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OLG-​Urteil: Motivschutz und die Grenzen der Nachstellung eines Bildes

Vor ziem­lich genau zehn Jahren habe ich die­sen aus­führ­li­chen Artikel über das Problem mit „Copycats“ in der Stockfotografie geschrieben.

Darin beschrei­be ich die unfai­ren Vorteile, wel­che sich Mitbewerber ver­schaf­fen, wenn sie sys­te­ma­tisch Besteller-​Bilder ande­rer Fotografen kopie­ren und wie schwer es ist, dage­gen vorzugehen:

Rechtlich gese­hen ist es lei­der schwer, gegen sol­che Kopien anzu­ge­hen, weil „nach­ge­stell­te Fotos“ im Gegensatz zu „iden­ti­schen Fotos“ nicht auto­ma­tisch einen Urheberrechtsverstoß bedeu­ten. Da kommt es dar­auf an, wie ähn­lich sich Kopie und Original sehen und ist meist eine Auslegungssache des Gerichts.“

(Auszug aus dem zitier­ten Blogartikel)

Die Grenzen zwi­schen Inspiration und Plagiat sind auch schwer zu grei­fen, wes­halb sich in der Stockfotografie-​Szene meist der Gedanke durch­ge­setzt hat, dass wir alle irgend­wo irgend­wann von jeman­dem kopie­ren und eben­so kopiert wer­den. Das gehö­re irgend­wie dazu, vor allem, weil sich die gut ver­kau­fen­den Themen kaum ändern und so wenig Spielraum für Ausweichmöglichkeiten bleibt, wenn mensch die­se Motive abde­cken möch­te („Business-​Handshake“, anyone?).

So muss ich als durch mei­nen Blog und mei­ne Publikationen beson­ders in der Öffentlichkeit ste­hen­der Stockproduzent meist zäh­ne­knir­schend hin­neh­men, wenn sich ande­re aus mei­nem gro­ßen Bilderfundus mehr oder weni­ger detail­ge­nau bedie­nen als Inspirationsquelle.

Das Bild und die Kopie

Manchmal gibt es aber Motive, auf die unser Team beson­ders stolz ist, weil sie eben noch nicht hun­dert­fach vor­han­den sind, vor allem, wenn die­se sich dann auch noch sehr gut verkaufen.

Als Beispiel hier die­ses 3D-​Rendering mei­nes 3D-​Grafikers von einem schwe­ben­den Sofa, seit November 2015 im Adobe Stock Portfolio (damals noch Fotolia):

Unser Original-​3D-​Rendering…

Ich rieb mir nicht schlecht die Augen, als ich im Februar 2020 im Adobe Stock Portfolio des Fotografen Rafael Classen die­ses Bild sah:

…und das Bild von Classen

Es ist das glei­che Sofa, die glei­che Topfpflanze, der glei­che Beistelltisch, und die glei­che Korkenlampe. Selbst die Kissen, wel­che beim Sofa (ein 3D-​Modell der Firma Evermotion, u.a. aus die­sem Set) brav auf dem Sofa plat­ziert waren, wur­den in fast iden­ti­scher Kombination genutzt. Auch die Farbwahl ist sehr ähn­lich, die Gemeinsamkeiten bei­der Bilder sind auf den ers­ten Blick grö­ßer als die Unterschiede.

Das Bild von Classen unter­schei­det sich in mar­gi­na­len Details: Der Fußboden ist zum Beispiel dunk­ler mit ande­rem Muster, die Fernbedienung ist ein ande­res Modell und das Bild hat weni­ger Vignettierung und ein ande­res Seitenverhältnis.

Herr Classen hat­te schon vor­her eini­ge Bilder in sei­nem Portfolio, wel­che mei­nen Bildern (und denen ande­rer Kollegen) mei­ner Ansicht nach auf­fäl­lig ähn­lich sahen, aber hier woll­te ich doch eine Grenze ziehen.

Ich mel­de­te die Kopie via DMCA-​Formular an Adobe Stock, wel­che die­se dar­auf­hin sperr­te, bis der Anbieter Widerspruch ein­leg­te. Nach den Regeln von Adobe müss­te ich nun nach­wei­sen, dass mei­ne Meldung recht­lich nach­voll­zieh­bar sei, sonst wür­de die Kopie wie­der in den Verkauf kommen.

Also for­der­te ich durch mei­nen Anwalt in einer Abmahnung die Abgabe einer Unterlassungserklärung, was Classen ablehn­te. Daraufhin reich­ten wir im April 2020 Klage wegen Urheberrechtsverletzung ein.

Kurz dar­auf reich­te Classen eine Widerklage gegen mich wegen Urheberrechtsverletzung ein, weil er der Ansicht war, ich hät­te fünf sei­ner Bilder kopiert.

Die Gerichtsentscheidungen:
1. LG München

Vor dem Landgericht München wur­de unse­re Klage (und auch die Widerklage) im Dezember 2021 abge­wie­sen. Hauptsächlich mit der Begründung, alle Werke sei­en nicht durch das Urheberrecht geschützt, weil es nach §72 UrhG weder ein Lichtbild (aka „Foto) noch ein Werk nach §2 UrhG sei:

Inwiefern ein licht­bild­ähn­li­cher Schutz auch für Computerbilder bzw. Computeranimationen sowie mit Hilfe der Digitaltechnik ver­än­der­te oder neu­kom­po­nier­te Bilder gewährt wird, ist umstrit­ten (Dreier/​Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 7, 8 m.w.N.; ver­nei­nend KG, GRUR 2020, 280). Ausgangspunkt der vor­zu­neh­men­den Auslegung des § 72 UrhG ist der Wortlaut der Norm, wonach maß­geb­lich auf den Schaffensvorgang und nicht auf das Ergebnis des Schaffensprozesses abge­stellt wird. Dementsprechend kann für die Beantwortung der Frage, was unter „Erzeugnissen, die ähn­lich wie Lichtbilder her­ge­stellt wer­den“ zu ver­ste­hen ist. allein das Ergebnis des Herstellungsverfahrens letzt­lich nicht maß­geb­lich sein. Erforderlich ist nach dem Wortlaut der Norm viel­mehr, dass ein ähn­li­ches Herstellungsverfahren wie bei der Erstellung von Lichtbildern ange­wandt wird. Insoweit kommt es jedoch nicht ent­schei­dend auf den Schaffensvorgang aus Sicht des Anwenders der Technik, son­dern auf die Vergleichbarkeit der tech­ni­schen Prozesse an. Für die Ähnlichkeit der Prozesse spricht, dass bei der Erstellung einer Computergrafik auch Gegenstände zunächst räum­lich in ganz bestimm­ter Weise zuein­an­der ange­ord­net, eine bestimm­te Farbwahl getrof­fen und sodann gege­be­nen­falls über Art, Anzahl und Position der Lichtquellen ent­schie­den wird. Dies genügt jedoch nicht, um von einem licht­bild­ähn­li­chen Erzeugnis aus­zu­ge­hen. Zentrales Argument für die Privilegierung der Lichtbilder war der Einsatz der Technik der Fotografie. Im Fokus steht dabei die tech­ni­sche und nicht die schöp­fe­ri­sche Leistung. Charakteristische Merkmale der Fotografie sind aber zum einen der Einsatz von strah­len­der Energie und zum ande­ren die Abbildung eines im Moment der Bilderschaffung vor­han­de­nen, kör­per­li­chen Gegenstands (OLG Köln, GRUR-​RR 2010, 141, 142; KG, GRUR 2020, 280, 284; BeckOK UrhR/​Lauber-​Rönsberg, 32. Ed. 15.9.2021 , UrhG, § 72, Rn. 33).

Beide Merkmale erfüllt das streit­ge­gen­ständ­li­che Rendering indes nicht. Es han­delt sich hier­bei gera­de nicht um eine unter Einsatz strah­len­der Energie erzeug­te selbst­stän­di­ge Abbildung der Wirklichkeit, son­dern viel­mehr um eine mit­tels elek­tro­ni­scher Befehle erzeug­te Abbildung von vir­tu­el­len Gegenständen.“

aus dem Urteil des LG München vom 3.12.2021

Angesichts der moder­nen Technik, die schon jahr­zehn­te­lang Einzug in die Bildproduktion gehal­ten hat­te, woll­ten wir nicht so recht glau­ben, dass wir kei­ne Urheberrechte an unse­rem Bild hät­ten, nur weil es kein Foto, son­dern ein 3D-​Rendering sei.

Deshalb leg­ten wir Berufung gegen das Urteil ein. Auch Rafael Classen leg­te Berufung wegen sei­ner abge­wie­se­nen Widerklage ein.

2. OLG München

Wie wir gehofft hat­ten, betrach­te­te das Oberlandgericht München den Fall dif­fe­ren­zier­ter und fäll­te am 29.6.2023 ein Urteil zu unse­ren Gunsten (OLG München, Aktenzeichen 29 U 256/​22).

Erstens wur­de aner­kannt, dass auch 3D-​Renderings Urheberschutz genie­ßen kön­nen, wenn sie eine gewis­se künst­le­ri­sche Leistung erken­nen las­sen. Ausführlicher wird die­ser Aspekt in die­sem Blogpost auf der Webseite mei­nes Anwalts zitiert.

Zweitens legt das OLG München aus­führ­lich dar, unter wel­chen Bedingungen nicht nur direk­te Kopien eines Originals, son­dern auch Varianten davon schutz­fä­hig sein können:

[…] Ist die Veränderung der benutz­ten Vorlage indes­sen so weit­rei­chend, dass die Nachbildung über eine eige­ne schöp­fe­ri­sche Ausdruckskraft ver­fügt und die ent­lehn­ten eigen­per­sön­li­chen Züge des Originals ange­sichts der Eigenart der Nachbildung ver­blas­sen, liegt kei­ne Bearbeitung oder ande­re Umgestaltung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG […], son­dern ein selbst­stän­di­ges Werk vor, das in frei­er Benutzung des Werks eines ande­ren geschaf­fen wor­den ist und das […] ohne Zustimmung des Urhebers des benutz­ten Werks ver­öf­fent­licht und ver­wer­tet wer­den darf.“

Genau die­se Bedingung sei in unse­rem Fall aber nicht erfüllt worden:

Bei einem Vergleich des Gesamteindrucks der bei­den Gestaltungen zeigt sich, dass die­ser auch im Rendering des Beklagten durch eben­die­se Elemente, das impuls­be­ding­te Abheben, die Wellenform, den Hintergrundkontrast und – in etwas gerin­ge­rem Maße – durch den Schattenwurf bestimmt wer­den. Gerade die wel­len­för­mi­ge Ausrichtung der Einzelelemente mit ihren ein­zel­nen Drehrichtungen und Neigungswinkeln ist prak­tisch iden­tisch zum klä­ge­ri­schen Rendering und erzeugt in glei­cher Weise den Eindruck eines kurz nach dem Abheben der Dinge erfolg­ten Schnappschusses, wobei auch der Kontrast der größ­ten­teils hel­len Elemente vor einem ähn­li­chen Blauton im Hintergrund die Wirkung ver­stärkt. Die Unterschiede der Gestaltungen, die vor allem durch einen dunk­le­ren Boden mit stär­ke­rer Zeichnung der Bohlen sowie den sich stär­ker auf der Wand als auf dem Boden abzeich­nen­den Schattenwurf bestimmt wer­den, prä­gen den Gesamteindruck beim Rendering der Beklagten dage­gen nicht so nach­drück­lich, dass die sich auf­drän­gen­den und ins Auge ste­chen­den Übereinstimmungen in ihrer Gesamtwirkung ver­blas­sen wür­den.
Da durch den stark über­ein­stim­men­den Gesamteindruck bei­der Renderings die ursprüng­li­che klä­ge­ri­sche Gestaltung beim Rendering des Beklagten deut­lich wie­der­zu­er­ken­nen ist, greift des­sen Gestaltung in den Schutzbereich des älte­ren klä­ge­ri­schen Werkes ein.“

3. Die Widerklage

Rafael Classen behaup­tet in sei­ner Widerklage, ich hät­te mit die­sen fünf Werken sei­ne Urheberrechte ver­letzt, weil er fast iden­ti­sche Bilder vor­her erstellt hätte:

Großes wei­ßes Fragezeichen vor gel­ber Wand mit Textfreiraum als FAQ Konzept
Kontakt und Kommunikation Symbole vor gel­ber Wand als Hintergrund
Leute auf Messe unter einem lee­ren Werbeplakat oder Werbebanner
Viele anony­me ver­schwom­me­ne Leute gehen im Einkaufszentrum einkaufen
Anonyme unschar­fe Menschenmenge unter­wegs auf einer Business Messe

Bei den bei­den gel­ben 3D-​Renderings mit den Icons an der Wand lehn­te das Oberlandgericht München die Berufung der Widerklage mit Verweis auf die zu gerin­ge Schöpfungshöhe ab:

Bezüglich der Renderings des Beklagten […] ist dem Landgericht dar­in zu fol­gen, dass die­se nicht die nöti­ge Gestaltungshöhe im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG auf­wei­sen und daher kei­nen Werkschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 UrhG genießen.

Es han­delt sich jeweils um im Schriftverkehr übli­che Zeichen in einer übli­chen Schrifttype, die im wei­tes­ten Sinne mit Kommunikation zu tun haben, wofür wie­der­um die Wahl der Farbe Gelb und des kon­kre­ten Farbtons wegen der Assoziation zu Postdienstleistungen beson­ders nahe­lie­gend erscheint. Der durch das Anlehnen an einer Wand, den Schattenwurf und die Spiegelung auf dem Boden ent­ste­hen­de räum­li­che Eindruck ist eben­falls im Bereich von Logos und in der Werbegrafik hin­läng­lich geläu­fig und hebt die bei­den Gestaltungen nicht vom Alltäglichen und hand­werk­lich Üblichen ab.“

Bei den drei Fotos der Kölner Messe sei zwar die Schöpfungshöhe erreicht, aber unbe­rech­tig­te Kopien sei­en mei­ne Fotos nicht:

Auch sofern man in den Aufnahmen des Beklagten blo­ße Lichtbilder nach § 72 UrhG erbli­cken wür­de, fehl­te es an einer Verletzung, da die­se nach dem oben Gesagten kei­nen Motivschutz gegen nicht­iden­ti­sche oder nicht nahe­zu iden­ti­sche Gestaltungen genie­ßen, so dass es sogar jeder­mann frei­steht, das glei­che vor­ge­ge­be­ne Motiv vom sel­ben Standort und unter den­sel­ben Lichtverhältnissen noch ein­mal aufzunehmen.“

Richtungsweisende Entscheidung

Mit dem Urteil des OLG München haben wir nun die ers­te Entscheidung seit lan­gem, die sich aus­führ­lich mit dem Motivschutz von 3D-​Renderings und Fotos befasst.

Ob Motive nach­ge­stellt wer­den dür­fen, hängt dem­nach von vie­len Faktoren ab, die im Einzelfall geprüft wer­den müs­sen. Eine Urheberrechtsverletzung liegt in der Regel dann vor, wenn die den Gesamteindruck prä­gen­den Gestaltungselemente des Originals auch in der Kopie vorliegen.

Weitere Termine

Auch wenn die­se Klage erle­digt ist, gibt es wei­te­re Gerichtstermine mit Herr Classen. Am Mittwoch, den 8.5.2024 fin­det vor dem Landgericht Düsseldorf der Gütetermin und Verhandlungstermin wegen „Folgeansprüchen aus Wettbewerbsrechtsverletzung durch Veröffentlichungen eines Mitbewerbers und daten­schutz­recht­li­cher Auskunft“. Die Einstweilige Verfügung in die­sem Zusammenhang hat er bis­her größ­ten­teils ver­lo­ren, inso­fern bin ich auch da zuversichtlich.

LAION e.V. macht ernst: Schadensersatzforderung an Urheber für KI-Trainingsdaten

Was pas­siert eigent­lich, wenn Urheber ihre Bilder aus den Trainingsdaten für die gro­ßen KI-​Systeme ent­fer­nen wol­len? Ich habe es aus­pro­biert und das Ergebnis gleicht einem Kafka-Roman.

Der deut­sche Verein LAION e.V. hat ver­schie­de­ne KI-​Trainingssätze kos­ten­los ins Internet gestellt mit Links und Bildbeschreibungen und ande­ren Informationen zu teil­wei­se über 5.8 Milliarden (größ­ten­teils urhe­ber­recht­lich geschütz­ten) Bildern.

Diese Trainingsdaten wur­den u.a. von kom­mer­zi­ell agie­ren­den Firmen wie Stability AI genutzt, um ihre Bildgenerierende KI „Stable Diffusion“ zu trai­nie­ren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass zufäl­lig einer der Gründungsmitglieder des Vereins, Richard Vencu, bei der Firma Stability AI arbei­tet. Das übri­gens genau seit Februar 2022, also dem Zeitpunkt, als der Verein gegrün­det wurde.

Im Februar hat­te ich hier berich­tet, dass ich LAION e.V. dar­um gebe­ten hat­te, mei­ne urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Bilder aus den Trainingsdaten zu ent­fer­nen. Als Antwort kam ein arro­gan­ter Brief, der mit der Drohung ende­te, dass ich mit Schadensersatzansprüchen zu rech­nen habe, soll­te ich auf mei­ner angeb­lich unbe­grün­de­ten Forderung bestehen.

Davon las­se ich mich natür­lich nicht abschre­cken und ver­schick­te mit Hilfe mei­nes Anwalts Ende März eine Unterlassungsforderung sowie eine Auskunftsanfrage, wel­che mit nach §§101 UrhG, 242 BGB zusteht.

Also im Klartext: Ich habe den Verein aus­ge­for­dert, mei­ne Bilder aus dem Trainingssatz zu neh­men und mir Auskunft zu ertei­len, in wel­chem Umfang genau mei­ne Werke ver­wen­det wur­den, wie lan­ge, woher sie die Inhalte hat­ten und so weiter.

Das fand der Verein gar nicht lus­tig und ant­wor­te­te am 11. April 2023:

Eine Urheberrechtsverletzung liegt nicht vor. Die ein­zi­ge Vervielfältigungshandlung die unse­re Mandantin vor­ge­nom­men haben könn­te, war vor­über­ge­hen­der Natur und ist von den Schrankenregelungen sowohl des § 44b UrhG als auch des noch wei­ter­ge­hen­den § 60d UrhG gedeckt. Wie bereits gegen­über Ihrem Mandanten aus­ge­führt, spei­chert unse­re Mandantin kei­ne Vervielfältigungsstücke der Werke Ihres Mandanten, die gelöscht wer­den könn­ten oder über die Auskunft erteilt wer­den könn­te. Unsere Mandantin hat ledig­lich zum initia­len Trainieren eines selbst­ler­nen­den Algorithmus, unter Einsatz sog. Crawler, Bilddateien im Internet aus­fin­dig gemacht und zur Informationsgewinnung kurz­zei­tig erfasst und ausgewertet.“

Interessant ist, dass hier aus­drück­lich der Einsatz von Crawlern erwähnt wird, wel­cher in den Nutzungsbedingungen der meis­ten Bildagenturen aus­drück­lich ver­bo­ten ist. So auch bei den Bildern, wel­che ich bean­stan­det hatte.

Mal ganz abge­se­hen, dass wir auch sehr gespannt sind, wie LAION e.V. erklä­ren will, woher der Verein Links zu Bild-​Thumbnails haben will, deren Bilder schon vor der Vereinsgründung bei den Bildagenturen gelöscht wor­den waren.

Weiter heißt es dann im Text:

Unsere Mandantin wird daher ins­be­son­de­re kei­ne Unterlassungserklärung gegen­über Ihrem Mandanten abge­ben. Daneben hat Ihr Mandat selbst­re­dend auch kei­nen Anspruch auf Auskunft durch unse­re Mandantin. Selbst bei Bejahung einer rechts­ver­let­zen­den Vervielfältigungshandlung bestün­de man­gels eines Handelns im gewerb­li­chen Ausmaß kein Auskunftsanspruch.“

Das heißt, salopp ver­kürzt for­mu­liert: Wir wer­den die urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Werke wei­ter­hin nut­zen, auch wenn der Urheber dage­gen ist. Außerdem ver­wei­gern wir die Auskunft, wo wir die Bilder genau her­ha­ben und was wir damit gemacht haben und wie lan­ge genau wir sie gespei­chert haben. So selbst­ver­ständ­lich fin­den wir das nicht.

Dann heißt es:

Unsere Mandantin hat grund­sätz­lich Verständnis dafür, dass Ihr Mandant ggf. auch eine vor­über­ge­hen­de Vervielfältigung sei­ner Werke nicht gern sieht. Nur ist die­se eben aus­drück­lich vom euro­päi­schen Gesetzgeber gestat­tet wor­den. Daher müs­sen wir Ihren Mandanten dazu auf­for­dern, dass er erklärt, von den mit Schreiben vom 29.03.2023 gel­tend gemach­ten Ansprüchen Abstand zu nehmen.“

Um dem Ganzen dann die Krone auf­zu­set­zen, for­dert LAION e.V. dann Geld von mir:

Mit Schreiben vom 14.02.2023 hat­ten wir Ihren Mandanten bereits dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass unse­rer Mandantin im Falle einer unbe­rech­tig­ten Inanspruchnahme Schadenersatzansprüche gemäß § 97a Abs. 4 UrhG zuste­hen. Unsere Mandantin hat­te sei­ner­zeit noch davon abge­se­hen die­sen Anspruch durch­zu­set­zen, sieht sich nun aber außer Stande hier wei­ter Nachsicht wal­ten zu las­sen. Für die Verteidigung gegen die durch Sie aus­ge­spro­che­ne, offen­kun­dig unbe­rech­tig­te Abmahnung sind ihr Rechtsanwaltskosten ent­stan­den, die unse­re Mandantin nicht selbst tra­gen wird.“

Den Gegenstandswert bezif­fert die geg­ne­ri­sche Anwaltskanzlei auf 9.000 Euro, der gefor­der­te Betrag beläuft sich auf 887,03 € (Aufschlüsselung sie­he Bild oben).

Also noch mal das Ganze run­ter­ge­bro­chen: Der Verein nutzt mas­sen­haft urhe­ber­recht­lich geschütz­te Werke, damit kom­mer­zi­ell agie­ren­de Firmen damit Profit machen kön­nen und wenn ich als Urheber dar­um bit­te, mei­ne Bilder aus den Trainingsdaten zu ent­fer­nen sowie mir den recht­lich zuste­hen­den Auskunftsanspruch zu erfül­len, soll ich dem Verein Schadensersatz zah­len.

Da passt es ganz gut, dass die Kanzlei schon mal androht, dass sie „geneigt sei­en, die Angelegenheit einer gericht­li­chen Klärung zuzu­füh­ren“. Wir sind genau­so „geneigt“ und arbei­ten schon an der Anspruchsbegründung für das Gericht.

Update 27.04.2023, 16:25 Uhr:
Wir haben eben die Klage gegen LAION e.V. vor dem Landgericht Hamburg eingereicht.

Rafael Classen verliert Einstweilige Verfügung gegen mich wegen meiner Blogartikel zu 75%

Der Versuch des Fotografen Rafael Classen, mich wegen mei­ner Berichterstattung über sei­ne Aktivitäten „mund­tot“ zu machen, ist glück­li­cher­wei­se größ­ten­teils gescheitert.

Teil des Deckblatts des Urteils vom LG Berlin

Sein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen mich vor dem Landgericht Berlin wur­de über­wie­gend zurück­ge­wie­sen (Aktenzeichen 15 O 342/​22).

Der Kern des Urteils ist wohl die­ser Satz:

Das Gericht hat kei­nen Zweifel dar­an, dass dem Blogeintrag des Antragsgegners in der Gesamtschau die ver­fah­rens­ge­gen­ständ­li­chen Aussagen zu ent­neh­men sind. Der Hauptantrag zu 1 schei­tert – wie soeben aus­ge­führt – viel­mehr dar­an, dass die­se Aussagen als wahr anzu­se­hen sind.“

Ich über­set­ze mal salopp: Es stimmt halt, was ich in die­sem Blogartikel geschrie­ben hat­te, daher darf ich es schreiben.

Konkreter schreibt das Gericht:

Die Aussage, „der Antragssteller behaup­te, Adobe habe kei­ne Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, obwohl er über Wirestock Adobe die Berechtigung mit­tel­bar ein­räu­me und obwohl sei­ne Bilder bei Adobe online sei­en“, kann der Antragssteller dem Antragsgegner unter kei­nem recht­li­chen Gesichtspunkt verbieten.“

Antragsteller ist hier übri­gens Herr Classen, Antragsgegner bin ich.

Weiter heißt es:

Der Antragsstellerin [sic] hat zwar in Abrede gestellt, die Aussage, Adobe habe kei­ne Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, getä­tigt zu haben. Damit hat er aber kei­nen Erfolg. Die Aussage ent­stammt sei­ner E‑Mail vom 14. Juli 2022, und der Antragssteller hat die­sen Inhalt auch nicht in Abrede gestellt. Weshalb es an der recht­li­chen Beurteilung etwas ändern soll­te, dass es sich um eine „Individualkommunikation“ han­delt (was zutrifft), sagt der Antragssteller nicht und ist auch nicht ersicht­lich. Er beruft sich vor allem dar­auf, dass sich sei­ne Aussage ledig­lich auf ein Bild bezo­gen habe, wel­ches er nicht über Wirestock zur Verfügung gestellt habe, also dass es sich nicht um eine gene­rel­le Aussage han­de­le. Eine sol­che Einschränkung ist sei­ner Mail vom 14. Juli 2022 aber nicht zu ent­neh­men; viel­mehr ver­hält sich die­se eben all­ge­mein zur Berechtigung von Adobe. Dies ist auch kei­nes­wegs unwe­sent­lich: Schon dann, wenn sich die Empfängerin der Mail an die Lizenzierung wei­te­rer Bilder des Antragsstellers den­ken soll­te, wäre sie durch die Aussage des Antragsstellerin [sic] unzu­tref­fend infor­miert. Und Gleiches gäl­te für Dritte, an die sie die Mail wei­ter­ge­lei­tet oder davon berich­tet haben könnte.“

Dem Gericht war es auch nicht ersicht­lich, war­um ich nicht iden­ti­fi­zie­rend über Herrn Classen berich­ten kön­nen sol­le. Weiterhin habe ich sei­ne Namensrechte nicht durch die blo­ße Nennung ver­letzt und auch eine „Prangerwirkung“ sieht das Gericht nicht:

Auch unter dem Gesichtspunkt einer „Prangerwirkung“ liegt inso­weit kei­ne Rechtsverletzung vor. Zwar stellt die Verbreitung einer ruf­schä­di­gen­den, aber wah­ren Tatsache einen rechts­wid­ri­gen Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) dar, wenn sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, weil aus einer Mehrzahl von Unternehmen, die sämt­lich Anlass zu der frag­li­chen Kritik geben, eines her­aus­ge­grif­fen und an den Pranger gestellt wird (MüKoBGB/​Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 392 mwN). Dass meh­re­re Fotografen unzu­tref­fen­de Angaben über die Berechtigung von Unternehmen wie Adobe gemacht hät­ten, behaup­tet der Antragssteller aber nicht ein­mal. Gerade damit beschäf­tigt sich der Blogbeitrag aber und nicht nur, wie der Antragssteller meint, all­ge­mein mit der Durchsetzung von Rechten in der Branche der Fotografen.“

Weiter schreibt das Landgericht Berlin im Urteil:

Im Übrigen gilt, dass selbst über­zo­ge­ne, her­ab­set­zen­de, unge­rech­te und aus­fäl­li­ge Äußerungen hin­zu­neh­men sind, solan­ge die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht (MüKoBGB/​Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 390). Dies muss nach Auffassung des Gerichts auch für die Form gel­ten. Vor die­sem Hintergrund unter­liegt es kei­nen Bedenken, dass der Name des Antragstellers an den Beginn der Überschrift gestellt ist und im Text 26 mal erscheint sowie dass der Antragsgegner noch in wei­te­ren Beiträgen über den Antragssteller berich­tet („fort­wäh­ren­de Berichterstattung“) und die­se Beiträge unter einen sog. „Tag“ mit dem Namen des Antragsstellers in einem Archiv vereint.“

Warum nur 75% gewonnen?

Jetzt wird es span­nend. Der Antrag wur­de nicht kom­plett abge­wie­sen, weil Herr Classen neben etli­chen von mir nach­weis­ba­ren Tatsachen auch zwei Punkte bemän­gel­te, wel­che ich tat­säch­lich nicht bewei­sen konnte.

Ich darf jetzt nicht mehr schrei­ben, dass Herr Classen flei­ßig bei Wirestock hoch­la­den wür­de, weil im Laufe des Verfahren klar wur­de, dass Herr Classen schon seit dem 11. Februar 2022 bei Wirestock gesperrt und seit dem 5. Juli 2022 dort gekün­digt wor­den war.

Der zwei­te Punkt ist mei­ne Aussage, dass ich behaup­tet hat­te, Herr Classen wüss­te, dass sein Name nicht in den Metadaten ent­hal­ten sei, wenn Bilder bei Wirestock zu Adobe Stock geschickt würden.

Da ich nicht in sei­nen Kopf gucken kann, kann ich das nicht bewei­sen. Ich zitie­re hier mal den Anwalt von Herr Classen:

Richtig ist wei­ter, dass dem Antragsteller nicht bewusst war, dass bei der Unterlizenziening [sic] durch Wirestock sein Name aus den Metadaten gelöscht wer­den würde.“

Wie glaub­wür­dig das ist, muss jeder selbst ent­schei­den.
Aber dann hat selbst er als erfah­re­ner, pro­fes­sio­nel­ler Fotograf immer­hin was durch mei­nen Blogartikel gelernt. Ist ja auch was Schönes.

Wo wir gera­de dabei sind: Seine Bilder, die er – meist ohne sicht­ba­re Wasserzeichen – auf sei­nen Account „rcfo­to­stock“ bei Pinterest hoch­lädt, ent­hal­ten nur teil­wei­se sei­nen Namen in den Metadaten. Auch die Bilder, die er bei der Plattform pexels.com im Account „rcpho­tostock“ gra­tis anbie­tet, sind aktu­ell nach dem Runterladen nicht mit Metadaten versehen.

Vielleicht über­prüft ihr das mal, damit ich ein paar Zeugen habe, falls die Bilder zufäl­lig plötz­lich ver­schwin­den sollten?

Jedenfalls: Da das Gericht in den bei­den Punkten Herr Classen recht geben muss­te, soll ich von den Verfahrenskosten 25% tra­gen, die rest­li­chen 75% muss Herr Classen bezah­len. Das Urteil ist aktu­ell noch vor­läu­fig, es kann also noch Berufung ein­ge­legt werden.

Ich möch­te an die­ser Stelle noch mal allen Beteiligten dan­ken, die mir hin­ter den Kulissen dabei gehol­fen haben, mich gegen die Abmahnung und Einstweilige Verfügung zu ver­tei­di­gen. Vielen Dank euch allen!

Robert Kneschke: Abmahnung erhalten wegen kritischem Blogbeitrag

Wer Journalismus nicht nur als Verlängerung der PR-​Abteilung von gro­ßen Firmen oder aus­ge­la­ger­te Marketing-​Abteilung sieht, wird über bran­chen­re­le­van­te Themen auch manch­mal kri­tisch berich­ten müssen.

So ver­su­che ich das auch hier im Blog. Leider führt das logi­scher­wei­se dazu, dass die Personen, wel­che kri­tisch beleuch­tet wer­den, das Licht der Öffentlichkeit scheu­en und ver­su­chen, die Berichterstattung zu behin­dern oder gar zu verhindern.

So auch beim Blogartikel „Rafael Classen, Abmahnungen, feh­len­de IPTC-​Daten und Wirestock: Der aktu­el­le Stand“ vom 5.8.2022. Die Anwaltskanzlei von Herrn Classen hat­te mir schon vor der Berichterstattung nahe­ge­legt, dass ich lie­ber „Abstand von dem geplan­ten Vorhaben“ neh­men solle.

Einige Wochen nach der Veröffentlichung flat­ter­te mir nun eine Abmahnung der glei­chen Anwaltskanzlei im Namen von Herr Classen ins Haus wegen angeb­li­cher „Verletzung des Wettbewerbs- und Persönlichkeitsrechts“.

Die Abmahnung umfasst gan­ze 24 Seiten mit einem Gegenstandswert von 80.000 Euro und der Forderung nach Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 30.08.2022 mit etli­chen Unterpunkten, auf was ich alles ver­zich­ten solle.

Die Verletzung des Wettbewerbsrechts sol­le ent­stan­den sein, weil ich (als direk­ter Konkurrent) mit angeb­lich unwah­ren Aussagen im Blogbeitrag die Tätigkeiten und per­sön­li­chen sowie geschäft­li­chen Verhältnisse des Mandanten her­ab­set­zen und ver­un­glimp­fen würde.

Persönlichkeitsrechte wür­de ich des­halb ver­let­zen, weil ich den Mandanten angeb­lich anpran­gernd in der Überschrift nen­ne, ihn im Blog fort­wäh­rend auf­grei­fe und zum Gegenstand der Berichterstattung mache, obwohl das von mir kri­ti­sier­te Verhalten bran­chen­üb­lich und recht­lich zuläs­sig sei.

Ich habe im Rahmen der jour­na­lis­ti­schen Sorgfaltspflicht sowohl dar­auf geach­tet, alle genann­ten Fakten zu prü­fen sowie dem Betroffenen eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten.

Daher sehe ich der Auseinandersetzung gelas­sen ent­ge­gen und bin zuver­sicht­lich, dass ich einem Gericht schlüs­sig ver­mit­teln kann, war­um der Artikel so ver­öf­fent­licht wurde.

Rafael Classen, Abmahnungen, fehlende IPTC-​Daten und Wirestock: Der aktuelle Stand

Einer mei­ner meist­ge­le­se­nen Artikel im Blog die­ses Jahr ist „Rafael Classen ver­schickt „Abmahnungen“ an Bildkäufer wegen Social Media Nutzung“ sowie der Folgeartikel „Zwickmühlen-​Falle: Neue „Abmahnungen“ durch Rafael Classen (RC Photostock) gegen Bildkäufer“.

Da mich wei­ter­hin regel­mä­ßig Kontaktanfragen betrof­fe­ner Bildkäufer errei­chen und sich bei dem Thema eini­ges getan hat, gibt es heu­te ein kur­zes Update.

Fehlende oder gelöschte IPTC-Metadaten

Betrafen die ers­ten „Abmahnungen“ von Rafael Classen haupt­säch­lich angeb­li­che unpas­sen­de Social-​Media-​Nutzungen, ist er nun umge­schwenkt auf angeb­lich gelösch­te IPTC-Metadaten.

Als Nachweis für die angeb­lich gelösch­ten IPTC-​Metadaten führt er zwei Links bei Spiegel Online und dem Bundesumweltministerium an, die Bilder von Herr Classen nut­zen. Diese Bilder ent­hal­ten zwar tat­säch­lich Urhebernachweise in den IPTC-​Daten, jedoch sind die­se laut IPTC-​Daten bei EyemEm/​Getty Images bzw. iStock gekauft wor­den. Daraus lässt sich nicht ablei­ten, dass sei­ne Bilder bei Adobe Stock oder Fotolia Urhebernachweise enthielten.

Classen ver­weist in sei­nen Emails ger­ne aus­führ­lich dar­auf, dass Adobe Stock in deren Lizenzbestimmungen „eine Entfernung der urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Schutzrechtshinweise in den IPTC-​Metadaten in kei­ner Lizenz erlaubt“.

Er ver­gisst jedoch zu erwäh­nen, dass die Anbieter bei Adobe Stock spä­tes­tens seit Juli 2016 beim Upload von Bildern den Nutzungsbedingungen zuge­stimmt haben, in denen unter ande­rem steht:

5.2 […] Des Weiteren dür­fen Metadaten ohne Haftung durch uns, unse­re Vertriebshändler oder unse­re Benutzer geän­dert, ent­fernt oder erwei­tert werden.“

Am 1. März 2022 gab es eine Aktualisierung die­ser Nutzungsbedingungen, in denen nun kon­kre­ter steht:

7.1. […] Sie sind ins­be­son­de­re damit ein­ver­stan­den, dass Unternehmen der Adobe-​Gruppe Urheberangaben, die in Metadaten ent­hal­ten sind, ent­fer­nen oder modi­fi­zie­ren und dies auch ihren Nutzern gestat­ten. Diese Befugnis ist beschränkt auf sol­che Fälle, in denen Metadaten infol­ge einer ver­trags­ge­mä­ßen Wahrnehmung von Nutzungs- und Bearbeitungsrechten durch Unternehmen der Adobe-​Gruppe oder sei­ne Nutzer (etwa bei Bearbeitung, Übertragung, Ergänzung, Kürzung, Kompilierung, Werkverbindung und Collagierung), z.B. infol­ge der Verwendung markt­üb­li­cher Bearbeitungssoftware, auto­ma­ti­siert ent­fernt werden.“

Ich ver­mu­te, dass die Aktivitäten von Herr Classen ein Grund für die Konkretisierung der Nutzungsbedingungen waren.

Die „markt­üb­li­che Bearbeitungssoftware“ agiert aktu­ell näm­lich lei­der nicht so kon­sis­tent, wie nor­ma­le Benutzer anneh­men könn­ten. Werden Bilder im CMS WordPress für Webseiten mit­tels einem dort inte­grier­ten Bildgrößen-​Preset ver­klei­nert, blei­ben die IPTC-​Metadaten ent­hal­ten. Wird ein Bild dort jedoch mit einem manu­ell ver­ge­be­nen Wert ver­klei­nert, ver­schwin­den die Metadaten. Da muss mensch erst mal drauf kommen…

Das ist rele­vant, weil der §95c UrhG eine wis­sent­li­che Handlung vor­aus­setzt, die ver­mut­lich nicht gege­ben ist, wenn das CMS-​Verhalten sich undo­ku­men­tiert je nach Detaileinstellung unterscheidet.

Rückkehr zu Adobe Stock durch die Hintertür Wirestock

In sei­nen wir­ren Emails erklärt Herr Classen lang und breit, dass Adobe Stock ihm die Zusammenarbeit gekün­digt habe. Darüber hin­aus schreibt er:

Es besteht kei­ner­lei ver­trag­li­che Verbindung mehr zwi­schen mir und Adobe Stock/​ Fotolia, die Firma Adobe Stock/​ Fotolia ist hier auch nicht zustän­dig. Der guten Ordnung hal­ber wei­se ich noch­mals dar­auf hin, dass die Firma Adobe Stock/​ Fotolia seit gerau­mer Zeit nicht mehr berech­tigt ist, Nutzungsrechte an mei­nen Werken zu gewähren.“

[Update 10.11.2022: Satz auf­grund einer Einstweiligen Verfügung ent­fernt.] Wirestock ist ein Dienstleister, der es Fotografen erlaubt, die dort hoch­ge­la­de­nen Bilder im Namen von Wirestock an meh­re­re Microstock-​Agenturen gleich­zei­tig zu ver­tei­len; dar­un­ter auch Adobe Stock.

Da die Fotografen die­se Auswahl selbst tref­fen müs­sen, ist es komisch, dass er wei­ter­hin behaup­tet, dass Adobe kei­ne Nutzungsrechte an sei­nen Werken ver­ge­ben dürfe.

Foto von Rafael Classen via Wirestock bei Adobe Stock

Da Rafael Classen bei Adobe Stock wegen sei­ner Aktivitäten zah­len­der Kunden gegen­über nicht gern gese­hen ist, ist es sehr nütz­lich, dass die neu­en Bilder von Rafael Classen nun nicht mehr unter sei­nem Namen dort ange­bo­ten wer­den, son­dern im Namen von Wirestock (sie­he Screenshot oben).

Woher ich dann weiß, dass obi­ges Foto tat­säch­lich von Herr Classen ist?
Das glei­che Bild ist auch in sei­nem eige­nen Webshop RC-​Photo-​Stock mit der Urheberangabe „rclas­sen“ erhältlich:

Das glei­che Bild auf RC Photo Stock

Das ist kein Einzelfall, denn es betrifft etli­che Bilder, hier ein zwei­tes Beispiel, dies­mal aus dem „Wirestock Creators“-Account bei Adobe Stock:

Foto von Rafael Classen via Wirestock bei Adobe Stock

Als Nachweis wie­der das glei­che Bild in sei­nem eige­nen Bildershop:

Das glei­che Bild auf RC Photo Stock

Ironischerweise ent­hal­ten die Bilder von Rafael Classen, wel­che via Wirestock bei Adobe Stock ange­bo­ten wer­den, nur den Urheberhinweis „Wirestock – stock.adobe.com“ in den IPTC-​Metadaten. [Update 10.11.2022: Satz auf­grund einer Einstweiligen Verfügung entfernt.]

Wer als zah­len­der Kunde Streit mit Rafael Classen ver­mei­den möch­te, soll­te also auch bei Bildern von Wirestock (und Wirestock Creators) sehr auf­pas­sen, ob das Bild even­tu­ell von Herr Classen sein könn­te und Metadaten enthält.

Wie Herr Classen ange­sichts sei­ner akti­ven Bilder bei Adobe Stock zu der Annahme kommt, dass die Bildagentur kei­ne Nutzungsrechte an sei­nen Werken ein­räu­men dür­fe, ist mir lei­der schlei­er­haft. Eine dies­be­züg­li­che Anfrage an Herr Classen beant­wor­te die­ser lei­der nur mit einem Verweis auf sei­ne Anwaltskanzlei. Diese schrieb dann:

Wie Ihrer Presseanfrage inhalt­lich zu ent­neh­men ist, sind Sie mit den Anforderungen der Rechtsprechung an die Gewährung einer hin­rei­chend sub­stan­ti­ier­ten Gelegenheit zur Stellungnahme nicht ver­traut. Insofern kann eine Stellungnahme unse­res Mandanten nicht erfolgen.“

Am bes­ten wäre es aus Sicht von Herr Classens Anwälten jedoch, wenn ich die­se Berichterstattung ganz unter­las­sen würde:

„Wir mah­nen inso­fern drin­gend zur Zurückhaltung und zur Einhaltung der erfor­der­li­chen Sorgfalt, bes­ser zur Abstandnahme von dem geplan­ten Vorhaben, des­sen Intention zuvör­derst unlau­te­re Ziele zum Gegenstand zu haben scheint.“

Abmahnung wegen fehlender Abmahnung

Die Allianz deut­scher Designer AGD hat­te letz­tes Jahr den Artikel „Abmahnung wegen der Löschung von Metadaten“ ver­öf­fent­licht, um deren Mitglieder vor den Praktiken von Herr Classen zu war­nen. Unter ande­rem wegen der berich­te­ten Abmahnungen mahn­te Herr Classen die AGD ab, weil er angeb­lich kei­ne Abmahnungen, son­dern nur „Berechtigungsanfragen“ ver­sen­den wür­de. Blöd ist nur, dass Herr Classen doch rich­ti­ge Abmahnungen ver­schickt hat­te. Der Fall ende­te in einem Vergleich, der unter ande­rem ent­hielt, dass Herr Classen auf der Webseite der AGD die Möglichkeit bekam, sei­ne Sicht der Dinge darzulegen.

Das mach­te Herr Classen dann im Artikel „Rechteverfolgung wegen der Löschung von Foto-​Metadaten“.

Disclaimer/​Full Disclosure: Ich habe aktu­ell mit Herrn Classen eben­falls eine juris­ti­sche Auseinandersetzung in einer ande­ren Sache.

Update 5.8.2022:
Die Direktorin Kirsten Harris von Adobe Stock Content bat mich, fol­gen­des zu aktua­li­sie­ren: „Ich […] muss rich­tig­stel­len, dass Wirestock Content von Classen aus ihrem Adobe Stock Account ent­fernt hat. Die bei­den Fotos, die Du als Beispiele ange­zeigt hast, gibt es nicht mehr auf Adobe Stock. Ich bit­te Dich, Deinen Beitrag ent­spre­chen upzudaten.“

Update 10.11.2022:
Aufgrund einer Einstweiligen Verfügung, wel­che Herr Rafael Classen gegen mich erwirkt hat, darf ich zwei Sätze in die­sem Artikel nicht mehr ver­öf­fent­li­chen. Der Behauptung der Gegenseite, dass die­ser Artikel eine „unwah­re Gesamtaussage“ ent­hal­te, konn­te das Gericht aber nicht folgen.