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Die Microstock-​Industrie im Jahr 2011 – Teil 2: Die Anbieter-Seite

Vor eini­gen Wochen ver­öf­fent­lich­te mein geschätz­ter Microstock-​Kollege Kzenon in sei­nem emp­feh­lens­wer­ten Blog eine Artikel-​Serie über die Lage der Microstock-​Industrie auf eng­lisch. Mit sei­ner freund­li­chen Genehmigung ver­öf­fent­li­che ich in mei­nem Blog sei­ne Serie von mir ins Deutsche über­setzt. Letztes Mal gab es den ers­ten Teil, heu­te folgt der zwei­te Teil:

Im ers­ten Teil des Artikels haben wir uns ange­schaut, wie die Microstock-​Industrie heu­te aus­sieht. Aber was bedeu­tet das? Es gibt, abhän­gig von dei­ner Funktion und Position im Markt, ver­schie­de­ne Antworten. Lass uns zuerst die Anbieterseite anschau­en. Für die Anbieter und Fotografen gibt es vie­le Konsequenzen.

  1. Um zu „über­le­ben“, müs­sen die Kontributoren bes­se­re Inhalte pro­du­zie­ren. „Besser“ wird hier in einem wei­ten Sinne benutzt, ich mei­ne damit nicht nur die visu­el­le Qualität eines Bildes – Fotografen lie­ben es, sich dar­auf zu kon­zen­trie­ren. Ich mei­ne auch, dass ein Bild ein Konzept rüber­brin­gen muss und die Beschreibung und die Suchbegriffe hat, um das Konzept so zu ver­ba­li­sie­ren, dass es von den Suchmaschinen, Ranking-​Algorithmen der Bildagenturen und den Kunden, die danach suchen, ver­stan­den wird. Anbieter müs­sen nicht nur Fotografie ver­ste­hen, son­dern auch eine Agentur (und deren IT-​System), dass sie wie Luft behan­delt, einen Kunden, den sie nicht ken­nen und ein Thema (in den Bildern), das nicht ihres ist. Kurz: Sie müs­sen viel bes­ser wer­den, Gleichungen mit vie­len unbe­kann­ten Variablen zu lösen.

  2. Anbieter müs­sen mehr Inhalte pro­du­zie­ren und in der Lage sein, die­se Inhalte durch die Vermarktungskette zu schleu­sen. Sie wer­den sehr sorg­fäl­tig ent­schei­den müs­sen, ob sie alles selbst machen wol­len oder ob es nicht klü­ger wäre, ande­re Leute eini­ge Aufgaben über­neh­men zu las­sen, ent­we­der aus qua­li­ta­ti­ven oder öko­no­mi­schen Gründen. Um das zu ent­schei­den, müs­sen sie sich ihrer benutz­ten Prozesse bewusst wer­den, die­se ver­schlan­ken und so zu gestal­ten, dass sie extern aus­ge­la­gert wer­den kön­nen. Anbieter müs­sen wirt­schaft­lich arbei­ten und wie eine Firma agieren.

  3. Wie bei jeder Firma wird die Fähigkeit es wich­ti­ger, schnell zu han­deln und sei­ne Ressourcen rich­tig ein­zu­set­zen. Microstock ist ein Spiel, wo die Anbieter erst das Geld auf den Tisch legen, ohne zu wis­sen, ob sie von die­ser Investition pro­fi­tie­ren wer­den. Je mehr pro­du­ziert wird, des­to mehr Ressourcen müs­sen benutzt wer­den. Das ist eine finan­zi­el­le und eine logis­ti­sche Frage. Für die meis­ten neu­en Fotografen liegt der Schwerpunkt auf der ers­ten Frage, für die eta­blier­ten Fotografen auf der zwei­ten Frage.

  4. Anbieter müs­sen den Markt noch genau­er beob­ach­ten. Heute arbei­ten immer noch vie­le Fotografen ohne jeg­li­che Marktrecherche oder pro­du­zie­ren ihre Motive nach dem Grundsatz „Einfach foto­gra­fie­ren und sehen, was passiert“.

  5. Die bes­ten Microstock-​Fotografen könn­ten ver­su­chen, den Markt nicht nur zu beob­ach­ten, son­dern ihn auch zu ent­wi­ckeln, bestimm­te Stile und Moden umzu­set­zen und die­se zu bewer­ben. Sie kön­nen Marktführer wer­den, denen ande­re fol­gen und die kopiert wer­den. Das pas­sier­te in der Vergangenheit bei eini­gen wie Yuri Arcurs‘ Stil der Business-​Fotografie und den wei­ßen 3D-​Männern von Ioannis Kounadeas. Selbst wenn das nicht für jeden funk­tio­nie­ren wird, ist es einen Versuch wert. Auf die­sem Weg kön­nen Anbieter ihr eige­nes Markenzeichen wer­den und ihr Stil kann erkannt und aktiv danach gesucht wer­den, sprich: Designer book­mar­ken sich deren Portfolios. Das ist offen­sicht­lich eine gute Position für die Anbieter. Solche Anbieter wer­den der Porsche der Automarken sein und dadurch mehr ver­kau­fen in einem Markt, wo die Unterscheidung durch den Preis schwie­rig ist.

Es wird auch wei­ter­hin die Art von Anbietern geben, die ein­fach die Fotos ihrer Haustiere zu den Bildagenturen hoch­la­den und sie wer­den paar Euro ver­die­nen. Aber sie wer­den nicht den Markt beein­flus­sen oder genug pro­du­zie­ren, um auf einem pro­fes­sio­nel­len Level zu arbeiten.

Nachdem das gesagt wur­de, blei­ben eini­ge Fragen offen und ich geste­he, dass ich bis jetzt kei­ne kla­ren Antworten dar­auf habe.

  1. Sollten Fotografen nicht­ex­klu­siv oder exklu­siv anbie­ten? Die Frage wur­de woan­ders aus­gie­big dis­ku­tiert mit kei­nem kla­ren Ergebnis. Ich möch­te der Diskussion einen wich­ti­gen Punkt hin­zu­fü­gen: Von den Agenturen, die es wert wären, exklu­siv belie­fert zu wer­den, wickeln eini­ge alle ihre Finanztransaktionen in US-​Dollar ab. Für die meis­ten Anbieter außer­halb der USA birgt das ein unkal­ku­lier­ba­res Wechselkurs-​Risiko. Der US-​Dollar wird wahr­schein­lich in Zukunft wei­ter gegen­über ande­ren Währungen an Wert ver­lie­ren und ist tat­säch­lich schon so weich gewor­den wie die Währung einer Bananenrepublik. Deshalb: Anbieter wür­den dann nicht nur alle Eier in einen Korb packen, son­dern auch noch unsi­cher über die Größe des Korbes sein.

  2. Wenn sich ein Anbieter für Nicht-​Exklusivität ent­schei­det, soll­te er ver­su­chen, so vie­le Agenturen wie mög­lich zu belie­fern oder lie­ber eine Auswahl vor­neh­men? Während der ers­te Impuls wahr­schein­lich ist, sei­ne Bilder über so vie­le Kanäle wie mög­lich zu ver­kau­fen, gibt es nichts­des­to­trotz zwei Dinge zu berück­sich­ti­gen. Erstens zahlt es sich nicht aus, über­all anzu­bie­ten. Es gibt Agenturen, die so wenig ver­kau­fen, dass der Aufwand der Belieferung in kei­nem Verhältnis zum erziel­ten Gewinn steht. Zweitens soll­te über die – nicht so offen­sicht­li­che – Möglichkeit der Kannibalisierung und Marktpositionierung nach­ge­dacht wer­den. Einige Agenturen bie­ten ihre Inhalte so bil­lig an und sehen so schä­big aus, dass es dem Image eines Anbieters, sei­nem Portfolio und sei­nem RPI scha­den kann, dort gefun­den zu werden.

Wohin füh­ren die­se Überlegungen? Anbieter wer­den weni­ger Fotografen und mehr Geschäftsleute wer­den. Diese Entwicklung wird – das soll­te bemerkt wer­den – nicht aktiv von den Agenturen unter­stützt; andern­falls hät­ten sie ande­re Mitgliedsbereiche auf ihren Webseiten. Nichtsdestotrotz ist es unver­meid­bar. Diese Aufgabe kann nicht von allen Anbietern bewäl­tigt wer­den, des­halb wird sich der Markt wei­ter dif­fe­ren­zie­ren: Eine dicke Masse von Fotografen, die nur manch­mal was hoch­la­den, eini­ge, die in der Mitte kämp­fen und eine dün­ne Sahneschicht von Profis an der Spitze. Wähle jetzt dei­nen Bereich.

Im nächs­ten Teil der Serie wol­len wir uns die Aufgaben aus Agentursicht anschauen.