Willkommen bei der sechsten Folge von „Pimp My Stock!“ Hier rezensiere ich Fotos, die andere Fotografen mir geschickt haben, auf ihre Tauglichkeit für Bildagenturen hin. Diesmal ist Cmon an der Reihe.
Ich lasse ihn selbst vorstellen mit der Mail, die er mir geschrieben hat:
„Hallo
Ich bin ein Leser deines Blogs und ich dachte, ich könnte der Aufforderung, dass du Dir mal meine Bilder anschaust, Folge leisten 😉Ich bin gelernter Polygraf und betreibe Stockfotografie so nebenbei als Hobby und Nebeneinkunft fürs Hobby. Die nötigen Fotokenntnisse hab ich mir selber angeeignet und die Grafiken sind im Photoshop oder Cinema 4D entstanden.Auf die Stockfotografie bin ich per Zufall gekommen, als ich selber mal Bilder brauchte und ich es einfach selber ausprobiert habe, ob ich was verkaufen werde. Da ich eher aus der Nachbearbeitung komme, habe ich auch mehr Grafiken als Fotos in meinem Portfolio. Selber besitze ich neuerdings eine Olympus PEN EP‑1 und eine Canon IXUS980IS, jedoch bin ich bei der Fotografie (vor allem mit Menschen) ein Neuling und bin auf deine Kritik bespannt. Vorher habe ich mich vor allem auf Gelegenheits-Fotografie und Grafiken beschränkt, dementsprechend bunt durchmischt ist auch mein Portfolio…Falls du meine Bilder veröffentlichst und bewertest, kannst du mich Cmon nennen, so bin ich auch in Fotolia vertreten. (exklusiv). Ich hab die Bilder mit einem Wasserzeichen versehen, ich hoffe das stört dich nicht zu fest, sonnst schick ich dir neue…Ich bin sehr gespannt, was ich verbessern kann!Viele Grüsse“
Los geht’s mit seinen Bildern.
Das erste Foto zeigt eine glückliche junge Frau beim Fotografieren. Der Winkel ist ungewöhnlich und das Model mit ihrem strahlenden Lächeln tauglich für die Stockfotografie. Auch die bunte Kamera im Gegensatz zu den üblichen grau-schwarzen Modellen bringt Leben ins Bild. Ich hätte jedoch noch den Ansatz des Markennamens neben dem Objektiv retuschiert, da ich sofort sehe, welches Modell das ist. Am meisten stört jedoch die große Halskette, die eher nach Hundehalsband aussieht und vielleicht eine passende Requisite für eine Punkerin wäre. Für diese leichte Foto wirkt sie zu wuchtig.
Weiter geht es mit Ketten. Dieses Motiv nennt sich in der Stockfoto-Szene „The Weakest Link“ (das schwächste Glied). Die Tatsache, dass es für dieses Motiv einen eigenen Namen gibt, zeigt, dass es zu den klassischen Klischee-Motiven gehört. Oder anders gesprochen: Die Konkurrenz bei diesem Motiv ist sehr groß. Der Vorteil hier ist, dass Metall schwer zu fotografieren ist und das Motiv als Illustration viel sauberer und perfekter dargestellt werden als als bei Fotografien. Insofern ist die Chance groß, dass es auch gegen die große Konkurrenz gut bestehen kann.
Bei diesem Motiv bin ich mir unschlüssig. Das Motiv „Schreibtisch voll mit Aktenordnern“ verkauft sich bestimmt gut. Verbessert werden hätte jedoch die Detailtreue, da die Aktenordner wie feste Blöcke statt wie mit viel Papier gefüllt aussehen. Außerdem wäre ein reinweißer Hintergrund für Designer praktischer als der Grauverlauf. Insgesamt trotzdem ein gutes Stockbild, da die meisten Fotografen sicher nicht so viele Aktenordner zu ihren Requisiten zählen dürften.
Wegen der Debatte um den Klimawandel sind auch Fotos von Gletschern wieder gefragt. Dieser hier wirkt jedoch im Vergleich zu den bisher angebotenen Gletscherfotos zu „trocken“, zu wenig Schmelze und Wasser, um die Bedrohung durch schmelzendes Eis illustrieren zu können.
Technisch ist dieses Foto eines Kornfeldes gelungen, vorausgesetzt, die horizontale Krümmung (vermutlich durch ein Weitwinkelobjektiv) wird akzeptiert. Von diesem Motiv gibt es jedoch so viele sehr ähnliche Bilder, dass das Foto es schwer haben wird, sich gegen die anderen übersättigten Fotos (mit blauerem Himmel und gelberen Ähren) zu behaupten.
Ein Sushi-Foto. Appetitliches Motiv, spannender Bildaufbau, technisch gut umgesetzt. Wird bestimmt seine Käufer finden.
Im Vergleich zu dem obigen Gletscher-Foto hat dieses Bild eines Lochs im Eis einen großen Vorteil. Es ist zum einen bildlich nutzbar zum Thema Eis und Antarktis, aber auch konzeptionell zum Thema Hoffnung, Abenteuer, Entdeckung, Zukunft. Das wird dem Foto garantiert mehr Verkäufe bescheren als dem Gletscher-Foto.
Ähnliches gilt für dieses Bild. Die Konzepte strömen nur so durch meinen Kopf beim Anblick der Weggabelung.Das ist auf jeden Fall ein gefragtes Stock-Motiv. Etwas störend ist leider die Randabschattung, die mit Photoshop korrigiert werden kann. Außerdem fehlt der gelbe Wegweiser rechts zum Teil, der zum einen farblich einen schönen Kontrastpunkt bildet, andererseits aber sehr wichtig für die Unterstützung der Konzepte ist. Hier wäre es besser gewesen, ihn ganz auf dem Foto zu haben.
Eine Frau isst einen Apfel auf einer Wiese. Theoretisch sehr gutes Stockmaterial. Aber wer schon mal im Liegen probiert hat, weiß, dass diese Pose total unrealistisch ist, weil der Saft und die abgebissenen Apfelstücke leicht in die Luftröhre gelangen könnten. Hier wäre eine Pose sinnvoller gewesen, bei der die Frau sich mit den Armen auf dem Boden abstützt. Außerdem ist wieder Randabdunkelung zu sehen und der Warbton wirkt auf mich einen Tick zu kühl. Die Sommerstimmung will nicht so recht aufkommen.
Zu guter Letzt noch einige Tiere: Zwei Elefanten. Das Foto wird sich gut verkaufen, allein deshalb, weil realistisch aussehende Illustrationen von mehreren freigestellten Elefanten bisher selten sind. Dabei bin ich mir zugegebenermaßen nicht ganz sicher, ob es wirklich eine Illustration oder ein stark bearbeitetes Foto ist. Verrätst Du es uns, Cmon?
So, was sagt ihr zu den Fotos? Stimmt ihr meiner Meinung zu oder seht ihr es anders? Anmerkungen sind wie immer gerne in den Kommentaren gesehen.
Wer von mir auch kostenlos Tipps haben will, ob seine Fotos „stocktauglich“ sind, kann gerne ebenfalls mitmachen.
Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kurze Mail, in der ihr Euch vorstellt, z. B. wie lange ihr Fotos macht, mit welcher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos verkauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-Branche vorhabt.
– Wenn ich ausreichend Zeit habe für Bildbesprechungen, bitte ich Euch, mir 5–10 Bilder in kleiner Auflösung zu schicken.
– Diese werde ich dann in einem Blogbeitrag wie diesem veröffentlichen (auf Wunsch auch anonym) und meine Kommentare abgeben aus Business-Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, sondern wie verkäuflich das Foto sein könnte oder wie es verkäuflicher gemacht werden könnte.
Kritisch, ehrlich, subjektiv.
Cool, vielen Dank für deine professionelle Einschätzung! Viele Dinge wie die zu grosse Kette usw sind mir gar nicht aufgefallen, irgendwie wird man bei seinen eigenen Arbeiten einfach „Betriebsblind“ 😉
Ja und diese Randabschattung muss ich auch noch wegbringen, ist mir gar nicht aufgefallen, weil ich mit so extremen Weitwinkelobjektiven ein Neuling bin, aber da hast du natürlich Recht. Allerdings beim Weizen-Himmel-Bild ist der krumme Horizont extra mittels EBV gemacht, hab aber auch eins mit geradem Horizont, finde dieses aber interessanter…aber mal schauen was sich besser verkauft!
Das Elefantenbild übrigens ist ein freigestelltes Zoo-Bild…aber es mit Zoos so eine Sache ist und der Käfig eh hässlich ist hab ich mich dazu entschlossen, das Bild freizustellen und einen Schatten zu zeichen. Ich hab einige Varianten gemacht, unter anderem mit blauem Verlauf im Hintergrund.
Teilweise schöne Fotos, in den meisten schließe ich mich der Meinung von Robert an. Lediglich die Sushi-Bilder sind mir an der falschen Stelle scharf und gefallen mir nicht. Der Punkt der Schärfe liegt zwischen zwei Rollen. Gefälliger wäre das Bild, wenn das Grüne „Zeug“ ein wenig mehr Schärfe abbekommen hätte.
Aber das kann man bei Sushi ja mit Wasabi ja nachregulieren 😉
skip
Da hab ich eine Frage, vielleicht kann sie mir jemand beantworten. Zu den freigestellten Elefanten. Wenn es nun verboten ist, seine Zoo-Fotos zu veröffentlichen (ist ja in vielen Zoos so), ist es dann aber erlaubt nur die Tiere freigestellt zu nehmen? Oder kann da auch der Zoo kommen und sagen, hier, an dieser Stelle erkenne ich meinen Elefant, den darfst du nicht nehmen ohne Genehmigung?
(Ich finde das „trockene“ Gletscherbild übrigens am besten)
…ach ja, und das Sushi-Foto find ich auch nicht ganz zu gut, ich mag lieber die auf denen das Orange „oranger“ ist 🙂
@Q: Falls ein Zoo wirklich in der Lage wäre, nachzuweisen, dass das auf dem Foto seine Elefanten sind, könnte es eng werden. Aber vielleicht ist es ja auch ein Zoo, der die kommerzielle Nutzung erlaubt?
Wer Tiere aus dem Zoo aufnimmt, sollte darauf achten das diese Tiere keine Auffälligkeiten besitzen. Diese wären z. B. abgebrochene Zähne, Narben, Fehlstellungen, Muttermale usw.. Werden z. B. Affen Baby‚s aufgenommen sollte man mit der Veröffentlichung der Bilder einige Monate warten. Nach 6 Monaten wird auch der Zoo nicht mehr den Nachweis erbringen können das die Bilder von diesem Affen kommen. Auch der Tierpark Hagenbeck in Hamburg der schnell mit einer Anzeige kommt, würde gegen eine Wand laufen.
Die Anmerkung zu dem Bild der apfelessenden jungen Dame ist sachlich natürlich richtig – nur: welcher Bildredakteur, welcher Designer achtet auf sowas?
Das Phänomen ist ja auch aus der Erotik-Fotografie nicht ganz unbekannt: es gibt Posen, die sehen optisch gut aus und bedienen auch bildliche Klischee-Vorstellungen beim Betrachter, würden in der Realität aber kaum oder gar nicht funktionieren.
Der Betrachter denkt allein: auf der Wiese liegen, in den Sommerhimmel schauen, in einen gerade vom Baum gepflückten Apfel beißen… äh… Äpfel werden in Wahrheit im Herbst geerntet, und meistens bei einem Wetter, das nur selten noch dazu einlädt, auf einer Wiese zu liegen und in den Himmel zu gucken…
Ich las mal eine Umfrage, von einem Touristikverband in Auftrag gegeben, wonach 75% der Befragten der Überzeugung waren, daß der Raps in Schleswig-Holstein im Hochsommer blüht.
Schleswig-Holstein-Touristen haben nicht selten da so Bilder von prall gelb blühendem Raps, blauem Himmel und Sommerferien im Kopf. Und sind dann enttäuscht, denn wenn sie in den Sommerferien hier ihren Urlaub machen, stehen nur noch angestaubte grüne Strünke auf den Feldern – die Hauptzeit der Rapsblüte ist nämlich im Mai…
Insofern finde ich das nicht negativ, und üblicherweise würde man ja das Stockfoto „Junge Frau im Wiesengras beißt in Apfel“ durch mehrere Varianten ergänzen, die dann verschiedene Körper- und Esshaltungen zeigen. Würde mich aber gar nicht wundern, wenn das an sich unrealistische Foto mit die meisten Verwendungen erzielte.
Die freigestellten Elefanten sind genial! Elefanten lassen sich symbolisch für alles mögliche verwenden und sind große „Sympathieträger“.
Last but not least die Sache mit den Wegweisern bei der Wegesgabelung…
Ganz weg *und* ganz drauf. Angeschnitten ist gestalterisch nicht gut. Und ob das Bild mit oder ohne Wegweise besser passt – das kann letztlich nur der Abnehmer beurteilen. Da Wegweiser üblicherweise eine Beschriftung haben, die das Bild örtlich festlegt und eine Aussage zumindest teilweise vorgibt, würde ich immer auch die Variante ohne Wegweiser anbieten.
(Für das Symbolbild „Manchmal im Leben steht der Mensch vor der Frage, welchen Weg er einschlagen soll?“ passt es nämlich eher nicht so gut, wenn das Foto klar anzeigt, daß es von hier aus noch 5 Kilometer nach Niederkrötzenbach sind…;-)
Beim Sushi ist mir persönlich der Unschärfebereich zu groß. Das ist nicht auf den ersten Blick als „Sushi“ erkennbar. Jedenfalls nicht für Leute, die keine so verfestigten Bilder von Sushi im Hinterkopf haben, und das dürften hierzulande die meisten sein.
Die Aktenordner – ja, das sieht nach Möbelhaus-Deko aus. Wobei sich die Frage stellt, ob das unbedingt nur negativ ist. Ich bin da auch unschlüssig. Das Bild wirkt auf mich ohnehin so „künstlich“, daß die Möbelhaus-Deko fast schon wieder passt…
Ich finde deine Bewertungen gut, allerdings teilweise auch verwirrend. Du bewertest hier 2 Bilder die eigentlich keine Fotos sind (sondern zweifelsfrei aus einem 3D-Programm kommen). Beispielsweise der Schreibtisch mit den vielen Ordnern. Das was du hier bemängelst liegt einfach daran, dass es aus einem 3D-Programm kommt. Aber warum erkennst du das nicht?
Sabrina: ich hatte bei meiner Bewertung berücksichtigt, dass die Bilder computergeneriert wurden. Das ändert aber nichts an meiner Einschätzung.