echtzeit aktua­li­siert wird. Wer sich schon mal die Bilder bei Google-​Earth näher befasst hat, wird fest­stel­len, dass die Bilder Mega-​alt sind. Eine regel­mä­ßi­ge Erneuerung der Bilder bei Street-​View ist ja wohl nicht vorgesehen.

  5. Mit Daumendrücken und Zurücklehnen schüt­zen wir unse­re Rechte jeden­falls nicht. Und wenn die Gartenzwergbesitzer hin­ter­her mer­ken soll­ten, dass sie sich auch selbst gescha­det haben, ist das Kind lei­der schon in den Brunnen gefallen.

  6. Mein Vorschlag wie wir uns zu ver­tei­di­gen kön­nen, hab ich ja schon öffent­lich verkündet.

    Wir foto­gra­fie­ren jedes gepi­xel­te Haus, stel­len es mit Geo-​Daten unter Creative Commons Lizenz online und ver­knüp­fen die Fotos mit allen mög­li­chen Geo-​Daten-​Diensten, sei­en sie pri­vat­wirt­schaft­lich (Google) oder zivil­ge­sell­schaft­lich getra­gen und open source (open­street­map)

    Was öffent­lich ist, muss öffent­lich bleiben.

    Mit Daumendrücken und Zurücklehnen, wie Joachim schreibt, wird sich das was wir für selbst­ver­ständ­lich hal­ten und was ein wich­ti­ger Bestandteil des öffent­li­chen Raumes im 21. Jahrhundert dar­stellt vom Gartenzwerg-​Spiesserpack und ihren Wir-​haben-​keine-​Ahnung-​vom-​Web Front-​Politiker peu a peu mehr ein­ge­schränkt anstatt erwei­tert werden.

    Wir orga­ni­sie­ren uns im Vorfeld in einer eig­nen com­mu­ni­ty http://www.streetview.mixxt.de

    Rock on

    Jens

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