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Pimp My Stock! Bildbesprechungen von Stockfotos 07

Aller Anfang ist schwer. Deswegen bie­te ich Fotografen in mei­ner Rubrik „Pimp My Stock!“ an, mir ihre Fotos zu schi­cken, damit ich sie hier auf ihre Tauglichkeit für Bildagenturen bewer­ten kann. Das heißt, ich kom­men­tie­re nicht, ob ich ein Foto schön fin­de, son­dern ob und war­um es sich gut ver­kau­fen könnte.

Dieses Mal hat mich „Kaubo“ um Rat gebe­ten. Er ist Mitte 40 und hat frü­her viel als Hobby foto­gra­fiert. Seit sechs Monaten wid­met er sich der digi­ta­len Fotografie mit der Canon 400D und eini­gen Objektiven. Er selbst beschreibt sei­ne Motive so: „Ich foto­gra­fie­re (bis­her) eher „tote“ Gegenstände (Architektur, Industrie, Kunst, Technik, Marodes etc.) aller­dings auch Natur und Tiere, aller­dings weni­ger Motive aus Deinem Spezialgebiet ‚Menschen‘.“

Die Stockfotografie ist völ­li­ges Neuland für ihn. Den Motiven merkt man das lei­der noch an. Fangen wir an:

Zwillinge

Aus irgend­ei­nem Grund, den ich als Landratte nicht ganz nach­voll­zie­hen kann, lie­ben Fotografen Schiffe. Vor allem rie­si­ge Schiffe. Tanker und so. Zugegebenermaßen ver­ste­he ich den Reiz der Technik, des Metalls und der gan­zen Kabel, Knöpfe, Masten und Balken, aber ich woh­ne zu weit vom Meer ent­fernt, um eine Affinität zu den Meeresfahrzeugen auf­zu­bau­en. Ist viel­leicht bes­ser so, denn die Bildagenturen sind über­schwemmt mit sol­chen Fotos. Eine Bildagentur hat­te sogar eine Zeitlang Tanker und ande­re Frachtschiffe auf ihrer Liste der „nicht benö­tig­ten Motive“. Das Foto hier ist tech­nisch ein­wand­frei, aber nicht spek­ta­ku­lär und wird es im Verkauf schwer haben.

Frachter

Gleiches gilt für die­ses Foto. Dazu kommt, dass der Himmel nicht so stock­taug­lich ist. Warten auf einen strah­lend blau­en Himmel (even­tu­ell mit paar Schäfchenwolken wie oben) ist ver­kaufs­för­dernd. Wer dar­über nach­denkt, merkt schnell, war­um Fotos von klei­nen Yachten und Personenbooten ver­käuf­li­cher sind als Frachtschiffe. Eine Yacht ist ein Symbol für Reichtum, Freiheit, Erfolg und so wei­ter. Vielseitig ein­setz­bar. Der Kundenkreis, der Fotos von Frachtschiffen benö­tigt, ist deut­lich geringer.

Kirche

Wer ein sol­ches Motiv vor paar Wochen zu Beginn der Presseberichte über die Mißbrauchsfälle in der Katholischen Kirche den Bildagenturen gelie­fert hät­te, hät­te gute Chancen auf Verkäufe gehabt. In die­sem kon­ke­ten Fall ist die Freistellung jedoch nicht so gut gelun­gen, was ver­mut­lich an einem zu dunk­len Hintergrund lag. Deutlich erkenn­bar ist das am obe­ren Ende der Handschellen. Auch die Bibel ist links zu zer­fled­dert und das Kreuz auf dem Buchdeckel fällt zu wenig auf. Das hät­te z.B. mit Photoshop kor­ri­giert wer­den kön­nen. Noch bes­ser: Eine ande­re Bibel nehmen.

bruecke

Mit den rich­ti­gen Suchbegriffen wie „Abenteuer, Urlaub, Wanderung, Verbindung, Richtung, Weg, Pfad“ etc. ist das ein Motiv, was für Bildagenturen geeig­net ist. Die Farben könn­ten noch etwas sat­ter sein, vom Bildaufbau ist das Foto der Brücke aber schon sehr gelungen.

Mülltrennung

Das Foto der Müllcontainer ist ein Fall für den redak­tio­nel­len Bereich. Beim Ranzoomen an die Schilder auf den Containern und am Baum vor­ne sind bestimmt Begriffe zu lesen, die pro­ble­ma­tisch wären. Für ein Werbefoto ist das Bild lei­der auch nicht pla­ka­tiv genug. Hilfreich wäre viel­leicht auch ein Beschnitt des Fotos mit Fokus auf den lin­ken Container. Wenn dann noch die Schilder vor­ne digi­tal ent­fernt wer­den, ist das Bild zumin­dest für die Themenbereiche Abfall, Mülltrennung, Recycling etc. passend.

Obstabwaschen

Oh, wie nied­lich. Es gibt vie­le gute Fotos von Waschbären, aber deut­lich weni­ger von Waschbären beim Waschen. Seltsam, oder? Getty Images zeigt bei der Anfrage „Waschbär waschen“ nur zwei Bilder. Trotzdem wird das Bild ins­ge­samt nicht so hohe Verkaufschancen haben, weil der Bedarf nach die­sem Motiv nicht so groß ist. Dazu kommt, dass der Hintergrund erkenn­bar kei­ne „natür­li­che“ Umgebung ist, son­dern Siedlungsgebiet. Das senkt das Interesse von Werbeagenturen. Um wenigs­tens paar Verkäufe mit­zu­neh­men, emp­feh­le ich, min­des­tens auch den latei­ni­schen Namen bei den Suchbegriffen mit anzugeben.

waschbaeren

Schon bes­ser. Zwar waschen die­se Waschbären sich nicht, aber das Foto ist uni­ver­sel­ler nutz­bar, weil es nied­li­cher ist. Außerdem ist ein Foto von drei Waschbären deut­lich sel­te­ner als eins. Keine Ahnung, ob es bio­lo­gisch kor­rekt wäre, aber Suchbegriffe wie „Familie“ und „Zusammenhalt, Nähe, Geborgenheit, Wärme“ etc. wären pas­send und ver­kaufs­för­dernd. Dazu kommt, dass die Beleuchtung auch sehr gut gelun­gen ist und das Fell der Tiere durch das Seitenlicht schön plas­tisch wirkt.

Holz

Zum Schluss mich ich nach dem tol­len Tierfoto lei­der noch mal pes­si­mis­tisch wer­den. Dieses Motiv gibt es zuhauf, in unzäh­li­gen Varianten und oft mit schö­ne­ren Baumstämmen. Da mache ich kei­ne Hoffnung, dass es häu­fig ver­kauft wird. Wer es jedoch schafft, die­ses Motiv kon­kre­ter mit dem Themenbereich „Forstwirtschaft“ zu ver­bin­den, indem z.B. die Enden der Stämme mit Ziffern mar­kiert sind o.ä. hat viel­leicht noch Chancen.

Was sagt ihr zu den Fotos? Teilt ihr mei­ne Einschätzungen?

Wer von mir auch kos­ten­los Tipps haben will, ob sei­ne Fotos “stock­taug­lich” sind, kann ger­ne eben­falls mitmachen.

Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kur­ze Mail, in der ihr Euch vor­stellt, z. B. wie lan­ge ihr Fotos macht, mit wel­cher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos ver­kauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-​Branche vorhabt.
– Wenn ich aus­rei­chend Zeit habe für Bildbesprechungen, bit­te ich Euch, mir 5–10 Bilder in klei­ner Auflösung zu schicken.
– Diese wer­de ich dann in einem Blogbeitrag wie die­sem ver­öf­fent­li­chen (auf Wunsch auch anonym) und mei­ne Kommentare abge­ben aus Business-​Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, son­dern wie ver­käuf­lich das Foto sein könn­te oder wie es ver­käuf­li­cher gemacht wer­den könnte.

Kritisch, ehr­lich, subjektiv.