Wer meinen Blog schon eine Weile liest, weiß, dass ich gerne die Stockfotografie-Branche mit anderen Wirtschaftsbereichen vergleiche.
So gab es hier schon Parallelen zur Pornobranche, zum Buchmarkt und der Musikindustrie zu lesen. Ich mache das gerne, weil ich glaube, dass durch diese Blicke über den Tellerrand Entwicklungen besser analysiert werden können. Manchmal bin ich aber ratlos.
Im Vergleich zum Buchmarkt zitierte ich eine Autorin, die sich beklagte, dass der Trend in ihrer Branche dahin gehe, dass die Schriftsteller nicht nur schreiben, sondern bald auch verlegen und verkaufen müssten.
Gestern stand in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel über den Zustand der Musikindustrie, geschrieben vom Musiker John Mellencamp.
Darin lamentiert er:
„Jetzt heißt es, dass sich die Künstler doch selbst darum kümmern sollen, mit ihrer Musik Geld zu verdienen. Kann man im heutigen Geschäftsklima von einem Künstler wirklich verlangen, dass er seine Stücke komponiert, aufnimmt, aufführt, verlegt und auch noch seine eigene Karriere vermarktet? Ich finde es immer sehr amüsant, dass Leute, die in ihrem Leben noch keine Platte aufgenommen oder einen Song geschrieben haben, so viel besser wissen, was ein Künstler zu tun hat, als die Künstler selbst.“
Angesichts der Tatsache, dass Vollzeit-Stockfotografen schon längst nicht nur Fotografieren, sondern auch Produzieren, Retuschieren, Verschlagworten und ihre Bilder vertreiben müssen, frage ich mich: Sind Stockfotografen die Vorreiter des digitalen Präkariats? Oder verdiene ich nur noch nicht genug, um mir diesen Stab von Mitarbeitern leisten zu können, den Top-Stockfotografen beschäftigen und anscheinend auch viele Musiker und Autoren?
Was meint ihr?
Das Problem mit der Verschiebung von Tätigkeiten gibt es in vielen Branchen. Du nennst die Autoren und Musiker. Nun trifft es auch die Fotografen. Bei den Pressefotografen wird auch schon seit Jahren erwartet, dass sie neben Fotos am besten auch die ganze Storry liefern. Es ist leider im künstlerischen Gewerbe so, dass die großen Agenturen (Foto, Presse, Musik, usw.) versuchen ihren „Shareholder Value“ bzw. ihren Gewinn zu maximieren. Das geht am einfachsten in dem man bestimmte zeit- und kostenintensive Aufgaben auf andere – in diesem Fall die Künstler – überträgt.
Als Folge daraus wird es sicher bald keine einzelnen Stockfotografen mehr geben, sondern Zusammenschlüsse, um Models, Lokations und weiteres gemeinsam zu nutzen. Eine neue Geschäftsidee??
Nun, ich bin in keiner der bisher genannten Branchen tätig, sondern in der Logistik, aber trotzdem will ich etwas zu dem Thema sagen: Für mich machen Musiker, wenn sie einen Produzenten, oder Autoren einen Verleger suchen, genau das, was auch in vielen Unternehmen passiert: Sie konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen und beauftragen Spezialisten mit den anderen Aufgaben.
Ich denke die großen Musiker kann man mit ihrem Stab durchaus als Unternehmen betrachten, genau wie die großen Autoren und Fotografen. Für Unternehmen ist es meiner Meinung nach eine Frage der Wertschöpfung oder der Größe, welche Aufgabenbereiche sie an andere Dienstleister abgeben. Unternehmerisch gedacht macht es keinen Sinn, dass z.B. ein Montagemitarbeiter in einem Automobilwerk 500m durch die Halle geht um sich seine Schrauben zu holen. Die werden ihm entweder automatisiert an seine Arbeitsstation gebracht, oder von einem anderen Mitarbeiter regelmäßig aufgefüllt. In einer kleinen Bauschlosserei hingegen wird das anders sein, weil es sich unternehmerisch einfach nicht lohnt.
Genau so sehe ich das bei Künstlern. Der Aussage von John Mellencamp, dass die Vermarktung von Musik nicht die Kernkompetenz von Musikern ist, stimme ich zu. Aber man muss auch hier abwägen ob es sich lohnt Aufgabenbereiche an Andere abzugeben. Das ist bei kleineren, eher unbekannten Musikern wahrscheinlich genau so schwer möglich wie bei kleinen Unternehmen.
Um nun zur Stockfotografie zu kommen: Hier werden die Bilder ja auch über Agenturen vermarktet und es ist nicht so, dass der Fotograf seine Bilder jeder Zeitschrift einzeln anbietet. Auch die Steuererklärung macht er vermutlich nicht mehr selbst, sondern gibt sie dem Steuerberater. Und einen Fotografen der seine Models selbst schminkt sieht man auch selten. Entweder weil er in der Zeit in der er sich mit diesen Aufgaben beschäftigen würde sich mehr um seine Kernkompetenzen kümmern kann und so im Endeffekt mehr Geld verdient, oder weil es die Kernkompetenz Anderer ist und die darin besser sind. Man könnte jetzt sicherlich noch dutzende Aufgaben finden, die man bei Stockfotografen outsourcen kann. Man muss halt nur abwägen ob es sich finanziell lohnt…
Es ist doch so: je mehr Leute vom Kuchen (sei es das Bild oder ein Musikstück) ihren Anteil haben wollen, umso weniger bleibt am Ende für den Künstler.
Mir passt es auch nicht unbedingt, dass ich rund 50% meiner Verkaufserlöse an meine Agenturen abgeben muss, aber wenn ich die Logistik auch noch leisten müsste, dann würde ich wahrscheinlich draufzahlen.
Demnächst werde ich anfangen, einen kleinen Teil meiner Bilder selbst zu vermarkten. Ich bin gespannt, ob das am Ende so klappt, wie ich mir das vorstelle, so dass ich vielleicht irgendwann gar nicht mehr oder nur zu einem geringen Anteil auf Agenturen angewiesen bin.