Sind wenig verkaufte Bilder die besseren Stockfotos?

Stellt da jemand die Stockbranche gedank­lich auf den Kopf? Paul Melcher hat in sei­nem Blog kürz­lich einen inter­es­san­ten Artikel über den Wert von Bestsellern in Bildagenturen geschrieben.

Üblicherweise gehen sowohl Stockfotografen als auch Bildagenturen und Bildredakteure davon aus, dass ein Foto umso bes­ser ist, je mehr es sich ver­kauft. Diese Motive wer­den dann von ande­ren kopiert, erwei­tert, vari­iert und so fort.

Seine These jedoch lau­tet, dass ein per­fek­tes Foto das ist, was einer Firma den meis­ten Profit bringt. Das ist ja der ursprüng­li­che Grund, war­um sowohl Zeitschriften als auch Werbeagenturen Bilder kau­fen. Weil sich Zeitungen, Blogs, Anzeigen, Flyer, Poster, Broschüren und so wei­ter mit Bildern bes­ser ver­kau­fen als eine „Bleiwüste“.

Wenn Firmen also ein per­fek­tes Foto kau­fen, müs­sen sie das nur ein Mal machen, wenn es wirk­lich ide­al für den jewei­li­gen Zweck ist. Nur wenn die Firma ein neu­es Produkt oder einen neu­en Service anbie­tet, brau­chen sie viel­leicht wie­der ein dazu pas­sen­des Bild, aber das gesche­he vor allem bei den vie­len klei­nen Firmen eher sel­ten bis gar nicht.

Deshalb sei der Hauptgrund, dass Firmen neue Bilder kau­fen, der, dass die bis­he­ri­gen Fotos ihren Zweck nicht gut genug erfüllt hät­ten. Je mehr Fotos von einem Kunden gekauft wer­den, des­to unbrauch­ba­rer waren die vori­gen. Die Verkäufe wer­den gezählt und es ent­ste­hen Bestseller, die jedoch den Firmen wenig Nutzen bringen.

Melcher argu­men­tiert, dass die bes­ten Bilder, also die, wel­che den Firmen am meis­ten Umsatz ver­schaf­fen,  manch­mal die­je­ni­gen sei­en, die nur paar Mal run­ter­ge­la­den wur­den. Der zufrie­de­ne Kunde behält die Bilder und sieht kei­ne Notwendigkeit, neue Motive ein­zu­kau­fen. Auf dem Papier wäre das ein erfolg­lo­ses Bild mit weni­gen Verkäufen und ein Kunde, der nicht wiederkommt.

Es liegt auf der Hand, dass Bildagenturen ein gro­ßes Interesse dar­an haben, dass Kunden mög­lichst oft und vie­le Bilder kau­fen, wes­halb sie ger­ne einen Fokus auf die Bestseller legen und damit eher die aus Melchers Sicht „unge­nü­gen­den“ Motive stär­ken, statt dafür zu sor­gen, dass der Kunde genau das Bild bekommt, was im am meis­ten nützt.

Er schlägt als Lösung neue ser­vice­ori­en­tier­te Ansätze vor, wie die Möglichkeit, A/​B‑Tests zu machen. Ein Kunde lädt zwei Bilder run­ter, ver­gleicht den Erfolg bei­der Motive in der Praxis und bezahlt nur für das Foto, was ihm mehr Umsatz verschafft.

Ich muss zuge­ben, dass Melchers gegen­tei­li­ger Denkansatz sei­ne phi­lo­so­phi­schen Reize hat. Trotzdem glau­be ich, dass er zwei wich­ti­ge Punkte über­se­hen hat.

Erstens basie­ren die Downloadzahlen der Bestseller ja nicht von einem ein­zel­nen Kunden, son­dern je mehr ver­schie­de­ne Kunden ein Foto run­ter­la­den, umso belieb­ter ist es. Das schließt ja nicht aus, dass der ein­zel­ne Kunde auch mit sei­nem ein­ma­lig gekauf­ten Bestseller-​Foto rund­um zufrie­den ist.

Zweitens gibt es vor allem im Zeitschriftenbereich vie­le gro­ße Verlagskunden, die immer wie­der ver­schie­de­ne Bilder kau­fen müs­sen, weil bei­spiels­wei­se die Stammleser einer Zeitschrift irgend­wann unzu­frie­den wür­den, wenn die Frauenzeitschrift sich jah­re­lang aus einem Pool von weni­gen hun­dert Bildern bedie­nen (obwohl das heu­te bei eini­gen Titeln schon der Fall zu sein scheint). Auch Werbekunden, die jah­re­lang die glei­che Anzeige für das glei­che Produkt schal­ten – den­ke nur an die Fern-​Universitäten – müs­sen regel­mä­ßig das Motiv aus­wech­seln, damit die Leute wie­der auf­merk­sam auf das neue Bild schau­en und die Werbebotschaft über­haupt noch wahrnehmen.

Was meint ihr zu Melchers Thesen? Sind Ladenhüter die heim­li­chen Erfolgsmotive? Oder wel­che Gründe spre­chen aus Kundensicht für Bestseller?

7 Gedanken zu „Sind wenig verkaufte Bilder die besseren Stockfotos?“

  1. Also, ich stim­me da auch eher Robert zu. Und den a/​b Test bei Microstock hal­te ich doch für über­trie­ben, bei den Preisen. Außerdem müss­ten die Motive für einen ech­ten a/​b test ja zumin­dest in einer redu­zier­ten Zielgruppe ein­ge­setzt wer­den, und wür­den damit genutzt. Als Layout kann man das nicht mehr bezeich­nen. Zudem den­ke ich, dass bei den Preisen, die Microstock nun­mal offen­bart, es auch kein Problem sein soll­te, zwei oder drei Bilder (oder im Abo erst recht ein paar hun­dert) run­ter­zu­la­den, zu tes­ten, und die bes­ten Performer zu nutzen…

  2. In einem Punkt hat er auf jeden Fall mei­ne Zustimmung, ein gutes Foto ist nicht an den Downloadzahlen fest­zu­ma­chen – in den meis­ten Fällen ist dies aber auch Geschmacksache.
    Wie Du ja schon schreibst ver­kennt er ein­deu­tig den Zusammenhang von Downloads und Nutzen. Gerade RF Material muss ein Kunde ja meist nur ein­mal lizen­zie­ren und kann dies belie­big oft und vor allem über die kom­plet­te Produktlebenszeit verwenden.

  3. Natürlich kann auch mal ein wei­ter hin­ten gelis­te­tes Bild genau das sein, wel­ches ein Kunde braucht.
    Es liegt immer an der Art der Grafik die erstellt wird. Habe ich zum Beispiel ein sehr text­las­ti­ges Layout brau­che ich ledig­lich Bilder die den Text ein wenig illus­trie­ren und auf­lo­ckern. Soll jedoch ein Slogan visua­li­siert wer­den oder ein Aufmacher Bild benö­tigt wer­den beginnt die lan­ge Suche nach dem pas­sen­dem Bild. Je grös­ser und wich­ti­ger ein Bild ist, des­to bes­ser muss es auch sein. Da jedoch mehr Bilder gebraucht wer­den um einen Text auf­zu­lo­ckern wer­den halt Bilder Bestseller, die eigent­lich kei­ne guten Bilder sind, son­dern ledig­lich ihren Zweck erfül­len. Es ist sowie­so müßig dar­über zu dis­ku­tie­ren, wann ein Bild ein gutes Bild ist. Technische Dinge wie Beleuchtung, Schärfe und Farbe las­sen wir mal außen vor. Einen Fotografen, bringt die­se Diskusion auch nicht unbe­dingt wei­ter, aus­ser die Frage, was man bes­ser in Macrostockagenturen anbie­tet. Denn, wenig Verkäufe und bil­lig sind der wirt­schaft­li­che Ruin eines Fotografen.

  4. Das was er beschreibt gilt nur für die sehr weni­gen Bilder die von den Firmen wie ein Logo ver­wen­det wer­den. Also als fast iko­ni­sches Erkennungsmerkmal für den Betrieb. Das ist aber nur sehr sel­ten der Einsatz eines Bildes. Ich hat­te frü­her 4 Mal im Jahr (Papier)mailings, jedes Jahr vie­le Anzeigen und bis zu 11 Messen. Und dann die Website. Da braucht man immer wie­der was Neues, sonst lang­wei­len sich die Kunden schnell. Nur muß man eben dar­auf ach­ten, das die Bilder einem gewis­sen Farb- und Designstil ent­spre­chen der typisch für die Produkte und die Firma ist. Sprich Jack Daniels hat sicher kei­ne Bilder oder Werbung in Limonengrün oder zart pink.

    Und die Bilder sind natür­lich nur ein Bruchteil von dem was die Kunden anlockt. Der Preis hat mit Abstand die größ­te Wirkung. Ein ech­tes Sonderangebot wird viral ver­brei­tet und schägt meist jedes Bild. Nur ist Produkte fast zu ver­schen­ken eben auch mit die teu­ers­te Werbung. Und ich kann das tol­les­te Bild haben, wenn mein Mitbewerber eben gera­de ein extre­mes Preisangebot hat, hilft mir das eben auch nicht viel. 

    Bilder sind immer nur ein Teil der Werbekampagne, Text, Slogans, Preise und nicht zuletzt die Kundenzufriedenheit sind eben­so wich­ti­ge, wenn nicht sogar noch wich­ti­ge­re Faktoren.

    Ich sehe es eher so, wenn ein Bild gut ist, dann wird es viel gekauft. Man sieht es ja schon den Bildern an, die Topseller sind ein­fach irre gut ein­setz­bar und brin­gen auf jeden Fall viel Aufmerksamkeit.

    Insofern ver­ste­he ich den Blogartikel von die­sem Mann nicht wirk­lich, er ent­spricht nicht der Realität in der ich gear­bei­tet habe.

  5. Ein etwas eigen­ar­ti­ger Artikel. Erstens nur für Werbung nach­voll­zieh­bar, vie­le Bilder erschei­nen aber redaktionell.

    Der A/​B Test mag viel­leicht für eine Makroagentur Sinn als USP machen. Im Microbereich völ­li­ger Unsinn. Es kos­tet mich mehr, wenn ich nach 1 Monat wie­der ein Bild zurück­ge­ben muss, eine Gutschrift anfor­dern, alle Vorgänge ver­bu­chen und doku­men­tie­ren, als wenn ich 3 MicrostockBilder (auch um TEURE 3 CR Startpreis) kaufe.

    Das „ein per­fek­tes Foto“, das einer Firma=Agenturkunden nicht unbe­dingt ein Topseller der Agentur sein muss, ist glau­be ich auch kein Geheimnis. Für mich als Fotografen sind aber Topseller inter­es­san­ter, als ob ein Bildkunde irgend­ein Schnäppchen macht.

  6. Ein gutes Stockfoto darf nicht per­fekt sein. Es muss viel­fäl­tig ver­wend­bar sein.
    Das beginnt schon beim Fotografieren. Bei einem Shooting, macht man nicht ein per­fek­tes Foto. Sondern eine Serie mit ver­schie­de­nen Variationen. Das ist eben die hohe Kunst. Bei einem Shooting, nicht ein Foto zu machen. Auch nicht 400 sehr ähn­li­che, son­dern die wesent­li­chen Bilder.
    Es gibt Fotografen, die machen unglaub­lich gute Landschaftsbilder, aber eben nicht stock­taug­lich. Dann gibt es Fotografen, die machen rela­tiv schlech­te Bilder. Kopieren aber alle ver­käuf­li­chen Themen durch und haben einen guten Umsatz gemacht. Das Optimum liegt irgend­wo in der Mitte. Das zu foto­gra­fie­ren was der Markt sucht, in einer über­durch­schnitt­li­chen Qualität mit genü­gend Differenzierung.
    Ein Stockfoto ist ein Massenprodukt. Es muss sich für den Massenmarkt eig­nen, indem es her­aus sticht. Die Long-​tail Schiene taugt für Stock auch nicht mehr. Also jede men­ge foto­gra­fie­ren in einer unter­durch­schnitt­li­chen Qualität. Die Masse an Bildern ist ein­fach schon zu groß. Da muss man eben einen Weg fin­den, dass man sich vom Üblichen differenziert.

  7. Ein Foto kann für den gewähl­ten Einsatzzweck genau DAS opti­ma­le Foto sein, für einen ande­ren wie­der­um nicht. Je uni­ver­sel­ler ein Foto ein­ge­setzt wer­den kann, um so mehr taugt es für Stockfotografie. Nach oben bespro­che­ner These habe ich einen erstaun­li­chen Vorrat an abso­lut per­fek­ten Fotos – dumm bloß, dass das nich nie­man­dem auf­ge­fal­len ist:-)

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