Sind meine Fotos gut genug für die Stockfotografie? Da ich immer wieder solche Anfragen bekommen habe, gibt es seit einer Weile die Rubrik „Pimp My Stock!“. Dort besprecheich Fotos mit dem Schwerpunkt darauf, ob sie sich gut verkaufen würden.
In der fünften Folge sehen wir die Fotos von „Bilderquelle“. Er war vorher Bankkaufmann und verkauft seit einem halben Jahr im Microstock-Bereich. Die meisten seiner Fotos entstehen mit einer Canon 400D und einer 50mm-Festbrennweite. Er bat mich, mich in erster Linie auf die Bilder und weniger auf seine Person zu konzentrieren. Deswegen legen gleich mal los.
Das erste Foto ist von ener alten Frau im Garten mit einer Erdbeere in der Hand. Dieser kleine rote Punkt vor dem grünen Hintergrund sorgt für einen schönen Farbkontrast. Die blau/gelbe-Schürze mit der ebenso blau/gelben-Bluse tragen auch dazu bei und tauchen das Bild in satte, strahlende Primärfarben. Der Anschnitt ist knapp, aber gut gesetzt und das Format ungewöhnlich. Das Aufhelllicht kommt weich und dezent von schräg vorne. Thematisch sind Senioren in ländlicher Umgebung und „gesunde Ernährung“ gefragte Themen, weshalb diese Foto auf jeden Fall ein super Stockfoto ist!
Beim zweiten Bild gibt es einen klassischen „Business-Freisteller“. Manager mit Schutzhelm und junger Mann im Anzug. Das Bild ist an sich gelungen, nur einige Details stören. Der junge Mann wirkt im gesicht nicht überzeigend und etwas „glatt“. Außerdem tragen z.B. Architekten die weißen Helme, während die gelben Schutzhelme eher von den Arbeitern getragen werden. Das kann einige Verkäufe in der Baubranche kosten. Ansonsten technisch aber gut umgesetzt.
Ein schnörkelloses Foto eines Baugeräts. Hier ist es wichtig, den genauen Namen der Maschine zu wissen, damit die Kunden zum Bild finden. Das Bild ist dokumentarischer Natur, wird also wahrscheinlich eher für den Einsatz in Zeitungen und Zeitschriften in Frage kommen statt für Werbung. Ein mögliches Problem könnte der Baggerfahrer sein. Entweder hilft ein Model Release oder eine Lizenzierung des Fotos als „rights managed“. Je nach Strenge der Bildagentur ist vielleicht auch für die kommerzielle Nutzung kein MR erforderlich, aber dann ist es eigenes Risiko des Fotografen.
Jetzt kommen einige Kinderbilder. Zuerst der spielende Vater mit lachendem Sohn auf den Knien. Wirkt echt, trotz Zusatz von künstlichem Licht und schlicht, aber wirkungsvoll in der Komposition. Einzig der Ohrstecker des Mannes stört vielleicht konservativere Kunden wie einige Familienverbände, kann aber ggf. retuschiert werden.
Ein traumhaftes Stockfoto! Nachdenklicher Junge mit Brötchen auf einer sommerlichen Sitzbank. Klasse satte Farben und natürlich wirkende Haltung des Kindes. Die Bildaufteilung ist fast perfekt, leider stört der fehlende Fuss unten. Die Schrift auf dem Hosenlatz kann unter Umständen ebenfalls Markenrechtprobleme mit sich bringen. Da bietet sich eine Retusche ebenfalls an.
Auch dieses Foto ist sehr geeignet für Bildagenturen. Gute Aufteilung mit Platz für Text, knalliges Rot, Gelb, Grün und Blau und entspannt wirkende Stimmung von Kind und Mutter bzw. Schwester. Der Anschnitt ist etwas zu eng, an allen Seiten außer links hätten paar Zentimeter mehr das Bild besser atmen lassen und den Designern mehr Freiheiten gegeben. Trotzdem sicher ein Renner als Stockfoto.
Die Babyschuhe auf dem Babybauch sind technisch gut umgesetzt. Das Motiv ist in den Bildagenturen jedoch zuhauf vorhanden, es konkurriert also mit vielen ebensoguten Bildern. Etwas störend wirkt hier, dass der Hintergrund nicht rein weiß ist, sondern z.B: rechts am Bauch in leichtes Gelb überläuft.
Gleiches gilt für das Foto des lesenden Mädchens. Die Freistellung an den Füßen des Mädchens kann in Photoshop verbessert werden. Auch der Buchtitel sollte retuschiert werden, damit es für mehr Käuferschichten relevant ist. Inhaltlich ist das Bild gut gelungen. Ich bin mir jedoch sicher, dass z.B. istockphoto das Bild allein wegen „zuviel freier Fläche“ ablehnen würde. Die haben da einen extra Textbaustein für, wie hieß der noch?
Das letzte Bild ist ein dunkles Mädchenportrait. An sich schön, sowohl Gesicht als auch Foto, aber ich finde, es sieht stark nach „ein Mal durch ‚Portrait Professional‘ “ gejagt aus. Die Haut wirkt zu glattgebügelt und der Gesichtsausdruck des Mädchens lässt sich nicht so leicht deuten. Kann sich verkaufen, aber garantiert nicht so gut wie die Oma oder die Familie oben.
Okay, was meint ihr zu den Fotos? Teilt ihr meine Meinung oder seid ihr anderer Ansicht?
Wer von mir auch kostenlos Tipps haben will, ob seine Fotos „stocktauglich“ sind, kann gerne ebenfalls mitmachen.
Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kurze Mail, in der ihr Euch vorstellt, z. B. wie lange ihr Fotos macht, mit welcher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos verkauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-Branche vorhabt.
– Wenn ich ausreichend Zeit habe für Bildbesprechungen, bitte ich Euch, mir 5–10 Bilder in kleiner Auflösung zu schicken.
– Diese werde ich dann in einem Blogbeitrag wie diesem veröffentlichen (auf Wunsch auch anonym) und meine Kommentare abgeben aus Business-Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, sondern wie verkäuflich das Foto sein könnte oder wie es verkäuflicher gemacht werden könnte.
Kritisch, ehrlich, subjektiv.
Bei dem kleinen Jungen auf der Bank (mit und ohne Mama) find ich, dass der Himmel, bzw. eigentlich der ganze Hintergrund extrem reinretuschiert wirkt.
Irgendwas passt da nicht.
Sonst ist die Omma mein klarer Favorit. Da passt auch die ganze Ausstrahlung, finde ich.
Am Bild der alten Dame stört mich, dass das Gesicht im Gegensatz zur Erdbeere ein klein wenig unscharf erscheint. Immerhin schaut der Betrachter immer zuerst in die Augen bzw. auf das Gesicht.
Das mit der Unschärfe gilt auch für „Vater mit lachendem Sohn“.
Das letzte Bild, Portrait des Mädchens, sieht einfach nur „ekelig“ aus. Für eine Werbung in der Apothekenrundschau zum Thema Rerisekrankheit vielleicht geeiget. Aber sonst zu viel ge-photoshoppt.
Der Baggerfahrer ist doch sicher ein Modellmännchen, das im Massstab 1:100 o.ä. vor einer richtigen Baustelle platziert wurde?
Der Jüngling im Anzug ist nicht nur zu glatt, sondern sollte auch nochmal Krawatte binden üben. Dann noch einmal bei H&M nach der richtigen Größe für das Sakko schauen. Bitte!
Ansonsten finde ich die ältere Dame sehr gut gelungen. Fast zu schön für ein Stock-Foto 😉
skip
@skip: Ich glaube eher nicht, dass der bagger nur ein Modell ist. Dafür sieht er zu „mitgenommen“ aus, finde ich.
ich finde das Baggerbild interessant 😉
beim ersten Hingucken, hab ich nicht mal an ein Modell gedacht…, aber nach skips Hinweis hab ichs mir nochmal angeschaut und würd schon eher auf ein Modell tippen.
Ansonsten ist die Oma echt top xD … der Junge auf der Bank ist auch nett gemacht, aber ich finde, links hätte ruhig etwas mehr ‚leerer Raum‘ sein können.
Vllt löst ‚Bilderquelle‘ das Rätsel ja auf mit dem Bagger. 😉
Hallo Robert,
und natürlich auch Annette, Teatime und skip. Dir Robert vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen dir meine Bilder einmal etwas genauer anzuschauen und sie hier in deinem Blog einer fachmännischen Analyse zu unterziehen.
Bei manchen deiner Kritikpunkte fiel es mir wie Schuppen von den Augen bei anderen wäre ich im Leben nicht darauf gekommen (wer hätte gedacht das es bei dem „Business Freisteller“ besser gewesen wäre einen Stylisten bzw. dich am Set zu haben :D). Natürlich möchte ich mich neben den Anregungen auch für das ausgesprochene Lob bedanken.
Auch bei Annete, Teatime und skip möchte ich mich für die Anregungen bedanken.
Zu der Frage die bezüglich dem …„Bagger(?)“ (ich dachte mir damals beim verschlagworten schon, dass die genaue Bezeichnung des „Dings“ nützlich wäre) aufkam.
Robert hat recht es handelt sich dabei um kein Model. Die Spuren daran sind nicht aufgemalt sondern rühren vom harten „Bagger(?)“-Alltag her. 😉
Der leicht künstliche Look wirkt im Original nicht so stark wie in dem kleingerechneten JPG hier und rührt daher, dass ich eine radial weichgezeichnete Kopie des Bildes auf eine zweite Ebene legte und auf dieser den Bagger ausmaskiert habe.
Vielen lieben Dank nochmal für die vielen Tipps und Anregungen die du mir auf diesem Wege hast zukommen lassen.
LG
die
bilderquelle
Ach, noch eine Ergänzung zu den Bauhelmen. Das hatte ich auch schonmal nachretuschiert und in Echt sind die Farben nicht so stur verteilt.
Die meisten Firmen passen die Helmfarbe inzwischen den Logo- bzw. CD-farben an. Da kann es schon mal ziemlich bunt aussehen auf der Baustelle. Das mit weiß = Architekt und gelb = Bauarbeiter würd ich also nicht so eng sehen.