Vor knapp zwei Wochen habe ich mich in einem Blogbeitrag damit beschäftigt, „Was Macrostock-Bildagenturen von Microstock unterscheidet“.
Der Kieler Fotograf Olaf Bathke hat in seinem Blog eine sehr lesenswerte Antwort geschrieben mit „13 Gründen, warum Macrostock-Agenturen nicht aussterben“. Sein Text ist deshalb interessant, weil er im Gegensatz zu meinem Artikel, der eher die Kundenseite betont, die Sicht der Fotografen forciert. Seine 13 Punkte lassen sich grob zu drei Punkten zusammenfassen.
1. Service
Fotografen haben bei Macrostock-Agenturen Gesprächspartner, die sie anrufen können und von denen sie nicht per Mail vorgefertigte Textbausteine oder gar keine Antwort bekommen. Außerdem liefern Macrostock-Bildagenturen Ideen für gut verkäufliche Stockfotos. Zitat Olaf Bahtke: „Ich bevorzuge eine angenehme Gesprächskultur und möchte nicht nur ein Rädchen in einem unübersichtlichen Getriebe sein.“
2. Themenauswahl
Bei Macrostock-Agenturen wird mehr in „Bildstrecken“ gedacht. Außerdem tragen Macrostock-Fotografen weniger dazu bei, dass die Bilderflut unerträglich wird. Zusätzlich werden Themen und Stile angenommen, die bei Microstock-Agenturen als zu abstrakt, avantgardistisch oder experimentell abgelehnt werden. Zitat Olaf Bathke: „Kreativität und Individualität lassen sich schwer Verschlagworten, sie gehen mit Größe eines Fotostocks unter.“
3. Preis
Bei den teuren Bildagenturen verdient ein Fotograf mehr. Für die Microstock-Preise will ich meine Fotos nicht anbieten. Zitat Olaf Bathke: „Meine Erlöse in Makroagenturen sind höher, als in anderen Agenturen.“
Wer aufgepasst hat, merkt, dass zwei der drei Punkte auch aus Kundensicht ausschlaggebend für die Wahl einer Macrostock-Bildagentur sind: Themen und Service. In beiden Punkten stimme ich Olaf zu.
Dem Preis-Aspekt sehe ich differenzierter. Auch ich habe mich lange geweigert, meine Fotos zu Microstock-Preisen zu verkaufen. Aber ich wollte mich nicht mehr auf die Verkaufszahlen in diversen Microstock-Blogs verlassen, um einschätzen zu können, ob diese Sparte lukrativ wäre oder nicht. So habe ich zwei normale Fotosessions genommen, die ich sonst den teuren Bildagenturen angeboten hätte und verkaufte sie über Microstock-Bildagenturen. Nach ca. acht Monaten habe ich nun genug Zahlen, um meine Einkünfte aus teuren mit denen aus Microstock-Bildagenturen vergleichen zu können. Das Ergebnis: Der RPI, also der Umsatz pro Bild ist fast gleich. Zu berücksichtigen ist, dass die Lebenszeit von Fotos bei traditionellen Stock-Agenturen durchschnittlich bei fünf Jahren liegt, während sie der Microstock-Experte Yuri Arcurs bei Microstock-Bildagenturen auf zwei Jahre schätzt.
Ein Grund, warum viele professionelle Fotografen keinen Erfolg in Microstock-Agenturen haben, wird hier gut zusammengefasst. Man beachte vor allem Punkt 9 und 10. Da etablierte Fotografen Microstock skeptisch gegenüber stehen, testen sie die Verkäufe mit ihren Bildern „zweiter Wahl“ und freuen sich dann, dass ihre vermuten zutreffen: Die verkaufen ja nicht so gut. Auch andere professionelle Macrostock-Fotografen machen gute Erfahrungen mit Microstock-Agenturen.
Aber zurück zum Thema.
In den Kommentaren zu meinem ersten Artikel hieß es auch, dass die Qualität unterschiedlich sei. Das stimmt mittlerweile jedoch nur noch in Bezug auf originelle, ungewöhnliche Motive und Bildsprachen. Mangelnde technische Qualität war bei Microstock-Bildagenturen vor allem ein Anfangsproblem, aus dem die Agenturen schnell rausgewachsen sind. Während es bei Microstocks aber oft heißt „abgelehnt wegen geringer Verkaufschancen“ meinte vor einigen Monaten eine Bildredakteurin zu mir „Das Foto von Dir finde ich sehr spannend, aber leider wüßte ich nicht, wer das kaufen könnte. Ich nehme es trotzdem mal, weil es selten ist“. Bisher hat es sich noch nicht verkauft, aber wenn ein Kunde so ein Motiv sucht, wird er es nur in der Macrostock-Agentur finden.
Olaf hat deswegen auch einen Denkfehler in seinen Argumenten. Er schreibt:
„10. Ich möchte auf Dauer nicht in den Bilderfluten untergehen, die wie unkontrollierbare Krebsgeschwüre anwachsen.“
Angenommen, jeder Fotograf schickt jedes Foto, was er bisher einer Microstock-Bildagentur geschickt hat, an eine teure Macrostock-Bildagentur. Was würde passieren?
1. Die Kapazitäten der Agentur würden für diesen Ansturm nicht ausreichen. sie wäre vollkommen überfordert.
2. Die Agentur bräuchte nicht so viele Fotos, weil sie nicht so viel verkaufen muss, um Gewinn zu machen.
Das erklärt auch den Erfolg der Microstock-Agenturen. Sie haben den Bildermarkt einer Käuferschicht eröffnet, die es sich bisher nicht leisten konnte, Fotos zu kaufen. Wer als Fotograf nun sagt, „Tja, ihr armen Schlucker, habt ihr Pech gehabt, meine Fotos sind mehr wert“, der denkt meines Erachtens zu elitär. Das Problem ist eher, dass jetzt auch die zahlungskräftigen Kunden in der Lage sind, Geld zu sparen, mit dem sie vorher die kreativen Fotografen subventioniert haben.
Die Bildermassen aus dem Beispiel würden eine Macrostock-Agentur aber schon deshalb nicht erreichen, weil sie Fotografen oft nur sehr selektiv aufnehmen. Dabei ist es dem Kunden meist egal, ob der Fotograf, der dieses coole Fotos gemacht hat, was auf den Titel soll, noch 10 andere oder 1000 andere bei der Agentur hat. Die Agenturen lehnen nicht nur wegen mangelnder Qualität Fotografen ab, sondern auch wegen des hohen Arbeitsaufwands, den Fotografen verursachen, die nur wenige Fotos im Jahr liefern.
Hier können beide Seiten voneinander lernen.
Wie mein obiges Beispiel andeutet, mangelt es vielen Macrostock-Agenturen an einer starken technischen Grundlage. Viele Microstock-Agenturen sind von Leuten gegründet worden, für die Computer ihr Lebensinhalt sind. Die Macrostock-Agenturen haben den Wandel von der Analogfotografie zur Digitalfotografie eher schleppend und mürrisch vollzogen. So sehen die Webseiten und Fotografen-Bereiche der Agenturen auch aus: Altmodisch und funktionslos. Viele Microstock-Seiten hingegen bieten umfangreiche Stapelverarbeitungs-Möglichkeiten und Statistik-Funktionen an. Kein Wunder, leben sie bei den niedrigen Preisen doch von der Masse.
Hier will ich mehr! Ich will auch bei meinen teuren Agenturen auf einen Blick sehen können, wie viel ich pro Verkauf durchschnittlich verdiene, wie meine Ablehnungsquoten sind und vieles mehr. Außerdem versetzt eine gut strukturierte Technik die Bildagenturen in die Lage, Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten. Dann bräuchten Fotografen nicht mehr aus verwaltungstechnischen Überlegungen abgewiesen werden.
Doch auch andersrum gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Wenn Microstock-Bildagenturen von der Masse leben, kann es nicht schaden, exotischere Fotos ins Programm zu nehmen, Fotos mit technischen Fehlern, die absichtlich da sind, um die Bildaussage zu steigern. Das sturre Beharren auf technische Perfektion führt zu dieser sterilen Kälte, die Bildkäufer abschreckt.
Auch die Kommunikation ist oft verbesserungswürdig. Ich verstehe, dass eine Agentur mit zehntausenden Fotografen keine Hotline einrichten kann. Aber eine Massenmail vor wichtigen Änderungen in der Bildagentur erwarte ich schon.
Der Markt ist für Bildagenturen in allen Preissegmenten groß genug. Die Herausforderung ist nur, die richtigen Bildkäufer in das richtige Segment zu schicken und Abwanderungen in Richtung „billig“ zu vermeiden.
Ich gebe den Ball wieder ab. Was sagt ihr zu Olafs und meinen Ansichten?
Du schreibst, daß der Qualitätsunterschied „nur“ noch in Bezug auf ungewöhnliche Motive und der entspr. Bildsprache existiere. Ähm, was definiert denn sonst ein Foto? Ist das Motiv jetzt auf einmal egal? Reicht es, daß irgendetwas auf dm Bild korrekt fokussiert und belichtet ist? Die Bildsprache wird durch die Faktoren bestimmt, die ein bewußt mitdenkender Fotograf so einsetzt, daß sich eben am Ende DAS Bild ergibt. Sei es der Lichteinsatz, durch bewußten Einsatz der Brennweite, durch gezielte Belichtung, durch die Wahl des Ausschnitts, durch bewußte Farbgestaltung, durch gezielte Auswahl der Location (bzw. durch Aufbau der Location) etc… alles sekundär, weil es ja in deinen Augen reicht, daß ein Foto scharf ist?
Bei allem Respekt: es mag sein, daß sich deine Fotos verkaufen, aber diese sind genauso langweilig ausgeleuchtet, unspektakulär fotografiert und inhaltlich wenig anspruchsvoll konzeptioniert wie alle anderen Microstock-Sachen. Das ist nur konsequent, wenn du tatsächlich so denkst, wie du es oben beschrieben hast. Dieses „nur“ gerade in Bezug auf Bildsprache sagt alle – denn bei einem guten Foto ist Bildsprache alles…
@Tom:
Mir ist klar, dass auch ich noch viel lernen kann, was Technik und Bildsprache angeht und ich arbeite auch daran. Was ich mit dem „nur“ meinte, ist, dass sich – neben den zweifellos unoriginellen Fotos – in Microstock-Agenturen mittlerweile trotzdem genug Fotos finden, die auch bei der Technik, Farbe, Location, Ausschnitt etc. mit den traditionellen Agenturen mithalten können. Kein Wunder, da auch zunehmend die gleichen Fotografen beide Segmente bedienen.