Im Oktober 2020 veröffentlichte Adobe Stock eine Sammlung von über 70.000 kostenlosen Bildern und Videos, als Versuch, dem Vormarsch kostenloser Plattformen wie Unsplash und Pixabay Einhalt zu gebieten.
Hat das geklappt? Vielleicht etwas. Im Oktober 2020 noch hatte Unsplash 42 Downloads pro Sekunde, aktuell sind es „nur“ noch 37 Downloads/Sekunde.
Gestern Abend habe ich dann fast zeitgleich von zwei verschiedenen Fotografen die Nachricht bekommen, dass sie von Adobe eingeladen wurden, einige ihrer Bilder für die kostenlose Sammlung bei Adobe Stock zu nominieren.
Auch ich habe seit heute die Anzeige (siehe Screenshot oben) in meinem Benutzeraccount, mit der ich einstellen kann, ob und welche Bilder ich nominieren will.
Da von den Fotografen gleich einige Fragen aufkamen, will ich den Prozess etwas erklären.
- Adobe wählt aus einigen Portfolios Bilder aus, die sie prinzipiell für geeignet für die kostenlose Kollektion halten. Bei mir sind es knapp ein Drittel, bei anderen Fotografen mehr als ein Viertel des Portfolios. Laut dieser Aussage des Adobe-Mitarbeiters Mat Hayward wurden nur Bilder berücksichtigt, welche weniger als vier Downloads in den letzten zwölf Monaten hatten.
- Die Fotografen können nun im Portfolio die Erstauswahl von Adobe Stock entweder komplett bestätigen (mit dem Schieberegler „Alle geeigneten Stockmedien nominieren“ im blauen Feld oder einzeln. Als Übersichtshilfe gibt es neu in der Menüleiste den Filter „Nur für die kostenlose Sammlung geeignet“, wo man sich die betreffenden Bilder entweder nach Downloads oder Datum sortiert anzeigen lassen kann.
- Entscheidet sich ein Fotograf, eins der Bilder oder alle zu nominieren, erscheint als Pop-Up ein Nachtrag zum Anbietervertrag, der die Details regelt:
Die Details in Kürze: Für jedes akzeptierte Foto erhält der Fotograf 5 Credits (also je nach Währung 5 Euro oder 5 USD o.ä.), aber Adobe entscheidet, welche der nominierten Bilder sie letztendlich auswählen.
Die kostenlosen Bilder verbleiben für 12 Monate in der kostenlosen Sammlung und die Fotografen erhalten für diese Downloads keine zusätzliche Vergütung. Diese Downloads zählen auch nicht für das Creative Cloud Bonus-Programm. Die Bilder dürfen nicht vorzeitig gelöscht werden, bei anderen Agenturen dürfen sie aber weiterhin angeboten werden. Mehr Fragen beantwortet diese FAQ von Adobe.
Lohnt sich das?
Die brennende Frage, welche Fotografen sicher am meisten interessiert: Lohnt sich das Angebot von Adobe, 5 Euro je Bild zu erhalten, welches Adobe ein Jahr kostenlos anbieten darf?
Dafür müssen wir das Angebot im gesamten Marktumfeld betrachten. Zum einen gibt es wie schon erwähnt die Plattformen, welche prinzipiell kostenlos Bilder anbieten. Im Vergleich dazu ist Adobes Angebot ein toller Deal.
Auch im Vergleich zum „Instant Pay“-Deal von Wirestock, welche nur 4–5 USD pro Bild für zeitlich unbegrenzte kostenlose Nutzung zahlen, ist das Angebot recht attraktiv.
Es gibt jedoch auch andere Agenturen, welche deutlich mehr für solche „Buy-Outs“ zahlen, die jedoch individuell mit einzelnen Fotografen ausgehandelt werden und nicht für alle zugänglich sind.
Die langfristige Wirkung
Prinzipiell habe ich große Bauchschmerzen, dass Bildagenturen in letzter Zeit vermehrt dazu übergegangen sind, Bilder einzukaufen, um sie dann ohne Fotografenkommission verschenken oder verkaufen zu können.
Das aus mehreren Gründen:
Zum einen ist Stockfotografie schon immer ein langfristiges Massengeschäft gewesen. Was zählt, ist ein großes, attraktives Portfolio, welches auch im „Long Tail“ noch Rendite einbringen kann. Dazu ein Beispiel aus meinem Portfolio:
Diese Stock Performer-Analyse zeigt ein Shooting, welches ich 2010, also vor elf Jahren gemacht habe. Der Großteil der Verkäufe fand zwar in den ersten beiden Jahren statt, aber trotzdem brachte das Shooting auch im zehnten Jahr noch über 300 USD Umsatz. Der RPI/m, also der Erlös pro Bild und Monat aus diesem Shooting beträgt aktuell übrigens 1,05 USD. Über jedes Jahr gerechnet hat also jedes der Bilder aus dem Shooting über 12 USD eingebracht statt nur 5 Euro, also nicht nur in der Anfangsphase und nicht nur die Bestseller.
Wer nun anfängt, einzelne, vermeintlich schlechter laufende Motive gegen eine Einmalzahlung aus dem Portfolio zu nehmen, und sei es nur für 12 Monate, piekst damit Löcher in sein Geschäftsmodell.
Außerdem entsteht durch die Einmalzahlungen eine Trennung im Agentur-Portfolio: Es gibt plötzlich viele Bilder, bei denen die Bildagentur Kommissionen für einen Download an die Fotografen zahlen müsste und Bilder, welche die Agentur ohne weitere Verpflichtungen verkaufen oder verschenken kann. Somit entsteht ein Ungleichgewicht, welches Agenturen leicht in Versuchung führen könnte, die Bildnutzer hin zu dem Material zu lenken, was sowieso schon im Voraus bezahlt wurde.
Beim zeitlich begrenzten Angebot von Adobe kommt noch die Frage hinzu, wie die Gratis-Downloads nach den 12 Monaten bewertet werden, wenn die Bilder wieder in der bezahlten Kollektion sind: Werden sie ignoriert oder verzerren die Bilder mit den deutlich höheren Downloads die Suchergebnisse?
Trotzdem glaube ich, dass diese bezahlten Angebote, sei es von Adobe oder Wirestock, geeignet sein könnten, den Gratis-Plattformen das Leben schwerer zu machen. Aber wenn schon der Kampf gegen Gratis-Downloads geführt wird mit noch mehr Gratis-Downloads, anstatt das Stockfotografie-Business langfristig für alle Akteure nachhaltiger zu gestalten, ist das ein Rückzugsgefecht, welches dem Markt als solches trotzdem langfristig schaden wird.