Eine Berliner Fotografin schrieb mir vor zwei Monaten folgendes:
„hallo robert,
seit geraumer zeit bin ich begeisterter fan deiner blogseite. viel wissenswertes habe ich gelesen und mit freuden deine bilder angesehen.nun habe ich ein kleines „problemchen“, wozu ich nichts im netz finden konnte und deshalb wage ich es einfach, dich zu fragen 😉
eine kundin möchte die im shooting entstandenden raw dateien käuflich erwerben.
ich fand diesen wunsch ziemlich merkwürdig und dachte, sie meint sicher die jpg dateien. weit gefehlt, sie möchte tatsächlich die raw dateien auf cd, um damit ein fotobuch zu kreieren nach ihren wünschen und ihrem künstlerischen anspruch.nun bin ich etwas ratlos… verkauft man seine raw dateien eigentlich? das ist ja, als ob man früher seine negative aus der hand gegeben hätte, was mir nie im traum eingefallen wäre. oder ist das im digitalen zeitalter kein so abwegiger gedanke mehr…?
vielleicht hast du dazu eine idee, einen ratschlag oder schon mal etwas vergleichbares gehört oder gelesen.“
Ich antwortete ihr:
„Dein ‚Problem‘ kann von zwei Seiten betrachtet werden und in beiden Fällen ist der Vergleich mit einer RAW-Datei als (digitales) Negativ sinnvoll.
Zum einen lieferst Du damit Dein Arbeitsmaterial aus, gibst sozusagen das Negativ und damit die künstlerische Kontrolle aus der Hand. Wenn Du das
akzeptieren kannst, fein, dann verkaufe die RAW-Dateien. Du solltest nur überlegen, ob Du damit leben kannst, wenn der Kunde die RAW-Dateien eventuell „verunstaltet“ und Du dafür mit Deinem Namen gerade stehen willst. Oder Du verkaufst sie und bestehst darauf, dass Dein Name als Fotografin nicht genannt wird.
Auf der anderen Seite ist eine RAW-Datei zwar ein Negativ, aber da es digital ist, gibst Du kein Unikat aus der Hand wie es früher der Fall
gewesen wäre, sondern nur eine Kopie. Bis vor einer Weile habe ich meinen Models auch immer eine Foto-CD mit den JPG-Daten und den RAW-Daten
mitgegeben, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass die meisten Models mit den unbearbeiteten RAWs nix anfangen konnten.
Im Endeffekt liegt die Entscheidung wieder bei Dir…“
Eine Umfrage unter ca. 250 Fotografen in einem Thread im Model-Kartei-Forum ergab, dass ca. 72% der Fotografen die RAW-Daten nie herausgeben, 20% auf Anfrage und 8% immer.
Wie handhabt ihr das? Aus welchen Gründen gebt ihr Eure RAW-Dateien heraus oder eben nicht und wie sind die Reaktionen darauf?