Im Theater fotografieren – Parsifal

Parsifal? Ist das nicht die­se end­los lan­ge Oper von Richard Wagner? Genau!

Diese Oper wur­de das ers­te Mal im Juli 1882 auf­ge­führt – und am Karfreitag 2010 in der Kölner Studiobühne - in vol­ler vier­ein­halb­stün­di­ger Länge! Der Schauspieler Manuel Moser mim­te in dem Stück stumm den genie­ßen­den Wagner-​Hörer im Wohnzimmer, der im Laufe der Zeit immer wei­ter in die epo­cha­len Fantasiewelten der Oper ein­dringt und schließ­lich in ihnen gefan­gen ist. Wer kann in Zeiten von fla­ckern­der Videoclip-​Ästhetik auf YouTube und eili­gen Statusmeldungen auf Facebook und Twitter noch behaup­ten, sich über vier Stunden non­stop (okay, es gab nach ca. zwei Stunden eine kur­ze Pinkelpause) auf ein Musikstück einzulassen?

Das Stück wur­de von Dietmar Kobboldt insze­niert, Gabriele Fischer war für die Dramaturgie zustän­dig und die künst­le­ri­sche Mitarbeit über­nahm Tim Mrosek.

Die Fotos zei­ge ich hier übri­gens in chro­no­lo­gi­scher Reihenfolge, so daß ihr mit ver­fol­gen könnt, wie die Motive immer wil­der und sur­rea­ler wer­den und schließ­lich zur Selbstauflösung führen.

Wie so oft habe ich wie­der mei­ne Standard-Ausrüstung für Theaterfotos benutzt, die sich auch hier gut bewährt hat. Die Canon 5D Mark II mit dem 70–200mm IS 2.8 Objektiv und einem Einbeinstativ. Fotografiert habe ich bei ISo 1600 und fast durch­gän­gig mit Blende 2.8. Damit erziel­te ich Belichtungszeiten von ca. 1/​10 bis 1/​60. Das war schon sehr knapp, aber da sich ers­tens der Schauspieler nur sel­ten schnell bewegt hat, ich zwei­tens das Stativ ruhig hal­ten konn­te und drit­tens der Bildstabilisator aktiv war, waren die Fotos scharf genug.

Fast alle Fotos habe ich eine bis zwei Blenden unter­be­lich­ten müs­sen, da die bun­ten hel­len Scheinwerfer für einen extrem gro­ßen Kontrastumfang sorg­ten und ich trotz­dem einen satt­schwar­zen Hintergrund haben wollte.

Das Spiel von Licht und Schatten wur­de im Stück ger­ne aus­ge­kos­tet, was für Fotografen immer dank­ba­re Motive abwirft.

Ein Zugeständnis an den media­len Massengeschmack waren die Video-​Installationen mit Animationen von Manuel Schmitt.

Die bei­den Fotos oben und unten sind mei­ne Favoriten des Abends. Oben durch den Farbkontrast, der gleich­zei­tig Tiefe erzeugt (nicht im Bild: Die wil­den Kopulationsszenen mit zwei Zimmerpflanzen), unten wegen des „Bild-in-Bild“-Effekts. Live-​Video macht es möglich.

Trotz Unterbelichtung von zwei gan­zen Blenden sind am Kragen immer noch Bereiche über­be­lich­tet. Welchsendes Licht kann auch ein Fluch sein.

Ebenfalls ein sehr dank­ba­res Motiv. Was hät­te ich dafür gege­ben, vor­her zu wis­sen, dass sich der Schauspieler den Wein ins Gesicht kip­pen wird. Dann hät­te ich in mei­ner Eile nicht oben das Glas abge­schnit­ten und die Kamera in den Serienbild-​Modus versetzt.

Das letz­te Bild ist noch ein schö­ne Beispiel dafür, wie ver­schie­de­ne Lichtquellen durch ihre Farbtemperaturen ganz ande­re Stimmungen erzeu­gen können.



Was sagt ihr zu den Fotos? Welche sind Eure Favoriten und warum?

7 Gedanken zu „Im Theater fotografieren – Parsifal“

  1. Mein Favorit ist das 9. Foto. Die Farben und Kontraste sind unglaub­lich schön, der Hintergrund gibt dem Bild etwas mys­te­riö­ses und der Ausdruck des Schauspielers ist toll ein­ge­fan­gen. Ein inten­si­ves Bild!

  2. Bild Nr. 10 gefällt mir dank dem „Bild im Bild“ – Effekt und dem dyna­mi­schen Aufbau sehr gut.
    Bild Nr. 7 wäre klas­se wenn Salz- und Pfeffermühle nicht zu sehen wären und dafür mehr von dem
    Schattenspiel ober­halb des Schauspielers.

  3. Glückwunsch, tol­le Arbeit, gute Idee und Umsetzung!
    Favoriten:
    2 Inhalt,
    5 Komposition und Unschärfe, Inhalt,
    6 sym­me­tri­scher Aufbau, Inhalt, bezieht sich auf lee­ren Stuhl,
    7 sym­me­tri­scher Aufbau, (monu­men­tal)
    8 Stimmung,
    9 Stimmung, Komposition
    10 Ausdruck, Komposition, vorne-hinten
    12 auch toll, halt weni­ger mein Geschmack
    13 auch gut, halt weni­ger mein Geschmack.
    Tolle Reihe! Wirklich klasse!

  4. Meine FAVS sind die 5 & 6.
    Bei 5 ist es der flat­tern­de Arm und bei der 6 die gesam­te Kompo.
    Was hast du für einen WB genom­men, die Farbtemperaturen waren ja doch sehr verschieden.

    Gruß frank

  5. @Frank: Den Weißabgleich muss­te ich bei der RAW-​Entwicklung immer manu­el­le ein­stel­len, weil das Licht vor Ort je nach Farbe eine ganz ande­re Farbtemperatur hat­te. Grundsätzlich bin ich aber eher von Halogenlicht (ca. 3200 K) ausgegangen.

  6. Exquisit. Tolle Ergebnisse für sol­che Lichtverhältnisse.
    Fragst du vor­her, wegen des Fotografierens, kos­tet das extra, oder wie läuft das?
    Hat man dann auto­ma­tisch ein Model-​Release vom Schauspieler oder holst du das geson­dert ein?

  7. @Joachim: Wie frü­her mal geschrie­ben, bin ich in einer Fotogruppe, die eine Vereinbarung mit dem Theater hat und dort wäh­rend der Proben foto­gra­fie­ren darf.

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