Heute gibt es wieder eine Folge von „Pimp My Stock“. Hier können mir Leser ihre Fotos schicken, welche ich dann auf ihre Verkäuflichkeit hin beurteile. Diesmal schrieb mir Constantin folgende Mail:
„Hallo Robert,
schon vor längerer Zeit bin ich auf der Recherche über Stockfotografie auf deine Seite und das interessante Format „Pimp my stock“ gestoßen. Da ich mich kürzlich auch entschlossen habe, meine Fotos bei Stock Agenturen einzureichen um die Gesamtkosten des Hobbys Fotografie ein wenig zu senken möchte ich nun auch 10 Bilder einreichen, mit der Bitte um ehrliche Kritik.
Ich fotografiere seit knapp einem Jahr mit mehr Einsatz und Leidenschaft. Seit diesem Zeitpunkt habe ich auch ein zumindest semiprofessionelles Equipment. Es besteht aus einer Sony a6000, zwei Autofokus Objektiven und ein paar finanziell begründeten Altglasexperimenten mit Adapter.
Fotografisch bin ich momentan „Allrounder“ oder etwas nüchterner betrachtet am Ausprobieren, wo sich mein Schwerpunkt finden wird. Die Fotos sind demnach auch im Urlaub entstanden, wobei ich nicht speziell Motive für die Stock-Fotografie gesucht habe.
Interessieren würde mich vor allem, ob Bilder in dieser Art, die quasi „ganz nebenbei“ entstehen, überhaupt für die Stock-Fotografie geeignet sind, oder ob der Markt derart übersättigt ist, dass man sich schon ein wenig mehr auf den späteren Verwendungszweck als Stock-Foto konzentrieren muss.
Die Bilder sind zu 90% in Lightroom/Capture One und vereinzelt in Photoshop nachbearbeitet.
Herzlichen Dank,
Constantin“
Werfen wir einen Blick auf seine Bilder:
Das erste Bild zeigt eine Katze. Schwieriges Thema. Katzen als eine der beliebtesten Haustiere sind ein sehr gern und häufig fotografiertes Sujet. Das Angebot übersteigt hier deutlich die Nachfrage. Die Katze wirkt auf mich jedoch etwas „struppig“ und vom Umfeld wirkt es mehr wie die Aufnahme einer „Straßenkatze“. Mit den passenden Keywords ist hier vielleicht noch etwas zu holen. Die beiden Getreidehülsen am unteren Ende der Katze würde ich noch retuschieren.
Das zweite Bild zeigt eine Tafel mit einer Inschrift. Das Foto selbst ist von der Perspektive und Komposition nicht umwerfend und es bedarf schon einer genauen Erklärung des Fotos im Titel und bei der Verschlagwortung, um einen Verwendungszweck für das Bild finden zu können.
Eine rote Rose vor einem alten Gebäude. Ebenfalls schwierig. Falls der Käufer das Bild wegen der Rose finden sollte, gäbe es genug weitaus bessere rote Rosen mit neutraleren Hintergründen, die sich besser zum Thema Liebe oder Valentinstag eignen. Sollte sich der Käufer jedoch für das Gebäude dahinter interessieren, gibt es sicher andere Motive, wo das Haus scharf abgebildet und vollständig zu sehen ist.
Das nächste Bild zeigt eine bemalte Decke mit einer Art Lampe, vermute ich mal. Gefällt mir generell, gute Bildaufteilung sowie grafisch interessant. Hier muss nur beachtet werden, wie alt das Design ist, damit es nicht eventuell geschützt ist und ob vielleicht ein Property Release benötigt wird, weil die Location durch das Muster leicht erkennbar ist.
Das gleiche gilt für das Foto der Couch: Inhaltlich und von der Komposition her ist es ein anständiges Stockfoto mit einigen möglichen Verwendungszwecken, jedoch stellt sich hier ebenfalls die Frage nach der Notwendigkeit einer Eigentumsfreigabe.
Dieses Foto der alten Säulen hat auf den ersten Blick einen deutlichen Farbstich durch den inkorrekten Weißabgleich, außerdem fressen unten die Lichter an den Säulen aus. Ich weiß, dass sich solche Szenen nur schwer anders fotografieren lassen, aber das interessiert leider die meisten Bildredakteure nicht. Außerdem hier ebenfalls wieder die Frage, ob nicht sogar ein Property Release benötigt wird.
Das Bild zeigt an altes Fahrrad an einer Hauswand. Hier sollte zuerst die Schrift auf dem Fahrrad (am Kettenschutz) retuschiert werden sowie das Schild rechts oben im Fenster. Einige Bildredakteure könnten sich je nach Tagesform vielleicht auch am Graffito stören. Ansonsten aber eine nette Detailaufnahme, die einige Käufer finden könnte. Da beide Reifen aber platt sind, eignet es sich nicht für Konzepte wie „Sport“ oder „Fitness“ sondern es muss bei der Verschlagwortung eher in Richtung „Reparatur“, „Alter“ oder „Pech“ gedacht werden.
Eine schöne Aufnahme, die für die Tourismusbranche sicher interessant sein kann. Dafür würde ich jedoch noch etwas mehr Arbeit in den Himmel stecken, damit dieser nicht so blass aussieht. Außerdem muss zumindest der große „Bersaadet“-Schriftzug rechts retuschiert werden, weil es sonst garantiert abgelehnt wird.
Das Foto zeigt eine Stadtaufnahme von oben. Mit der korrekten Verschlagwortung der Stadt und Region ist es ein sehr gutes Stockfoto, was zugleich schlicht und grafisch interessant ist sowie die architektonische Struktur der Stadt gut visuell darstellen.
Das letzte Foto zeigt eine Landschaft. Technisch habe ich an dem Foto nichts zu beanstanden, wobei hier mit etwas Geschick aus einem RAW sicher noch mehr „Pepp“ hinsichtlich Sättigung, Kontrast und Dynamikumfang herausgeholt werden könnte, um einen besseren Microstock-Look zu erhalten. Absolut notwendig ist wieder die passende Verschlagwortung mit dem korrekten Aufnahmeort.
Insgesamt zeigt die heutige Serie wieder, dass es schwierig ist, existierende „Archivaufnahmen“ aus dem Urlaub als Stockfotos zu verkaufen, weil viele Aspekte wie Textfreiraum, Verwendungsmöglichkeiten oder rechtliche Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt wurden. Da das fotografische Können und der Blick eine gute Bildkomposition jedoch vorhanden zu sein scheint, sehe ich bei Constantin Potential, mit etwas Übung und Training auch verkäufliche Bilder sehen zu können.
Wie schätzt ihr die Bilder ein?
Hallo,
das erinnert mich an meine Stockfotografie-Anfänge. Da habe ich auch erst Urlaubs‑, Tier- und Archivfotos zum testen hochgeladen.
Was mir am besten gefiel wurde meist kaum oder gar nicht verkauft. Meist waren die Fotos Renner, bei denen ich am wenigsten mit gerechnet habe. Aber damals war Stock- oder Werbefotografie für mich Neuland. Da muß man erst einmal das Gefühl bekommen, was der Markt haben bzw. kaufen will.
Inzwischen fotografiere ich komplett anders. Nicht besser oder schlechter. Einfach nur anders. Mein fotografischer Blick ist selbst bei Urlaubsfotos auf eine mögliche Vermarktung bei Bildagenturen ausgerichtet. Wenn ich keinen Urlaub habe, fotografiere ich Gegenstände und Food-Motive. Wenn man in der Stockfotografie Erfolg haben möchte muß man sich auf ein Genre spezialisieren. Nur so kommt man mit der Zeit auf viele verkaufsfähige Fotos. Man wird von Shooting zu Shooting besser, da man aus den Fehlern dazulernt.
Die Spezialisierung auf ein Fotothema ist eine sehr wichtige Basis für eine erfolgreiche Stockfotografie.
LG
Bernd
Ja, aller Anfang ist natürlich schwer.
Die Anmerkungen von Robert decken sich weitestgehend mit dem, was ich empfunden habe, als ich die Bilder gesehen, aber den Text noch nicht gelesen habe.
Ich selbst habe durch die Ablehnungen am meisten gelernt, die waschen einem den Kopf 😉 Was man selbst toll oder qualitativ für gut hält, wird abgeschmettert, und man muss sich bei seiner Arbeit hinterfragen, wenn man es mit dem Geld verdienen ernst meint. Und sollte nicht beleidigt sein 😉
@ Constantin:
Schaue Dir ähnliche Motive wie die Deinen in der Werbung an, und vergleiche. Ich wünsche Dir Erfolg!
LG, Alex