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Pimp My Stock: Bildbesprechungen von Stockfotos 53

Heute gibt es wie­der eine neue Folge von „Pimp My Stock!“. Hier beur­tei­le ich Bilder von Leserinnen und Lesern auf ihre Verkaufschancen und gebe Tipps zur Verbesserung.

Matthias schrieb mir die­se lan­ge, aber den­noch span­nen­de Mail:

Lieber Robert,

mein Name ist Matthias, 34, und eigent­lich arbei­te ich auf der „ande­ren Seite“, ich lei­te näm­lich die Vertriebsmarketingabteilung eines Medienhauses. Wir arbei­ten dort auch sehr viel mit Stockfotos, aber auch eige­nen Fotoproduktionen, wenn wir unse­re Werbemittel ent­wi­ckeln (wir machen fast alles inhouse und nicht mit Werbeagenturen). Ich bin also was Werbung und Marketing betrifft durch­aus Profi und arbei­te seit 17 Jahren in dem Bereich, kom­me aber mehr von der Konzepter- und mitt­ler­wei­le Managementseite. Wobei es wirk­lich Vorteile hat auf bei­de Seiten zu schau­en und man ent­wi­ckelt ein grö­ße­res Verständnis.

Vor drei Jahren ist mein Sohn gebo­ren, was ich kurz vor­her zum Anlass genom­men habe mir eine Canon 650D zu kau­fen, ich woll­te ein­fach mehr als Handyfotos haben. Irgendwann habe ich mich dann auch mal inten­si­ver mit Blende und Co aus­ein­an­der­ge­setzt, Fotokurse besucht, TfP-​Shootings gemacht und Youtube-​Tutorials auf­ge­saugt. Als Adobe Adobe Stock so gepusht hat und das Lightroom PlugIn her­aus­ge­bracht hat, habe ich mich auch mit dem Stockbereich mal aus­ein­an­der­ge­setzt und habe ange­fan­gen mei­ne Fotos bei Adobe Stock /​ Fotolia anzu­bie­ten. Weniger um damit Geld zu ver­die­nen, son­dern ein­fach, damit mei­ne Fotos nicht nur auf der Platte lie­gen, son­dern ein biß­chen was von der Welt sehen. Das war auch unge­fähr der Zeitpunkt, als ich auf dei­nen Blog gesto­ßen bin und mir auch Dein Buch geholt habe. An der Stelle ein gro­ßes Danke schön dafür, dass Du Dein Wissen auch im Blog so frei­mü­tig teilst. Mir hat das sehr geholfen.

Seit unge­fähr vier, fünf Monaten habe ich einen gewis­sen Ehrgeiz ent­wi­ckelt, habe deut­lich mehr hoch­ge­la­den und bie­te mei­ne Fotos auch bei Shutterstock an, vor 2 Wochen Dreamstime und vor ein paar Tagen die „Bewerbung“ bei iStock.

Ich wür­de mich sehr freu­en, wenn Du in Deiner Rubrik „Pimp my Stock“ Dir auch mal mei­ne Fotos anschau­en könntest.

Vielleicht noch ein paar Rahmendaten, die, wie auch die gesam­te Mail, ger­ne ver­öf­fent­licht wer­den dür­fen, da ich es auch immer sehr inter­es­sant fin­de, wenn Du in Deinem Blog dar­über berichtest:

Seit Bilder online Abgelehnte Bilder Verkaufte Bilder Einnahmen Portfolio-​URL
Adobe Stock /​ Fotolia 22.6.2016 786 444 169 151,88 € https://stock.adobe.com/de/contributor/206563167/matthias
Shutterstock 11.7.2017 859 179 31 11,01 $ https://www.shutterstock.com/de/g/mlin
Dreamstime 11.9.2017 185 7 0 0 https://www.dreamstime.com/matthiaslindner7_info
iStock Gerade erst beworben

Die ers­ten Monate bei Adobe Stock habe ich nicht wirk­lich viel gemacht (die ers­ten 50€ waren erst im April 2017, nach knapp 10 Monaten zusam­men) und habe auch ein­fach Erfahrungen gesam­melt. Das erklärt auch die hohe Ablehnungsquote. Ich bin z.B. auf den Gedanken gekom­men, Schiefertafeln in Photoshop mit Text zu kom­bi­nie­ren („Herzlich Willkommen“, „Tagesmenü“, etc) und habe direkt mal 30–40 fer­tig gemacht und hoch­ge­la­den. Da war, glau­be ich, der Effizienzmanager in mir mehr am Werk als der Kreative. Adobe Stock war aber mit mei­ner Bearbeitung nicht zufrie­den und hat alle abge­lehnt. Sowas ist mir zwei, drei Mal passiert.

Mein Tipp für Anfänger: Wenn ihr etwas Neues aus­pro­biert, immer erst­mal nur ein oder zwei Bilder test­wei­se hochladen.

Auch ansons­ten habe ich in dem Bereich natür­lich Lehrgeld bezahlt. Meine ers­ten iso­lier­ten Objekte schau­en grau­sig aus, bei ein paar Bildern hab ich im fal­schen Farbprofil expor­tiert und es zu spät gemerkt oder bin im Nachhinein ein­fach mit der Bearbeitung nicht zufrie­den, und eigent­lich möch­te ich sie auch aus mei­nem Profil löschen. Jedoch ver­su­che ich gera­de erst­mal Masse auf­zu­bau­en. Und Übung macht bekannt­lich den Meister. Im Stockbereich muss man mitt­ler­wei­le glau­be ich ein­fach auch ein biß­chen Geduld haben und dran blei­ben. Man muss auch klar sagen, das ich oft tech­ni­sche Schwierigkeiten/​Ablehnungsgründe (Artefakte, Rauschen etc) habe, da ich mit einer Canon 650D und Kit-​Objektiven (18–55mm & 55–250mm) und ner 50mm Festbrennweite arbei­te. Solange man nicht zuhau­se unter kon­trol­lier­ten Bedingungen arbei­tet, kann das dann schon mal eng wer­den mit ISO und Co. Zu Weihnachten wer­de ich mir aber sel­ber ne Canon 5D Mark 3 oder 4 (mal schau­en was der Geldbeutel sagt) und das Canon 24–105mm Objektiv schenken.

Für 2018 habe ich mir vor­ge­nom­men, deut­lich geziel­ter zu arbei­ten und vor allem auch mit Models. Bisher war mir das ein­fach zu viel Aufwand, auch vor dem Hintergrund der tech­ni­schen Ausstattung und mei­ner Lernkurve. Ganz sicher sind mei­ne Bilder auch noch nicht werb­lich genug, son­dern sehr oft mehr Natur und Reisefotografie, oder es gibt die Motive bereits zu oft und bes­ser. Daher ver­su­che ich in letz­ter Zeit vor allem Sachen zu foto­gra­fie­ren, die für mich leicht mach­bar sind, es aber trotz­dem nicht über­all gibt. Im Fall mei­ner Heimat Rheinhessen sind das z.B. Sachen rund um das Thema Wein, Weinberge und roman­ti­scher Rhein und oft mit dem Keyword „Rheinhessen“. Das wird zwar sicher­lich sel­te­ner gesucht als „Toskana“, aber bei allen Bildbibliotheken gibt es dazu nur drei­stel­li­ge Suchtreffer.

Im Anhang fin­dest Du fol­gen­de Bilder in nied­ri­ger Auflösung, die Namen sind online spre­chen­der, ich habe jetzt nur vereinfacht:

Bingen Panorama – Mit 17 Verkäufen (Adobe) mein am häu­figs­ten ver­kauf­tes Bild, das ich per­sön­lich aber auf­grund des Dunst im Himmels und gene­rell der zu hef­ti­gen Bearbeitung gar nicht mal mehr mag.

Marktszene – Mit 10 Verkäufen (Adobe) mein dritt­häu­figs­tes Bild, mit dem ich eigent­lich ganz hap­py bin, viel­leicht habe ich es mir beim aus­sof­ten im Hintergrund etwas zu ein­fach gemacht.

Hyazinthen Willkommen – Noch gar nicht ver­kauft, aber ich mag es, und hab da eine gan­ze Serie in ver­schie­de­nen Arrangements von gemacht.

Fahrräder im Hafen – Noch gar nicht ver­kauft, aber ich mag die Szenerie und hab aus dem Hafen dort eine Menge Fotos mit gebracht, die Lichtstimmung und die alten Schiffe, das war echt toll.

Student schreibt in Notizbuch - Noch gar nicht ver­kauft und ich glau­be, das ein­zi­ge Bild mit einem erkenn­ba­ren Menschen und Release. Etwas lang­wei­lig, aber nun gut. Ich woll­te da vor allem tes­ten, wie das mit den Releases so funktioniert.

Schilf – Noch gar nicht verkauft.

Lavendelstrauß – Noch gar nicht ver­kauft, aber eines mei­ner per­sön­li­chen Lieblingsbilder.

Blattgold Porträt – Das Bild habe ich noch nicht online gestellt, mich wür­de aber Deine Meinung dazu inter­es­sie­ren. Taugt so etwas?

60s Porträt & 60s Sofaszene – Das sind Bilder aus einem frü­he­ren TfP-​Shooting, d.h. die sind nicht für Stock frei­ge­ge­ben, son­dern nur für nicht-​kommerzielle Veröffentlichung. Was ich übri­gens nicht mehr machen wür­de, son­dern immer direkt ein ver­nünf­ti­ges Release, weil ich die Fotos aus dem Shooting sehr mag und die ger­ne ver­kau­fen wür­de, viel­leicht spre­che ich noch­mal mit dem Model… Aber mich wür­de inter­es­sie­ren, wie Du die Chancen die­ser Fotos für Stock sehen würdest.

Nun ist die­se E‑Mail doch län­ger gewor­den, als gedacht, ich hof­fe Du legst es mir als das aus, was es ist: Begeisterung für das Thema.

Alles Gute und wenn Du es schaffst ein Feedback zu den Bildern zu geben auch schon mal vie­len Dank.

Viele Grüße, Matthias“

Nach die­ser sehr aus­führ­li­chen Einleitung wol­len wir uns direkt die Fotos von Matthias anschauen:

Diese Aufnahme von Bingen ist ein gelun­ge­nes Landschaftsbild und auch wenn dem Fotografen die hef­ti­ge Bearbeitung nicht so zusagt, sind gesät­tig­te Landschaftsfotos im Microstock-​Bereich stark gefragt, mehr dazu sie­he Folge 48.
Der Dunst kann übri­gens in Adobe Lightroom oder Camera Raw mit die­ser „Dunstfunktion“ redu­ziert wer­den, wenn das gewünscht ist.

Diese Marktszene eig­net sich zum Verkauf, weil sie zum einen das bun­te, fri­sche Gemüse in den Mittelpunkt rückt und trotz­dem das geschäf­ti­ge Treiben im Hintergrund erkenn­bar ist. Die feh­len­de Preise und nicht erkenn­ba­re Schilder und Menschen sor­gen für uni­ver­sel­le Anwendungsmöglichkeiten, die nicht auf eine bestimm­te Region beschränkt sind.

Der Weichzeichner hät­te in der Tat etwas sau­be­rer ein­ge­setzt wer­den kön­nen, aber die Entscheidung für den Einsatz war ins­ge­samt eine gute Wahl, weil das Bild sonst wegen erkenn­ba­rer Personen deut­lich schwe­rer in die Bildagenturen zu bekom­men wäre.

Hm, auf den ers­ten Blick wirkt das Bild ganz stim­mig, aber ins­ge­samt gibt es eini­ge Details, wel­che die Verkäuflichkeit ein­schrän­ken, Als ers­tes stört mich die Rolle Garn. Für mich gibt es da kei­nen Zusammenhang zum „Willkommen“-Konzept. Höchstens bei einem Arrangement zum Thema „Gartenarbeit“ könn­te er viel­leicht Vverwendung fin­den, aber als Willkommensgruß ist es das fal­sche Symbol. Das Herz hat auch nicht so recht die „typi­sche“ Herzform, wel es stark gestaucht ist. Den Vogel über dem gro­ßen W hät­te ich retu­schiert, weil er vom Text ablenkt und auch als irri­tie­ren­der Fleck wahr­ge­nom­men wer­den könn­te. Die Bearbeitung der Schatten ist auch nicht ganz ide­al. Zum Beispiel sieht man links, wie der Schatten am Bildrand schlag­ar­tig auf­hört. Insgesamt ein gutes Bild, was aber mit mehr Überlegung bes­ser umge­setzt wer­den könnte.

Dieses Bild vom Fahrrädern am Hafen über­zeugt mich lei­der nicht als Stockfoto. Es ist vor allem im Hintergrund viel zu unru­hig un die Form der Fahrradständer ist etwas unty­pisch, was irri­tiert. Insgesamt fehlt euch etwas das Konzept. Für „Gesundheit durch Fahrradfahren“ fehlt die Bewegung, für „Urlaub“ fehlt das Bunte, für „Hafen“ ist zu wenig vom Hafen zu sehen und so weiter.

Bei die­sem Mann mi Notizbuch gibt es foto­gra­fisch wenig aus­zu­set­zen. Die Vignettierung mag Geschmackssache sein, mir ist sie etwas zu stark. Der star­ke Anschnitt ver­hin­dert auch, dass Designer sich ggf. selbst den nöti­gen Anshchnitt crop­pen kön­nen, das schränkt also die Verkäuflichkeit ein. Zu über­le­gen wäre noch gewe­sen, ob etwas sicht­ba­rer Inhalt auf dem Notizblock das Bild mehr in eine Richtung gelenkt hät­te und somit die Verkäuflichkeit erhö­hen könn­te. Zwar ver­kauft sich „gene­ri­sches“ Material gut, aber zusätz­li­che kon­kre­te­re Varianten kön­nen bes­ser den „Long Tail“-Markt bedie­nen. Zum Beispiel macht es einen gro­ßen Unterschied, ob der Mann eine Skizze zeich­net (Künstler, Kunststudent), ein Haus oder Grundriss ent­wirft (Architekt), Zahlen (BWL-​/​Mathestudent) oder Text (Dichter, Journalist, gene­rell Lernen) schreibt.

Insgesamt ist der Look etwas dun­kel und farb­los, hel­le­re Kleidungs hät­te hier sicher geholfen.

Dieses Schilf-Bild hat sich noch nicht ver­kauft und ich mache dem Fotografen da auch wenig Hoffnungen. Schilf ist nicht die optisch anspre­chends­te Pflanze und auch die Nutzungsmöglichkeiten sind beschränkt. Dazu kommt, dass Käufer, wel­che die Vorteile von Schilf her­aus­stel­len wol­len, sicher Bilder ohne brau­ne Enden an den Blättern bevor­zu­gen wür­den. Kaum ins Gewicht fällt dann noch, dass oben links und rechts etwas unmo­ti­viert Teile wei­te­rer Schilfpflanzen ins Bild ragen und retu­schiert wer­den sollten.

Wie dem Fotografen gefällt auch mir die­ses Foto vom Lavendel. Es ist auch har­mo­nisch und schlicht gestal­tet, mit einer hel­len, ruhi­gen Fläche rechts als Textfreiraum, der Fokus liegt erkenn­bar auf dem Lavendel, der sich durch das Lila leicht vom Rest des Bildes abhebt. Zwar ist die Konkurrenz bei sol­chen Motiven hoch, aber das Foto kann optisch gut mithalten.

Das Portrait einer jun­gen Frau mit Blattgold im Gesicht. Hier stellt sich mir sofort die Frage: „Warum?“ Warum ist die Frau nackt und hat Blattgold im Gesicht?  Für ein „Fashion“-Bild ist das Licht etwas zu schlicht und die Frisur zu „nor­mal“ und das rest­li­che Make-​Up zu nüch­tern. Als posi­ti­ve Beispiele mögen hier Valua Vitaly* oder George Mayer* die­nen.
Wie oben schon erwähnt stört auch hier der nicht zu recht­fer­ti­gen­de Anschnitt oben an den Haaren. Die Verkäuflichkeit wür­de ich des­halb ins­ge­samt als gering einschätzen.

Bei die­sem 60s-​Portrait bin ich nur auf das Konzept gekom­men, weil der Fotograf es mir geschrie­ben hat. Ohne Hinweis hät­te ich nicht erra­ten, dass hier ein 60s-​Look gezeigt wer­den soll. Vielleicht liegt es aber auch ein­fach an mei­ner Unkenntnis. Davon abge­se­hen fin­de ich die Kontraste zu stark, da in den schwar­zen Haare kei­ne Zeichnung mehr zu sein scheint. Die Verwendungsmöglichkeiten für sol­che Motive sind auch gering. Für Friseure zu wenig Haare sicht­bar, für Make-​Up-​Firmen zu wenig und zu dezent geschminkt, für ande­re Branchen durch die Kunstblumen-​Deko im Vordergrund unbrauchbar.

Diese 60s-​Variante fin­de ich etwas gelun­ge­ner. Schnell ins Auge fällt jedoch der Hintergrund, was auf­grund der leich­ten Wiedererkennbarkeit für Agenturen auch ein Grund sein könn­te, nach einem Property Release zu fra­gen. Ich fin­de das Foto auch zu dun­kel und kühl, um ein gutes Stockfoto zu sein.

Insgesamt sind die Fotos tech­nisch und kom­po­si­to­risch gelun­gen, nur inhalt­lich soll­te etwas stär­ker an Konzepten gear­bei­tet wer­den, um eine Aussage klar rüber­zu­brin­gen. Bei eini­gen Bildern klapp­te das schon sehr gut, bei ande­ren ist Potential noch oben.

Wer eben­falls kos­ten­los mit­ma­chen und mir sei­ne Fotos für eine „Pimp My Stock!“-Folge schi­cken will, fin­det hier alle not­wen­di­gen Informationen.
Wie wür­det ihr die Fotos beurteilen?

Die Microstock-​Industrie im Jahr 2011 – Teil 1: Analyse

Vor eini­gen Wochen ver­öf­fent­lich­te mein geschätz­ter Microstock-​Kollege Kzenon in sei­nem emp­feh­lens­wer­ten Blog eine Artikel-​Serie über die Lage der Microstock-​Industrie auf eng­lisch. Mit sei­ner freund­li­chen Genehmigung ver­öf­fent­li­che ich in mei­nem Blog sei­ne Serie von mir ins Deutsche über­setzt. Los geht es heu­te mit dem ers­ten Teil:

Wenn Du ein Microstock-​Lieferant bist, ein Fotografenkollege oder ein­fach die Diskussion in den ein­schlä­gi­gen Foren ver­folgst, wirst Du die Klagen bemerkt haben über fal­len­de RPIs (Return per Image; Umsatz pro Bild), wach­sen­de Konkurrenz und gene­rell den Abwärtstrend der Industrie. Der Konsens scheint zu sein, dass frü­her alles bes­ser war.

Ist das so? Bis zu einem gewis­sen Grad: ja. Ist das schlecht? Nicht unbedingt.

Du soll­test wis­sen, dass es wirk­lich ein gol­de­nes Zeitalter für Microstock gab. Das war, als die Industrie jung genug war, um von pro­fes­sio­nel­len Fotografen ver­ach­tet zu wer­den, aber erwach­sen genug, um eine star­ke Kundenbasis zu haben. Es gab Land abzu­ste­cken und rela­tiv wenig Konkurrenz. Selbst min­der­wer­ti­ge oder gar total tri­via­le Bilder konn­ten ver­kauft wer­den, ein­fach weil sie bil­lig waren. Konzeptionell gute Bilder, gut umge­setzt, konn­ten dir ein Vermögen bringen.

Nun, das ist vor­bei. Es gibt kei­ne Verkäufe mehr für den USB-​Stick mit gerin­ger Schärfentiefe oder die nicht ganz so umwer­fend aus­ge­leuch­te­te Tomate auf wei­ßem Hintergrund. Die Archive der Agenturen sind voll mit die­sen Motiven und die meis­ten exis­tie­ren­den Bilder haben so viel Verkäufe und „Ranking-​Saft“ ange­sam­melt, dass sie für lan­ge Zeit immer an die Oberfläche der Suchergebnisse gespült wer­den. Wenn jemand nach einem tri­via­len (lies: aus­tausch­ba­ren) Bild sucht, wer­den sie den Impuls haben, die­ses von der ers­ten Seite der Suchergebnisse aus­zu­wäh­len. Soviel dazu.

Auf der ande­ren Seite gibt es kein Ende der Stockfotografie nur weil es genug Bilder gibt, genau­so wie es kein Ende der Wissenschaft gibt, nur weil wir schon eine Menge wis­sen. Es wird immer Nischen geben, es wird Änderungen geben, wie wir Bilder auf­neh­men, beim Geschmack der Bildkäufer und die Art, wie Models ihre Haare machen wird 2013 eben­falls anders sein. Versprochen.

Nachdem wir das gesagt haben: Ja, Microstock ist erwach­sen gewor­den. Um an der Spitze zu blei­ben, braucht es kon­zep­tio­nel­le­res Denken, tech­ni­sche Finesse und – nicht zu ver­ges­sen – mehr Ressourcen als frü­her. Dafür gibt es ver­schie­de­ne Gründe.

Mehr und mehr Profi-​Fotografen betre­ten den Markt und auch mehr der dama­li­gen Amateure, die ihre ers­ten Gebiete auf dem Microstock-​Land absteck­ten, wur­den eben­falls zu Profis. Das bedeu­tet, das sowohl die Bildqualität und ‑quan­ti­tät bes­ser wird. Das letz­te­re umso schnel­ler, weil vie­le Profis ihre alten Archivbilder in atem­be­rau­ben­dem Tempo zu den Agenturen schicken.

Käufer wer­den selek­ti­ver. Sie sind jetzt ein­fach gewöhnt an hohe Qualität selbst im unte­ren Ende des Preissegments. Wir haben sie dar­auf trai­niert. Wir kön­nen dar­über jam­mern, aber ich sehe kei­nen Weg, das zu ändern. Akzeptiere es.

Der Markt kann nicht ewig in dem Tempo wie bis­her wei­ter­wach­sen. Es gab tat­säch­lich eine Zeit als die Nachfrage nach Microstock-​Bildern schnel­ler wuchs als das Bruttoinlandsprodukt von China. Jedoch haben heu­te die meis­ten Leute, die als Microstock-​Kunden in Betracht kom­men, schon mal davon gehört. Das bedeu­tet nicht, dass es kein Wachstum in der Zukunft geben wird – dass die Welt immer visu­el­ler wird ist schon seit tau­sen­den Jahren ein Trend, von dem ich kein Ende abse­hen kann – aber das infla­tio­nä­re Wachstum nach dem gro­ßen Knall ist vorbei.

Diese Dinge sind offen­sicht­lich, aber was bedeu­ten sie? Die Antwort ist unter­schied­lich für die ver­schie­de­nen Mitspieler des Marktes. Schauen wir uns im nächs­ten Teil der Serie die Fotografen- bzw. Anbieterseite an.

Was sagt ihr zu der Analyse? Würdet ihr sie tei­len oder wie seht ihr das?