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Der Widerspruch zwischen Originalität und Verkäuflichkeit

Immer wie­der heißt es von Bildagenturen und bei Bildkäufern: „Wir wol­len krea­ti­ve und ori­gi­nel­le Bildideen“ oder „Wir suchen ‚ech­te Menschen‘, kei­ne Models“.

Aber wenn ich mir mei­ne Verkäufe anschaue, domi­nie­ren die klas­si­schen Motive: Business-​Leute am Handy, Daumen hoch, Händeschütteln und so wei­ter. Ja, ich ver­kau­fe sogar noch rela­tiv neue Fotos von lachen­den Frauen mit Headset, obwohl jede Microstock-​Agentur davon min­des­tens 10.000 tech­nisch per­fek­te Motive in allen Varianten hat. Da gibt es einen Widerspruch.

In den Kommentaren zu mei­ner Fotosession mit vier jun­gen Frauen klang der Vorwurf an, dass die­se Bilder nicht ori­gi­nell sei­en. Ich zitie­re: „…irgend­wie nur Kopien von Kopien die­se Kopien, oder?“ Vollkommen zutref­fend. Ich wür­de nie behaup­ten, dass ich mit die­sen Fotos die Bildsprache um eine neue Facette berei­chert hätte.

Umso erstaun­ter war ich, dass sich die Fotos bei Fotolia, Dreamstime, BigStock, 123rf (bei Shutterstock sowie­so) usw. teil­wei­se sogar nur weni­ge Stunden nach dem Freischalten ver­kauft haben – mehr­mals. Das ist selbst bei mir nicht üblich.

Ähnliche Beobachtungen macht auch Stephen Gibson in sei­nem lesens­wer­ten Blog-​Beitrag „The Ten Commandments of Microstock Photography“ unter Punkt 6 und in den Kommentaren. Die Käufer suchen immer neu­es Material, aber wenn es hart auf hart kommt, gehen sie lie­ber auf Nummer Sicher und kau­fen die Motive, die schon hun­der­te ande­re Firmen vor ihnen gekauft haben.

Trotz der hän­de­rin­gen­den Appelle der Bildagenturen ist es auch nicht ein­fach, unge­wöhn­li­che Bilder in das Portfolio zu krie­gen. Vor allem bei Microstock-​Agenturen wird bevor­zugt abge­lehnt, was nicht dem typi­schen „In die Kamera lächeln“ ent­spricht. Obiges Foto ist ein Beispiel, aber auch vie­le ande­re Foto, auf denen Dinge – absicht­lich – das Gesicht ver­de­cken, haben viel gerin­ge Chancen, ange­nom­men zu wer­den. Vor eini­gen Wochen tele­fo­nier­te ich mit einem Bildagentur-​Mitarbeiter, der sich Fotos von jubeln­den Menschen wünsch­te – aber von hin­ten auf­ge­nom­men. Das gäbe es kaum. Kein Problem, habe ich umge­setzt. Nur wur­de das Foto über­durch­schnitt­lich oft wegen „gerin­ger Verkaufschancen“ abgelehnt.

Ich ver­mu­te, der Knackpunkt ist fol­gen­der:

Das Bildagentur-​Geschäft ist ein Massenmarkt. Je nied­ri­ger die Preise sind, des­to wich­ti­ger ist es für Fotografen, ein Foto mög­lichst häu­fig zu ver­kau­fen. Die Kunden haben sich an Preise ab ein Euro gewöhnt, was dazu führt, dass auch mehr Bilder ins­ge­samt gekauft wer­den. Für die meis­ten Zwecke fin­den sich auch aus­rei­chend Motive – zahl­rei­che Billigzeitschriften am Kiosk, die aus­schließ­lich mit Fotos aus einem Bilder-​Abo gespeist wer­den, bewei­sen das. Aber wenn dann ein sel­te­nes, ver­rück­tes Bild gesucht wird, fin­den die Käufer es nicht in den Microstock-​Agenturen und ver­lan­gen nach fri­schen, unge­wöhn­li­chen Bildideen – zu Microstock-Preisen.

Dabei ist es manch­mal viel­leicht ein­fa­cher, mit dem gespar­ten Geld einen Auftrag an einen Fotografen zu ver­ge­ben. Die Outtakes wer­den dann an Bildagenturen gelie­fert, dort… ach nein, das gab es ja schon mal.

Was meint ihr? Was sind Eure Erfahrungen mit unge­wöhn­li­chen Bilder und Käuferwünschen?