Vor wenigen Tagen präsentierte die deutsche Bildagentur Panthermedia in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen vAIsual die „synthetische Portrait Kollektion“, das heißt, eine Sammlung von Portraitbildern, welche durch einen Computer erzeugt wurden.
Über die dahinter liegende Technik hatte ich im September 2019 etwas ausführlicher in dem Artikel „100.000 kostenlose computergenerierte Portraits: Das Ende der Model-Fotografie?“ berichtet. Gut zwei Jahre später scheinen also einige meiner damaligen Gedankenspiele Realität zu werden.
Aktuell umfasst die Kollektion ca. 400 Bilder, es sollen aber bei 1000 Bilder sein. Die Auswahl der durch eine KI (Künstliche Intelligenz) erzeugten Bilder muss noch manuell vorgenommen werden, „da nicht alle generierten Bilder marktfähig sind“, wie Panthermedia-Geschäftsführer Tomas Speight sagt. Wer durch die Kollektion stöbern will, kann auf der Panthermedia-Webseite in der Kopfzeile auf „Synths“ klicken.
Die Portraits werden wahlweise vor einem weißen oder einem grünen Hintergrund angeboten. Später sollen auch Bilder aus anderen Themenbereichen folgen. Mit aktiv in der KI-Firma vAIsual sind übrigens die Stock-Veteranen und Branchenkenner Mark Milstein und Lee Torrens.
Die Bilder sind aktuell nicht in Abonnements oder Bildpaketen erhältlich. Sie sind in zwei Größen erhältlich, die Web-Größe kostet zur Zeit 29,90 Euro, die Größe XXL 69,90 Euro, wobei XXL hier auch nur gut 2 Megapixel bedeutet, was die Nutzungen im Print-Bereich noch etwas einschränkt.
Das Hauptkriterium für die Entscheidung, ein künstliches Bild zu nutzen, soll laut Panthermedia der nicht mehr notwendige Modelvertrag sein:
„Neben dem faszinierenden Kunstaspekt ist der Hauptvorteil von KI-generierten Bilder, dass keine Model-Releases erforderlich sind. Die gezeigten Personen existieren in der Realität gar nicht. Die Fotos haben somit keine der Einschränkungen wie sie in Bezug auf die Abbildung von realen menschlichen Modellen bestehen. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für eine sichere Nutzung bei sensiblen Inhalten, beispielsweise aus den Bereichen Pharma, Medizin und andere sensitiven Themen, die traditionell nicht von Model-Release-Bildern abgedeckt werden.
Auch bei redaktionellen Themen ist dies ein großer Vorteil im Hinblick auf die Rechte abgebildeten Personen nach der DSGVO. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass diese KI-generierten Bilder als Set für das Training anderer KI-Anwendungen lizenziert werden können.“
Daher gelten für die Bildnutzung auch die aktuellen Panthermedia-Nutzungsbedingungen mit der Ausnahme, dass eine Bandbreite an „Sensitive Issues“ zugelassen ist.
Offene Fragen
Mit diesem Quantensprung tauchen nun auch neue rechtliche und moralische Fragen auf, die sich vermutlich erst nach einer Weile klären lassen werden.
Wie schon in meinem Artikel von vor zwei Jahren erwähnt, sind hier vor allem das Persönlichkeitsrecht und das Missbrauchspotential zu erwähnen.
Selbst wenn die Portraits digital erstellt wurden, können sie trotzdem Bilder generieren, die echten, real existierenden Personen sehr ähnlich sehen. Auch wird es mit solchen Bildern für Betrüger und Scammer leichter, sich einen persönlichen Anstrich zu geben, aber trotzdem anonym zu bleiben.
Und wer hat das Urheberrecht, wenn die Bilder digital von einer Maschine erzeugt wurden? Was passiert also, wenn jemand diese Bilder ohne Bezahlung benutzen würde? Kann die Agentur Nutzungshonorare einklagen?
Gefahr für Fotografen?
Vor zwei Jahren war ich entspannt, dass der aktuelle Stand der Technik Stockfotografen nicht gefährlich wäre. Das gilt mittlerweile nur noch mit Einschränkungen. Zum einen hat sich die Bildauflösung von 1 auf 2 Megapixel verdoppelt. Das ist absolut gesehen zwar immer noch recht wenig, aber schon eine deutliche Steigerung.
Weggefallen ist nun jedoch offensichtlich die Einschränkung, dass die generierten Portraits nicht kommerziell genutzt werden dürfen, was die Bedrohung für Portraitfotografen massiv steigert.
Für Stockfotografen bleiben auch im Portraitbereich zwar noch sehr viele Bereiche, welche die KI aktuell nicht abdecken kann, aber ich vermute, dass diese Bereiche im Laufe der Zeit weiter schrumpfen werden.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist aktuell, dass die Verschlagwortung momentan mehr als dürftig ist: So enthält das obige Bild nur die neun Suchbegriffe:
„adult, female, girl, half length, model, release, required, woman, young“
Diese widersprechen sich einerseits (girl/adult) und sind auch nicht sehr akkurat (young) und wichtige andere Schlagwörter wie die Ethnie, der Gefühlsausdruck und so weiter fehlen völlig. Das kann sich mit etwas Motivation seitens der Bildagentur jedoch schnell ändern.
Was sagt ihr zu der neuen Kollektion?