Vor paar Wochen gab es im Blog der Bildagentur AGE Fotostock einen Artikel mit dem – frei übersetzten – Titel „Ist das das Beste, was Stockfotografen können?“
Zu lesen war eine Polemik, dass viele Stockfotografen total unkreativ seien und ihnen nur Klischees einfallen würden. Als Beispiel würde das Thema „Energie sparen“ gewählt. Gezeigt wurden viele Fotos von Personen, die Geldscheine und wahlweise eine Energiesparlampe oder einen Stromstecker in der Hand hielten. In der Tat nicht sehr originell.
Als Gegenbeispiel wurde dieser Werbe-Clip eines Supermarktes gewählt, der viele kleine Dinge zeigt, die Energie sparen können:
Tropfende Wasserhähne, recyclete Getränkedosen, Schaltknüppel im Auto, mit der Hand getrocknetes Geschirr, Wäscheleinen und so weiter. Diese Positiv- und Negativbeispiele zeigen zwei Dinge deutlich: Das Problem der Innovation und das der Suchbegriffe. Über den „Widerspruch zwischen Originalität und Verkäuflichkeit“ habe ich vor einem Jahr schon geschrieben. Deshalb will ich heute auf die problematischen Suchbegriffe eingehen.
Es gibt genug Bildagenturen, die ein Foto von einem Schaltknüppel ablehnen würden, wenn die Suchbegriffe „Energie“ oder „sparen“ darin vorkommen würden. Das gleiche gilt für viele Motive des als positiv gelobten Videos. Andererseits gibt es in Bildagenturen keinen Mangel an solchen Motiven. Wer nach Wäscheleine oder Geschirr sucht, findet genug Bildmaterial. Es ist nur nicht immer mit „Energie sparen“ verschlagwortet.
Für die Agenturen ist es immer leicht, nach kreativen Bildideen zu rufen. Sobald aber die Verschlagwortung etwas kreativer wird, gibt es Ärger. Bestes Beispiel ist neben der superkritischen Agentur istockphoto auch Dreamstime, die vor kurzem ein Programm gestartet haben, bei denen Fotografen und Bildkäufer unpassende Suchbegriffe eines fremden Fotos melden können und pro erfolgreicher Meldung Geld verdienen. Als Strafe kann es sein, dass der gemeldete Fotograf sein komplettes Portfolio neu verschlagworten muss, nicht nur das beanstandete Bild.
Da überlegen sich Fotografen zwei Mal, ob sie lieber ein Suchbegriff zuviel oder zu wenig benutzen. Ich habe am Anfang meiner Verschlagwortung vor paar Jahren noch locker 100–150 Suchbegriffe pro Bild gehabt. Als immer mehr Bildagenturen jedoch ein Limit von maximal 50 Wörtern pro Bild eingeführt hatten, habe ich meine Suchbegriffe auf 50 reduziert. Mittlerweile nutze ich manchmal nur noch 30–40 Wörter, um ein Foto zu verschlagworten.
Der Grund ist: Es gibt zwei Ansätze bei der Verschlagwortung: Den Long-Tail-Ansatz und den Bestseller-Ansatz:
Der Long-Tail-Ansatz basiert auf der Annahme, dass viele selten gekaufte Produkte in einem Laden zusammen mehr Umsatz erwirtschaften als die wenigen häufig verkauften Produkte zusammen. Der Long-Tail-Ansatz wurde auch schon konkret auf den Microstock-Bereich z.B. hier in meinem Blog oder hier und hier besprochen.
Der Bestseller-Ansatz basiert auf dem Pareto-Prinzip, welches besagt, dass 80% eines Ziels in 20% der Gesamtzeit erreicht werden und für die restlichen 20% die anderen 80% der Zeit gebraucht wird. In der Wirtschaftswelt wird das Prinzip so formuliert: 20% der Kunden sorgen für 80% der Umsätze.
Was heißt das konkret für die Stockfotografie und die Verschlagwortung?
Wer nach dem Long-Tail-Prinzip verschlagwortet, benutzt so viele Wörter wie möglich, in der Hoffnung, dass sich bei diesen „exotischeren“ Suchbegriffen über die Zeit hinweg trotzdem genug Verkäufe ansammeln, weil es eben weniger Fotos mit diesen speziellen Suchbegriffen gibt. Ein gutes Beispiel ist dieser Bildverkauf, bei dem die Bildredakteurin der FAZ gezielt nach der Farbe „Falunrot“ gesucht hatte.
Wer den Bestseller-Ansatz benutzt, hält seine Keywords so knapp wie möglich und nur so ausführlich wie nötig. Das hat zwei Gründe: Zum einen suchen die meisten Kunden nach ganz einfachen Begriffen. Die Bildagentur Dreamstime zeigt dem Fotografen an, mit welchen Suchbegriffen ein Foto gefunden wurde und oft ist es ganz banal: Eine Frau mit Schnupfen? Kunde suchte nach „cold tissue“ (wobei „cold“ hier nicht mit „kalt“ sondern mit „Erkältung“ übersetzt werden sollte). Eine Frau mit Spiegel in der Hand? Suche nach „mirror woman“. Mein Lieblingsbeispiel ist das folgende Foto, was bei Dreamstime bisher 13x verkauft wurde. Fast immer wurde nur nach „women“ gesucht:
Da die beliebten und häufig gesuchten Begriffe ja auch beim Long-Tail-Ansatz verwendet werden, bleibt die Frage nach dem Vorteil von weniger Suchwörtern für den Fotografen? Einerseits hat der Fotograf weniger Arbeit bei der Verschlagwortung, andererseits – und das ist für mich viel wichtiger – erhöht es die Relevanz eines Bildes. Viele Bildagenturen sortieren die Suchergebnisse nach Relevanz und benutzen dafür komplizierte Formeln, die häufig geändert und wie ein Betriebsgeheimnis gehütet werden. Nur Alamy erklärt das Prinzip ihres „AlamyRanks“ deutlich und offen. Es besagt, dass unter anderem die Formel „Views / Klicks + Verkäufe“ benutzt wird, um die Suchergebnisse zu sortieren. Je niedriger der Wert, desto besser.
Angenommen, Bild A hat viele Suchbegriffe, wird deshalb bei einer Suche häufiger angezeigt, aber nicht jedes Mal angeklickt, weil die entfernteren Suchbegriffe nicht zum Bild passen. Bei dem Frauenfoto oben hätte ich z.B. „Haarschmuck“ als Suchbegriff nehmen können, weil eine Frau eine Stoffblume im Haar trägt. Wenn jemand nach dem Wort sucht, wird mein Bild angezeigt. Aber der gezeigte Haarschmuck ist dem Bildsucher nicht groß genug im Bild, deswegen klickt er es nicht an und kauft ein anderes.
Bild B enthält weniger Suchbegriffe, die das Bild aber alle sehr passend beschreiben. Deswegen wird es zwar weniger häufig angezeigt, aber öfter angeklickt und gekauft. Sagen wir, Bild A bekommt 20 Ansichten, 15 Klicks und 10 Verkäufe. Der AlamyRank wäre 0,8. Bild B bekommt nur 10 Ansichten, aber 10 Klicks und ebenfalls 10 Verkäufe. Der AlamyRank wäre 0,5 und damit vorteilhafter. Obwohl Bild B nur halb so oft angezeigt wurde und weniger Klicks und gleich viel Verkäufe hat, ist der AlamyRank besser und deshalb wird es bei den Suchergebnissen höher und öfter angezeigt.
Andere Bildagenturen haben ähnliche Formeln. Die Qualität der Verschlagwortung ist demnach ein wichtiger Faktor, der beeinflußt, wie prominent die eigenen Fotos bei den Suchergebnissen angezeigt werden. Da ich anhand meiner eigenen Daten eher der Auffassung bin, dass die Bildkäufer nach wenigen, aber sehr relevanten Begriffen suchen, verschlagworte ich immer öfter nach dem Bestseller-Prinzip statt wie früher nach dem Long-Tail-Prinzip.
Das führt jedoch dazu, dass die von AGE Fotostock bemängelte Kreativität den Bildern nicht sichtbar wird, weil sie nicht in den Schlagwörtern beschrieben wird. Oder weil die Bilder wegen „zu geringer Verkaufschancen“ abgelehnt wurden.
Wie verschlagwortet ihr? Eher kurz oder ausführlich? Und welche Vor- und Nachteile sehr ihr darin?