Aller Anfang ist schwer. Deswegen biete ich Fotografen in meiner Rubrik „Pimp My Stock!“ an, mir ihre Fotos zu schicken, damit ich sie hier auf ihre Tauglichkeit für Bildagenturen bewerten kann. Das heißt, ich kommentiere nicht, ob ich ein Foto schön finde, sondern ob und warum es sich gut verkaufen könnte.
Dieses Mal hat mich „Kaubo“ um Rat gebeten. Er ist Mitte 40 und hat früher viel als Hobby fotografiert. Seit sechs Monaten widmet er sich der digitalen Fotografie mit der Canon 400D und einigen Objektiven. Er selbst beschreibt seine Motive so: „Ich fotografiere (bisher) eher „tote“ Gegenstände (Architektur, Industrie, Kunst, Technik, Marodes etc.) allerdings auch Natur und Tiere, allerdings weniger Motive aus Deinem Spezialgebiet ‚Menschen‘.“
Die Stockfotografie ist völliges Neuland für ihn. Den Motiven merkt man das leider noch an. Fangen wir an:
Aus irgendeinem Grund, den ich als Landratte nicht ganz nachvollziehen kann, lieben Fotografen Schiffe. Vor allem riesige Schiffe. Tanker und so. Zugegebenermaßen verstehe ich den Reiz der Technik, des Metalls und der ganzen Kabel, Knöpfe, Masten und Balken, aber ich wohne zu weit vom Meer entfernt, um eine Affinität zu den Meeresfahrzeugen aufzubauen. Ist vielleicht besser so, denn die Bildagenturen sind überschwemmt mit solchen Fotos. Eine Bildagentur hatte sogar eine Zeitlang Tanker und andere Frachtschiffe auf ihrer Liste der „nicht benötigten Motive“. Das Foto hier ist technisch einwandfrei, aber nicht spektakulär und wird es im Verkauf schwer haben.
Gleiches gilt für dieses Foto. Dazu kommt, dass der Himmel nicht so stocktauglich ist. Warten auf einen strahlend blauen Himmel (eventuell mit paar Schäfchenwolken wie oben) ist verkaufsfördernd. Wer darüber nachdenkt, merkt schnell, warum Fotos von kleinen Yachten und Personenbooten verkäuflicher sind als Frachtschiffe. Eine Yacht ist ein Symbol für Reichtum, Freiheit, Erfolg und so weiter. Vielseitig einsetzbar. Der Kundenkreis, der Fotos von Frachtschiffen benötigt, ist deutlich geringer.
Wer ein solches Motiv vor paar Wochen zu Beginn der Presseberichte über die Mißbrauchsfälle in der Katholischen Kirche den Bildagenturen geliefert hätte, hätte gute Chancen auf Verkäufe gehabt. In diesem konketen Fall ist die Freistellung jedoch nicht so gut gelungen, was vermutlich an einem zu dunklen Hintergrund lag. Deutlich erkennbar ist das am oberen Ende der Handschellen. Auch die Bibel ist links zu zerfleddert und das Kreuz auf dem Buchdeckel fällt zu wenig auf. Das hätte z.B. mit Photoshop korrigiert werden können. Noch besser: Eine andere Bibel nehmen.
Mit den richtigen Suchbegriffen wie „Abenteuer, Urlaub, Wanderung, Verbindung, Richtung, Weg, Pfad“ etc. ist das ein Motiv, was für Bildagenturen geeignet ist. Die Farben könnten noch etwas satter sein, vom Bildaufbau ist das Foto der Brücke aber schon sehr gelungen.
Das Foto der Müllcontainer ist ein Fall für den redaktionellen Bereich. Beim Ranzoomen an die Schilder auf den Containern und am Baum vorne sind bestimmt Begriffe zu lesen, die problematisch wären. Für ein Werbefoto ist das Bild leider auch nicht plakativ genug. Hilfreich wäre vielleicht auch ein Beschnitt des Fotos mit Fokus auf den linken Container. Wenn dann noch die Schilder vorne digital entfernt werden, ist das Bild zumindest für die Themenbereiche Abfall, Mülltrennung, Recycling etc. passend.
Oh, wie niedlich. Es gibt viele gute Fotos von Waschbären, aber deutlich weniger von Waschbären beim Waschen. Seltsam, oder? Getty Images zeigt bei der Anfrage „Waschbär waschen“ nur zwei Bilder. Trotzdem wird das Bild insgesamt nicht so hohe Verkaufschancen haben, weil der Bedarf nach diesem Motiv nicht so groß ist. Dazu kommt, dass der Hintergrund erkennbar keine „natürliche“ Umgebung ist, sondern Siedlungsgebiet. Das senkt das Interesse von Werbeagenturen. Um wenigstens paar Verkäufe mitzunehmen, empfehle ich, mindestens auch den lateinischen Namen bei den Suchbegriffen mit anzugeben.
Schon besser. Zwar waschen diese Waschbären sich nicht, aber das Foto ist universeller nutzbar, weil es niedlicher ist. Außerdem ist ein Foto von drei Waschbären deutlich seltener als eins. Keine Ahnung, ob es biologisch korrekt wäre, aber Suchbegriffe wie „Familie“ und „Zusammenhalt, Nähe, Geborgenheit, Wärme“ etc. wären passend und verkaufsfördernd. Dazu kommt, dass die Beleuchtung auch sehr gut gelungen ist und das Fell der Tiere durch das Seitenlicht schön plastisch wirkt.
Zum Schluss mich ich nach dem tollen Tierfoto leider noch mal pessimistisch werden. Dieses Motiv gibt es zuhauf, in unzähligen Varianten und oft mit schöneren Baumstämmen. Da mache ich keine Hoffnung, dass es häufig verkauft wird. Wer es jedoch schafft, dieses Motiv konkreter mit dem Themenbereich „Forstwirtschaft“ zu verbinden, indem z.B. die Enden der Stämme mit Ziffern markiert sind o.ä. hat vielleicht noch Chancen.
Was sagt ihr zu den Fotos? Teilt ihr meine Einschätzungen?
Wer von mir auch kostenlos Tipps haben will, ob seine Fotos “stocktauglich” sind, kann gerne ebenfalls mitmachen.
Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kurze Mail, in der ihr Euch vorstellt, z. B. wie lange ihr Fotos macht, mit welcher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos verkauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-Branche vorhabt.
– Wenn ich ausreichend Zeit habe für Bildbesprechungen, bitte ich Euch, mir 5–10 Bilder in kleiner Auflösung zu schicken.
– Diese werde ich dann in einem Blogbeitrag wie diesem veröffentlichen (auf Wunsch auch anonym) und meine Kommentare abgeben aus Business-Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, sondern wie verkäuflich das Foto sein könnte oder wie es verkäuflicher gemacht werden könnte.
Kritisch, ehrlich, subjektiv.