Schnapszahl! Nie hätte ich gedacht, dass wir auf so viele Folgen kommen würden, als ich vor sechs Jahren die erste „Pimp My Stock!“-Folge geschrieben habe.
Dieses Mal ist Michaela an der Reihe und sie hat sogar – vielleicht zur Feier des Tages – einige sehr schöne Fotos mitgebracht. Sie schreibt:
„Hallo Robert,
mein Name ist Michaela Brandl. Ich fotografiere seit 8 Jahren und seid geraumer Zeit stelle ich meine Bilder bei diversen Microstockagenturen ein (iStock, Fotolia, Shutterstock, usw.). Ich verwende eine Canon EOS 60D. Ich würde gerne einmal eine Fachmeinung zu meinen Bildern hören und würde mich freuen, wenn du sie in deine Pimp my Stock Serie aufnehmen würdest.
Vielen Dank schonmal vorab und mit freundlichen Grüßen,
Michaela Brandl“
Fangen wir mit dem ersten Bild an:
Einige Tulpen mit gezacktem Rand: Generell sind Blümchenbilder ein schwieriges Stockmotiv, weil das Angebot die Nachfrage deutlich überwiegt, aber durch den Kniff mit der kleinen Tafel im Bild erleichtert das Foto den Designern das Einfügen von Text und somit räume ich dem Foto trotzdem einige Verkaufschancen ein.
Die Tafel hätte im Bild sogar noch größer sein können und andere Fotografen haben auch finanziellen Erfolg damit, den Designern auf den Tafeln gleich Textvorschläge mitzuliefern wie „Am 11. Mai ist Muttertag“, „Frohe Ostern“ oder „Alles Liebe!“. Damit vergrößert man das Portfolio und erreicht auch Kunden, welche den Text nicht selbst einfügen können oder aus Zeitgründen nicht wollen.
Die leuchtende Straßenlaterne ist ein schwierigeres Motiv. Der Bildaufbau passt und links ist genug Textfreiraum. Irgendwie werde ich aber den Eindruck nicht los, dass das Foto leicht nach rechts kippt. Der Hintergrund ist mir auch schon etwas zu dunkel und durch den starken Kontrast zwischen der strahlenden Lampe und dem dunklen Hintergrund kann es leicht zu Bildfehlern kommen, welche die Bildredakteure gerne als Vorwand nehmen, um so ein Foto abzulehnen.
Dieser Waldbeeren-Joghurt ergibt ein sehr schönes Stockfoto. In meinen Augen ist er fast perfekt: Spannender Bildaufbau, dezentes Licht und moderne Food-Bildsprache. Spontan sehe ich nur zwei kleine Details, die verbessert werden könnten. Die Gabel links unten in der Ecke ist als solche nicht zu erkennen und lenkt dadurch etwas ab und das Metall ist sowieso überstrahlt. Auch bei der Auswahl des Minzblattes hätte Manuela etwas mehr Vorsicht walten lassen können, weil sich das linke Blatt unschön rollt.
Der Flammkuchen mit Lachs hat ebenfalls gute Verkaufschancen. Auch hier sind Licht, Bildkomposition und Dekoration so, wie es in den aktuellen Food-Zeitschriften der Trend ist. Links stört mich wieder das überstrahlte Licht im Wasserglas, da hätte das Licht bzw. der Aufbau vielleicht etwas verrückt werden können.
Die beiden Weingläser auf der Küchenzeile fallen wieder etwas ab. Das Bild ist – bis auf einen leichten Rotstich – technisch okay, was vor allem bei dem spiegelnden Glas nicht so einfach ist. Aber es fehlt die eindeutige Bildaussage, weil es weder für Catering, den gemütlichen Abend zu zweit, Alkoholismus oder den Abwasch richtig passt.
Für den Erdbeer-Himbeer-Joghurt gilt das gleiche wie oben: Sehr zeitgenössisch fotografiert und damit sehr verkäuflich.
Bei der Forelle mit Zitrone und Zwiebeln bin ich nicht ganz so enthusiastisch. Vom Bildaufbau gefällt es mir und sieht nach einem ansprechenden Food-Foto aus, aber irgendwie will mir das Licht nicht zusagen. Es ist weder dieses helle, sonnendurchflutete Bild, noch das dunkle, rustikale Licht, was bei diesen klassischen Gerichten gut passen würde.
Die beiden Freundinnen im Café überzeugen mich nicht, aber da bin ich auch besonders kritisch durch meine eigenen Erfahrungen in der People-Fotografie. Zuerst fällt auch, dass das Lächeln der beiden Frauen gekünstelt wirkt, wie dieses „Schaut mal her, ich will ein Foto machen“. Hier ist es Aufgabe der Fotografin, Witze zu erzählen, sich selbst zum Affen zu machen oder einfach eine so heitere Stimmung zu erzeugen, dass das Lachen echt wirkt.
Bei der Kleidung lenken die Schals zu sehr vom Gesicht ab und die Verteilung passt nicht: Die blonde Person hätte das dunklere Oberteil und andersrum anhaben sollen, damit es nicht so ein starkes Hell-Dunkel-Gefälle im Bild gibt. Bei der blonden Frau lenkt auch der Schmuck im Haar, Ohr und am Hals ab. Die Haare sind ebenfalls nicht optimal: Bei der Brünetten fallen sie ungünstig auf die Schulter, bei der Blondine sind unschöne dunkle Ansätze am Ende zu erkennen. Hier ein Beispiel* von einer meiner Fotoshootings.
Bei diesem Glamour-Foto einer Brünetten wirkt das Lachen auf jeden Fall besser. Aber weil es eben Glamour sein soll, stimmt dann doch einiges nicht: Der Hintergrund wirkt zu platt und unprätentiös, ist aber auch nicht hell genug für einen Freisteller mit den sichtbaren Schatten Für ein Lifestyle-Foto hingegen stört der gezackte Schmuck zu sehr und schwarz passt das nicht so gut, weil das zu viel Licht und Konturen schluckt. Also weder Fisch noch Fleisch.
Das letzte Mädchen hat ebenfalls ein leicht gezwungenes Lächeln auf dem Gesicht. Hände und Haare gefallen mir ganz gut, aber ich hätte die Kamera 1–2 Zentimeter nach unten bewegt, um die Ellenbogen komplett aufs Bild zu bekommen. Auch fehlt mir etwas die Aussage. Im Hintergrund scheint ein Küche zu sein, aber weder das Thema „Essen“ noch „Essen zubereiten“, „Einkauf auspacken“ oder ähnliches werden angeschnitten.
An dieser Stelle kurz Werbung in eigener Sache: Viele Tipps zur Arbeit mit Models, damit die Fotos authentischer und überzeugender wirken, finden sich in meinem gleichnamigen Buch „Die Arbeit mit Models“*.
Vor allem die Food-Bilder gefallen mir schon ausgesprochen gut und kann mir diese auch gut in einer spezialisierten Macrostock-Agentur wie Stockfood vorstellen.
Was sagt ihr zu den Fotos?
* Affiliate